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Türk, H. J.: Der Hirntod in philosophischer Sicht. 43 (1997) 1, S.17 (1997).
Türk, H. J.: Der Hirntod in philosophischer Sicht. 43 (1997) 1, S.17 (1997).


== Gruppe A ==
=== Wann ist ein Mensch tot? (2015) ===
Am 26.11.2015 hielt [[Martin Lintner]] das Immpulsreferat "Wann ist ein Mensch tot?".<ref>http://www.hs-itb.it/media/2e7b5a1f-e9a6-4fc5-950f-bd3b63bccf51/lintner-hirntod.pdf Zugriff am 08.08.2019.</ref> Darin heißt es:
{{Zitat|Obwohl  die Harvard-Kommission  nachweislich  nicht  die  erste  ist,  die  das  Hirnodkriterium  erarbeitet  hat,  wird  ihr  bekanntlich  vielfach  vorgeworfen,  das  Hirntodkriterium  deshalb  definiert  zu  haben,  um  dadurch  an  die  Organe  von  Menschen zu gelangen.}}
{{Zitat|udem besteht die Schwierigkeit, dass rein phänomenologisch ein Hirntoter nicht als  tot  erscheint,  also  nicht  der  lebensweltlichen  Vorstellung  eines  Toten  ent-spricht und deshalb nicht als tot wahrgenommen wird.}}
{{Zitat|Würde man die Funktion des Gehirns im Hinblick auf die personalen Fähigkeiten bewerten, würde dies die Reduktion des Personseins auf die kognitiven Fähigkeiten  und  Leistungenzur  Folge  haben. Eine  weitere  Folge  wäre,  dass  man dann nicht  am  Gesamthirntod  festhalten  müsste,  weil  die  neurobiologischen  Grundlagen  für  die  kognitiven  Tätigkeiten  dem  Großhirn  zugeordnet  werden  können.}}
{{Zitat|Nur unter dieser anthropologischen Voraussetzung kann man den Gesamthirntod als sicheres Zeichen dafür ansehen, dass ein Mensch verstorben ist. Die Organ-entnahme  tötet  ihn dann nicht,  sondern  der  Sterbeprozess  ist  an  sein  Ende  ge-langt und der Mensch ist bereits verstorben.}}
{{Zitat|In  der  heutigen  philosophischen  Diskussion wird  auf  zwei  Punkte  hingewiesen, die bereits genannt worden sind: Erstens, dass das personale Sein nicht auf die kognitiven  Leistungen  reduziert  werden  darf;  zweitens,  dass  eine  Person  auch nicht  auf  die  funktional  integrierte  Gesamtheit  eines  Organismus  reduziert  werden kann.}}
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== Gruppe B ==
=== Information Philosophie (2/2014) ===
=== Information Philosophie (2/2014) ===
In der Zeitschrift "Information Philosophie" (2/2014) wurden [[Andreas Brenner]] und Andrea Marlen Esser über den Hirntod und die Entnahme von lebenswichtigen Organen interviewt.<ref>http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=7816&n=2&y=1&c=5 Zugriff am 08.08.2019.</ref> Darin heißt es:
In der Zeitschrift "Information Philosophie" (2/2014) wurden [[Andreas Brenner]] und Andrea Marlen Esser über den Hirntod und die Entnahme von lebenswichtigen Organen interviewt.<ref>http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=7816&n=2&y=1&c=5 Zugriff am 08.08.2019.</ref> Darin heißt es:
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Siehe: [[Schmerzen]] und [[Todesverständnis]]
Siehe: [[Schmerzen]] und [[Todesverständnis]]


=== Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland ===
2009 veröffentlichte [[Ralf Stoecker]] den Artikel "Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland".<ref>Ralf Stoecker: Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland. In: D. Preuß, N. Knoepffler, K.-M. Kodalle (Hg.): Körperteile - Körper teilen. Kritisches Jahrbuch der Philosophie. Beiheft 8/2009, 41,52. Nach: https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/stoecker-reanimation-der-hirntod-debatte.pdf Zugriff am 08.08.2019.</ref>


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{{Zitat2|Der  Verweis  auf  die  ‚Lebendigkeit‘  legt  allerdings  eine  andere  Reaktion  der  Hirntodkritiker viel näher, nämlich zu bezweifeln, dass ein Mensch mit dem Verlust  des  personalen  Lebens,  sprich:  aller  mentalen  Eigenschaften,  notwendigerweise  schon  tot  ist. (46)}}
 
Selbst im [[Großhirntod]] ist mit dem Hirntod mehr ausgefallen, als die "mentalen Eigenschaften". Nicht mit in den Blick genommen sind mit den "mentalen Eigenschaften" die Aufgaben und Funktionen des [[Hirnstamm]]s. Diese sind beim [[Gesamthirntod]] auch [[erloschen]].
 
