Koma

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Koma ist ein Sammelbegriff von tiefer Bewusstlosigkeit. - Jeder Schlaf ist im Grunde eine sehr leichte Form von Koma. Aus diesem Zustand der Bewusstlosigkeit können wir durch leichte Reize (z.B. leichtes Rütteln oder nur durch Berührung) herausgeholt werden.