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{{Zitat2|Was  dagegen  spricht  ist  zum  einen  die  Feststellung,  dass  auch  manche  nicht  hirntote  Menschen  keine  mentalen  Eigenschaften  haben (unwiderruflich bewusstlose Wachkomapatienten, anenzephale Säuglinge), so dass man diese ebenfalls als tot ansehen müsste, was absurd wäre. (46)}}
Bei [[Wachkomapatienten]] sind nicht alle [[Hirnstammreflexe]] [[erloschen]], bei [[Hirntoten]] sehr wohl. - [[Anenzephalie]] hat unterschiedliche Ausprägungen. Nur ein Neugeborenes, das weder Großhirn, Kleinhirn noch Hirnstamm hat, entspricht dem pathophysiologischen Zustand von Hirntoten. Da diesem anenzephalen Neugeborenen sämtliche Hirnstammreflexe - darunter der lebenswichtige [[Atemreflex]] - fehlen, wird es als Totgeburt entbunden.


{{Zitat2|
{{Zitat2|Das  Gehirn  ist  zweifellos  das  wichtigste  Organ  für  die  Aufrechterhaltung des menschlichen biologischen Lebens, aber auch das Gehirn ist nicht unverzichtbar. (46)}}
Das Gehirn ist insofern verzichtbar, als heutige Intensivmedizin für einen begrenzten Zeitraum die ausgefallene [[Homöostase]] ersetzen kann. Doch das Wesen des Menschen besteht nicht in einem funktionierenden Blutkreislauf, sondern in der Wahrnehmung seiner Selbst und seiner Umwelt sowie der Interatktion mit diesen. Dies kann die Medizin nicht ersetzen.


{{Zitat2|Hirntote  haben  diese  homöostatische  Fertigkeit in viel geringerem Maße als ein gesunder Mensch, sie sind deshalb erheblich auf die Unterstützung der Intensivmedizin angewiesen, damit ihr Organismus  nicht  „entgleist“,  zugleich  haben  sie  aber  noch  eine  ganze  Reihe  dieser  Fähigkeiten, sonst wären die medizinischen Unterstützungsmaßnahmen, die sich nicht  wesentlich  von  der  intensivmedizinischen  Betreuung  nicht  hirntoter  Patienten  unterscheiden,  gar  nicht  möglich.  Herztote  Menschen  haben  hingegen  alle  homöostatischen  Fähigkeiten  verloren  (selbst  wenn  noch  eine  Zeit  lang  in  einzelnen Zellen ein Kreislauf erhalten bleibt). (47)}}
Der Aufwand, der für Hirntote betrieben werden muss, damit sie einen stabilen Blutkreislauf haben, ist enorm. Dagegen ist es mit einer [[ECMO]] sehr einfach, bei einem frischen Herztoten die Blutkreislauf weiterhin aufrecht zu erhalten.


{{Zitat2|
{{Zitat2|Der Herztote, könnte man sagen, lebt biologisch gesehen gar nicht mehr, der Hirntote nur noch ein bisschen, wir dagegen voll und ganz. (47)}}
Herztote haben einen über Tagen erlöschenden Anteil [[intramediären Leben]]s. Hirntote haben einen maximalen Anteil [[intermediären Lebens]], das über Tage und Wochen, bei jungen Hirntoten auch über wenige Monate aufrecht erhalten werden kann.


{{Zitat2|Aber auch wer nur ein bisschen lebt, lebt. (47)}}
Dann leben Herztote mit [[intramediärem Leben]]? Siehe: [[Sterbeprozess]]


{{Zitat2|
{{Zitat2|Bleibt  uns  also  nichts  anderes  übrig  als  am  Ende  doch  noch  in  den  sauren  Apfel  zu  beißen  und  die  Transplantationsmedizin als eine moralisch unhaltbare Opferung Sterbender zugunsten schwerkranker Dritter abzulehnen? (48)}}
Siehe: [[Diffamierung]]


{{Zitat2|Es  werden  längst  nicht  so  viele  Organe gespendet wie benötigt werden, und es ist auch nicht absehbar, dass sich diese Schere tendenziell schließen wird. Deshalb wird schon lange nach Abhilemaßnahmen  gesucht.  Eine  dieser  Möglichkeiten  besteht  nun  aber  darin,  den  Kreis  der  potentiellen  Spenderinnen  und  Spender  auszuweiten.  In  der  Hirntoddebatte war im Zusammenhang mit so genannten "Großhirntod-Konzeptionen" gelegentlich geargwöhnt worden, dass man auch Wachkomapatienten als Spender nutzen wollte. Tatsächlich hat sich die Transplantationsmedizin aber einer anderen Spendergruppe zugewandt, Patienten mit Herzstillstand. (49)}}
In Deutschland ist keine Bemühung zu erkennen, von [[Gesamthirntod]] abzuweichen. In Deutschland sind die [[BÄK]] und andere medizinische Gesellschaften gegen die Einführung der [[DCD]]. Daher sind diese beiden Themen für Deutschland reine Panikmache.


{{Zitat2|
{{Zitat2|Für aussichtslos halte ich alle Versuche, doch noch irgendwie festzustellen,  dass  die  hirntoten  Spender  und  die  Spender  mit  Herzstillstand  in  Wirklichkeit  tot  sind.  In  meinen  Augen  hat  Truog  Recht,  dass  dies  nur  mit  massiver  Selbsttäuschung gelingen kann. (56)}}
Mit oberflächlichem Wissen über Hirntod ist wohl dieser von Truog vorgeschlagene Weg zu gehen. Sinnvoller ist jedoch, dass zumindest unter den gebildeten Menschen die Bemühung vorherrschen sollte, den pathophysiologischen Zustand des Hirntodes und seine anthropologische Tragweite besser zu verstehen.


{{Zitat2|Will  man  trotzdem  daran  festhalten,  dass  Transplantationen  nützlich  und  sinnvoll sind, dann liegt es zunächst nahe, sich in das andere Horn des Dilemmas zu  stürzen  und  beispielsweise  mit  Truog  zu  akzeptieren,  dass  man  unter  Umständen Organe entnehmen darf, auch wenn die Spender noch nicht tot sind, also die Dead Donor Rule aufzugeben. Das Problem für diesen Vorschlag liegt allerdings  in  der  Gefahr,  dass  damit  Tür  und  Tor  für  andere  Formen  der  fremdnützigen  Tötung  geöffnet  werden,  z.B.  von  dauerhaft  komatösen  Menschen,  hinsichtlich  derer  ebenfalls  die  Frage  gestellt  werden  könnte,  ob  es  nicht  besser wäre, mit ihren Organen einen oder mehrere kranke Mitmenschen zu retten. (56)}}
Aus diesem Grund sollte man den Hirntod besser verstehen, um dann selbst zu erkennen, dass Hirntote Tote sind.


{{Zitat2|
{{Zitat2|Wenn  man  sich  aber  auf  keines  der  Hörner  eines  Dilemmas  einlassen  will,  dann  sollte  man  sich  auch  besser  gar  nicht  erst  hinein  begeben.  Diese  Strategie  scheint  mir  die  aussichtsreichste  zu  sein. (56)}}
Damit wären Hirntote bis zum Herzstillstand intensivmedizinisch zu versorgen.


{{Zitat2|Diese moralische Grundannahme über den Tod konnte sich deshalb so lange halten, erstens weil die Menschen in der Regel so gestorben sind, dass sie innerhalb einer kurzen Frist alle diese Verluste durchlaufen haben, und zweitens weil es innerhalb dieser Spanne keinen Handlungsbedarf gab. (58)}}
Dies gilt bis Ende des 18. Jh. Seit den ersten erfolgreichen [[Reanimation]]en ist die Trennlinie zwischen Leben und Tod nicht mehr so klar.


{{Zitat2|
{{Zitat2|.. man  konnte es sich leicht erlauben, den Menschen in Ruhe zu Ende sterben zu lassen (und zudem die Scheintod-Gefahr zu bannen), denn es gab keinen Grund zur Eile. (58)}}
Bei Hirntoten stand zunächst die Rettung des Lebens und Wiederherstellung der Gesundheit im Fokus, als man mit den Maßnahmen der Intensivmedizin begann. Dies rettet auch vielen Menschen das Leben, aber bei einigen wenigen ist jedoch die Grunderkrankung so schwerwiegend, dass schließlich ein Hirntoter auf der Intensivstation liegt. Was ist nun mit ihm zu  tun?


{{Zitat2|Wie  steht  es  beispielsweise  mit unseren Menschenrechten? Haben wir sie nur so lange wir leben, und wenn ja, warum? (59)}}
Mit dem Tod verliert der Mensch seine Menschenrechte, weil er mit Eintritt des Todes kein Mensch mehr ist, sondern ein Leichnam. Es ist zwar ein menschlicher Leichnam, aber eben ein Leichnam.


{{Zitat2|
{{Zitat2|Kurz,  ich  plädiere  dafür,  die  Hirntod-Debatte  wieder  aufzunehmen,  allerdings  in  der  Erwartung,  dass  wir  dabei  feststellen  werden,  dass  es  gar  nicht  so  sehr  darauf  ankommt  zu  entscheiden,  ob  hirntote  Menschen  oder  Menschen  unmittelbar nach dem Herzstillstand tot sind oder noch leben – auch wenn vieles für letztere Antwort spricht –, sondern dass es darauf ankommt, wie wir mit ihnen umgehen dürfen und sollten, gegeben, dass wir uns nicht mehr auf die moralische Grundannahme über den Tod verlassen dürfen. (59)}}
Ich plädiere dafür, dass wir uns den pathophysiologischen Zustand Hirntod und seine anthropologische Tragweite aneignen, insbesondere die Menschen, die über Hirntod publizieren.





Version vom 7. August 2019, 16:37 Uhr

2014 veröffentlichte P. Kinnaert den Artikel "The definition of death and organ retrieval  : a persistingphilosophical controversy" (Die Definition von Tod und Organentnahme: eine anhaltende philosophische Kontroverse).[1]

Türk, H. J.: Der Hirntod in philosophischer Sicht. 43 (1997) 1, S.17 (1997).

Gruppe A

Wann ist ein Mensch tot? (2015)

Am 26.11.2015 hielt Martin Lintner das Immpulsreferat "Wann ist ein Mensch tot?".[2] Darin heißt es:

Obwohl die Harvard-Kommission nachweislich nicht die erste ist, die das Hirnodkriterium erarbeitet hat, wird ihr bekanntlich vielfach vorgeworfen, das Hirntodkriterium deshalb definiert zu haben, um dadurch an die Organe von Menschen zu gelangen.
udem besteht die Schwierigkeit, dass rein phänomenologisch ein Hirntoter nicht als tot erscheint, also nicht der lebensweltlichen Vorstellung eines Toten ent-spricht und deshalb nicht als tot wahrgenommen wird.
Würde man die Funktion des Gehirns im Hinblick auf die personalen Fähigkeiten bewerten, würde dies die Reduktion des Personseins auf die kognitiven Fähigkeiten und Leistungenzur Folge haben. Eine weitere Folge wäre, dass man dann nicht am Gesamthirntod festhalten müsste, weil die neurobiologischen Grundlagen für die kognitiven Tätigkeiten dem Großhirn zugeordnet werden können.
Nur unter dieser anthropologischen Voraussetzung kann man den Gesamthirntod als sicheres Zeichen dafür ansehen, dass ein Mensch verstorben ist. Die Organ-entnahme tötet ihn dann nicht, sondern der Sterbeprozess ist an sein Ende ge-langt und der Mensch ist bereits verstorben.
In der heutigen philosophischen Diskussion wird auf zwei Punkte hingewiesen, die bereits genannt worden sind: Erstens, dass das personale Sein nicht auf die kognitiven Leistungen reduziert werden darf; zweitens, dass eine Person auch nicht auf die funktional integrierte Gesamtheit eines Organismus reduziert werden kann.

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Gruppe B

Information Philosophie (2/2014)

In der Zeitschrift "Information Philosophie" (2/2014) wurden Andreas Brenner und Andrea Marlen Esser über den Hirntod und die Entnahme von lebenswichtigen Organen interviewt.[3] Darin heißt es:

Will man weiterhin Organe transplantieren, muss sichergestellt sein, dass man die Organe nicht Lebenden entnimmt. Das Hirntodkriterium erfüllt diese Bedingung nicht, wohl aber das Herztodkriterium. (Andreas Brunner)

Siehe: Todesverständnis

Ein „hirntotes“ Exemplar der Gattung Homo sapiens ist im biologischen Sinne nicht tot, sondern lebendig. (Andrea Marlen Esser)

Siehe: Todesverständnis

Die verschiedenen Kriterien lassen sich nicht nur instrumentalisieren, sie sind schlicht Instrumente: Instrumente zur ethischen Legitimation der Transplantationsmedizin. Die für die Hirntoddefinition herangezogenen Kriterien sind also zugleich die Voraussetzungen für die Transplantationsmedizin. Das zeigt auch, dass sich dieser Zweig der Medizin von der klassischen, von Hippokrates begründeten und im wörtlichen Sinne naheliegenden Perspektive, nämlich der Orientierung auf die erste Person, verabschiedet hat und die dritte Person an die Stelle der ersten stellt. Aus eben diesem Grunde verliert in der Transplantationsmedizin der Organspender seinen Advokaten, der die Seite gewechselt hat und die Sache der Anderen vertritt. (Andreas Brenner)

Siehe: Todesverständnis

Die Kirchen lassen sich übrigens vor den Karren der utilitaristischen Biopolitik spannen, und erklären jeden Zweifel am Hirntodkonzept mit einem Mangel an Nächstenliebe. (Andreas Brenner)

Die DBK sagte 2015 ganz klar, dass Organspender keine Sterbende sind, sondern Tote.

Menschen, von denen transplantierbare Organe entnommen werden, sind nicht tot. Sie leben und werden erst zu Toten durch den Akt der Extransplantation. (Andreas Brenner)

Siehe: Todesverständnis

Die neuesten Positionen zur Stellung des Gehirns werden mittlerweile selbst von Anhängern der Transplantationsmedizin so gedeutet, dass der zur Explantation vorgesehene Mensch nicht Leiche, sondern Patient ist. (Andreas Brenner)

Hier fehlt der Beleg.

Um dennoch die Transplantationsmedizin nicht aufgeben zu müssen, hat man sich in der amerikanischen Bioethik die Formel vom justified killing ausgedacht. (Andreas Brenner)

Siehe: justified killing

Wenn die Begriffe von Menschenrecht und Menschenwürde weiter Sinn machen sollen, muss man jetzt die Notbremse ziehen und zugeben, dass die Transplantationsmedizin ein gigantischer moralischer Fehler war und endlich damit aufhören. (Andreas Brenner)

Siehe: Todesverständnis

Die Lebendigkeit des Organismus soll darüber entscheiden, ob der Organismus lebt, das heißt, diese Frage soll nicht alleine mit Blick auf die Funktionstüchtigkeit eines partiellen Teils des Organismus beantwortet werden. (Andreas Brenner)

Genau dies aber geschieht auch beim "Herztod". Man blickt auf das Herz, als Eintritt des Todeszeitpunktes.

Andernfalls müssten wir beispielsweise am Beginn des Lebens, also beim Embryo, mit der Zuschreibung der Lebendigkeit warten, bis eine Hirnfunktion nachweisbar wäre. (Andreas Brenner)

Siehe: Irreversibilität

Ein anderer Widerspruch, in den uns das Hirntodkriterium bringt, besteht darin, dass wir Situationen, in denen Menschen lange nach ihrem diagnostizierten Hirntod weiterleben, nicht mehr als lebendig bezeichnen dürften. Dann aber muss man, was die interessierte Medizin tut, sich begrifflich sehr verrenken, wenn man beispielsweise erklären will, wie es etwa sein kann, dass eine Tote ein Kind während der Schwangerschaft weiter entwickelt und sogar gebiert. (Andreas Brenner)

Dann gebiert eine schwangere Hirntote ein Kind.

Personalität halte ich in der gesamten Thematik für außerordentlich wichtig; dies jedoch nicht dann, wenn sie von außen behauptet, sondern nur wenn sie aus der ersten Personperspektive erkannt wird. Wir sind Personen durch unser Menschsein, und unsere Personalität endet mit unserem Menschsein, und dieses endet nicht bereits mit dem Ende unserer Hirntätigkeit. (Andreas Brenner)

Siehe: Todesverständnis

Es geht hier darum, katastrophale Fehler zu vermeiden. Und um einen solchen handelt es sich, wenn man Menschen, deren Hirnfunktion irreversibel erloschen ist, nicht nur als hirntot bezeichnet, sondern zugleich behauptet, ihr Leben sei erloschen. (Andreas Brenner)

Siehe: Todesverständnis

Bis heute haben sich die Indizien vermehrt, dass genau dies die Frage ist und immer mehr Stimmen behaupten schlichtweg, dass der sogenannte Hirntote ein lebender Mensch sei. Diese Position vertrat übrigens bereits Hans Jonas. (Andreas Brenner)

Auch wenn namhafte Personen gegen das Hirntodkonzept sind, so beweist dies zur Sachlichkeit der Frage nichts, denn diese namhafte Personen können auch kein rechtes Verständnis über den pathophysiologischen Zustand des Hirntodes besitzen.

Die Transplantationsmedizin ist voll von diesen Widersprüchen: Da werden Menschen als Patienten bezeichnet, obwohl es sich nach dem eigenen Verständnis um Leichname handelt. (Andreas Brenner)

Von Kritikern werden sie als "Patienten" bezeichnet, von den Befürwortern des Hirntodkonzeptes als "Hirntote".

Wenn die Anhänger des Hirntodkonzepts es dennoch ins Spiel bringen wollen, dann müssen sie dafür einen Preis zahlen: Sie müssen dann nämlich einräumen, dass der Mensch noch nicht tot ist. (Andreas Brenner)

Wie dieses Interview zeigt, ist es Andreas Brenner, der immer wieder die Organspende einbringt und nicht beim Thema Hirntod bleibt. Sind seine Argumente gegen das Hirntodkonzept so schwach, dass er immer wieder zur Organspende ausweichen muss?

Wenn das klargestellt ist, wenn des weiteren über die Befunde informiert wird, was Menschen mutmaßlich unter der Explantation empfinden und erleiden, wenn aufgeklärt wird, dass nur unter Narkose Organe entnommen werden usw., dann kann man auf den Anspruch der Autonomie noch einmal zurückkommen. Ich bezweifle, dass sich dann all zu viele für ihre eigene Tötung aussprechen würden. (Andreas Brenner)

Siehe: Schmerzen und Todesverständnis

Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland

2009 veröffentlichte Ralf Stoecker den Artikel "Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland".[4]

Der Verweis auf die ‚Lebendigkeit‘ legt allerdings eine andere Reaktion der Hirntodkritiker viel näher, nämlich zu bezweifeln, dass ein Mensch mit dem Verlust des personalen Lebens, sprich: aller mentalen Eigenschaften, notwendigerweise schon tot ist. (46)

Selbst im Großhirntod ist mit dem Hirntod mehr ausgefallen, als die "mentalen Eigenschaften". Nicht mit in den Blick genommen sind mit den "mentalen Eigenschaften" die Aufgaben und Funktionen des Hirnstamms. Diese sind beim Gesamthirntod auch erloschen.

Was dagegen spricht ist zum einen die Feststellung, dass auch manche nicht hirntote Menschen keine mentalen Eigenschaften haben (unwiderruflich bewusstlose Wachkomapatienten, anenzephale Säuglinge), so dass man diese ebenfalls als tot ansehen müsste, was absurd wäre. (46)

Bei Wachkomapatienten sind nicht alle Hirnstammreflexe erloschen, bei Hirntoten sehr wohl. - Anenzephalie hat unterschiedliche Ausprägungen. Nur ein Neugeborenes, das weder Großhirn, Kleinhirn noch Hirnstamm hat, entspricht dem pathophysiologischen Zustand von Hirntoten. Da diesem anenzephalen Neugeborenen sämtliche Hirnstammreflexe - darunter der lebenswichtige Atemreflex - fehlen, wird es als Totgeburt entbunden.

Das Gehirn ist zweifellos das wichtigste Organ für die Aufrechterhaltung des menschlichen biologischen Lebens, aber auch das Gehirn ist nicht unverzichtbar. (46)

Das Gehirn ist insofern verzichtbar, als heutige Intensivmedizin für einen begrenzten Zeitraum die ausgefallene Homöostase ersetzen kann. Doch das Wesen des Menschen besteht nicht in einem funktionierenden Blutkreislauf, sondern in der Wahrnehmung seiner Selbst und seiner Umwelt sowie der Interatktion mit diesen. Dies kann die Medizin nicht ersetzen.

Hirntote haben diese homöostatische Fertigkeit in viel geringerem Maße als ein gesunder Mensch, sie sind deshalb erheblich auf die Unterstützung der Intensivmedizin angewiesen, damit ihr Organismus nicht „entgleist“, zugleich haben sie aber noch eine ganze Reihe dieser Fähigkeiten, sonst wären die medizinischen Unterstützungsmaßnahmen, die sich nicht wesentlich von der intensivmedizinischen Betreuung nicht hirntoter Patienten unterscheiden, gar nicht möglich. Herztote Menschen haben hingegen alle homöostatischen Fähigkeiten verloren (selbst wenn noch eine Zeit lang in einzelnen Zellen ein Kreislauf erhalten bleibt). (47)

Der Aufwand, der für Hirntote betrieben werden muss, damit sie einen stabilen Blutkreislauf haben, ist enorm. Dagegen ist es mit einer ECMO sehr einfach, bei einem frischen Herztoten die Blutkreislauf weiterhin aufrecht zu erhalten.

Der Herztote, könnte man sagen, lebt biologisch gesehen gar nicht mehr, der Hirntote nur noch ein bisschen, wir dagegen voll und ganz. (47)

Herztote haben einen über Tagen erlöschenden Anteil intramediären Lebens. Hirntote haben einen maximalen Anteil intermediären Lebens, das über Tage und Wochen, bei jungen Hirntoten auch über wenige Monate aufrecht erhalten werden kann.

Aber auch wer nur ein bisschen lebt, lebt. (47)

Dann leben Herztote mit intramediärem Leben? Siehe: Sterbeprozess

Bleibt uns also nichts anderes übrig als am Ende doch noch in den sauren Apfel zu beißen und die Transplantationsmedizin als eine moralisch unhaltbare Opferung Sterbender zugunsten schwerkranker Dritter abzulehnen? (48)

Siehe: Diffamierung

Es werden längst nicht so viele Organe gespendet wie benötigt werden, und es ist auch nicht absehbar, dass sich diese Schere tendenziell schließen wird. Deshalb wird schon lange nach Abhilemaßnahmen gesucht. Eine dieser Möglichkeiten besteht nun aber darin, den Kreis der potentiellen Spenderinnen und Spender auszuweiten. In der Hirntoddebatte war im Zusammenhang mit so genannten "Großhirntod-Konzeptionen" gelegentlich geargwöhnt worden, dass man auch Wachkomapatienten als Spender nutzen wollte. Tatsächlich hat sich die Transplantationsmedizin aber einer anderen Spendergruppe zugewandt, Patienten mit Herzstillstand. (49)

In Deutschland ist keine Bemühung zu erkennen, von Gesamthirntod abzuweichen. In Deutschland sind die BÄK und andere medizinische Gesellschaften gegen die Einführung der DCD. Daher sind diese beiden Themen für Deutschland reine Panikmache.

Für aussichtslos halte ich alle Versuche, doch noch irgendwie festzustellen, dass die hirntoten Spender und die Spender mit Herzstillstand in Wirklichkeit tot sind. In meinen Augen hat Truog Recht, dass dies nur mit massiver Selbsttäuschung gelingen kann. (56)

Mit oberflächlichem Wissen über Hirntod ist wohl dieser von Truog vorgeschlagene Weg zu gehen. Sinnvoller ist jedoch, dass zumindest unter den gebildeten Menschen die Bemühung vorherrschen sollte, den pathophysiologischen Zustand des Hirntodes und seine anthropologische Tragweite besser zu verstehen.

Will man trotzdem daran festhalten, dass Transplantationen nützlich und sinnvoll sind, dann liegt es zunächst nahe, sich in das andere Horn des Dilemmas zu stürzen und beispielsweise mit Truog zu akzeptieren, dass man unter Umständen Organe entnehmen darf, auch wenn die Spender noch nicht tot sind, also die Dead Donor Rule aufzugeben. Das Problem für diesen Vorschlag liegt allerdings in der Gefahr, dass damit Tür und Tor für andere Formen der fremdnützigen Tötung geöffnet werden, z.B. von dauerhaft komatösen Menschen, hinsichtlich derer ebenfalls die Frage gestellt werden könnte, ob es nicht besser wäre, mit ihren Organen einen oder mehrere kranke Mitmenschen zu retten. (56)

Aus diesem Grund sollte man den Hirntod besser verstehen, um dann selbst zu erkennen, dass Hirntote Tote sind.

Wenn man sich aber auf keines der Hörner eines Dilemmas einlassen will, dann sollte man sich auch besser gar nicht erst hinein begeben. Diese Strategie scheint mir die aussichtsreichste zu sein. (56)

Damit wären Hirntote bis zum Herzstillstand intensivmedizinisch zu versorgen.

Diese moralische Grundannahme über den Tod konnte sich deshalb so lange halten, erstens weil die Menschen in der Regel so gestorben sind, dass sie innerhalb einer kurzen Frist alle diese Verluste durchlaufen haben, und zweitens weil es innerhalb dieser Spanne keinen Handlungsbedarf gab. (58)

Dies gilt bis Ende des 18. Jh. Seit den ersten erfolgreichen Reanimationen ist die Trennlinie zwischen Leben und Tod nicht mehr so klar.

.. man konnte es sich leicht erlauben, den Menschen in Ruhe zu Ende sterben zu lassen (und zudem die Scheintod-Gefahr zu bannen), denn es gab keinen Grund zur Eile. (58)

Bei Hirntoten stand zunächst die Rettung des Lebens und Wiederherstellung der Gesundheit im Fokus, als man mit den Maßnahmen der Intensivmedizin begann. Dies rettet auch vielen Menschen das Leben, aber bei einigen wenigen ist jedoch die Grunderkrankung so schwerwiegend, dass schließlich ein Hirntoter auf der Intensivstation liegt. Was ist nun mit ihm zu tun?

Wie steht es beispielsweise mit unseren Menschenrechten? Haben wir sie nur so lange wir leben, und wenn ja, warum? (59)

Mit dem Tod verliert der Mensch seine Menschenrechte, weil er mit Eintritt des Todes kein Mensch mehr ist, sondern ein Leichnam. Es ist zwar ein menschlicher Leichnam, aber eben ein Leichnam.

Kurz, ich plädiere dafür, die Hirntod-Debatte wieder aufzunehmen, allerdings in der Erwartung, dass wir dabei feststellen werden, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt zu entscheiden, ob hirntote Menschen oder Menschen unmittelbar nach dem Herzstillstand tot sind oder noch leben – auch wenn vieles für letztere Antwort spricht –, sondern dass es darauf ankommt, wie wir mit ihnen umgehen dürfen und sollten, gegeben, dass wir uns nicht mehr auf die moralische Grundannahme über den Tod verlassen dürfen. (59)

Ich plädiere dafür, dass wir uns den pathophysiologischen Zustand Hirntod und seine anthropologische Tragweite aneignen, insbesondere die Menschen, die über Hirntod publizieren.


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Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. P. Kinnaert: The definition of death and organ retrieval  : a persistingphilosophical controversy. In: Rev Med Brux 2014  ; 35  : 103-11. Nach: Rev Med Brux 2014  ; 35  : 103-11. https://pdfs.semanticscholar.org/8e3d/0bfa5b7e4e0fc4e43916c7f4ca8e1ef3fb50.pdf Zugriff am 03.08.2019.
  2. http://www.hs-itb.it/media/2e7b5a1f-e9a6-4fc5-950f-bd3b63bccf51/lintner-hirntod.pdf Zugriff am 08.08.2019.
  3. http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=7816&n=2&y=1&c=5 Zugriff am 08.08.2019.
  4. Ralf Stoecker: Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland. In: D. Preuß, N. Knoepffler, K.-M. Kodalle (Hg.): Körperteile - Körper teilen. Kritisches Jahrbuch der Philosophie. Beiheft 8/2009, 41,52. Nach: https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/stoecker-reanimation-der-hirntod-debatte.pdf Zugriff am 08.08.2019.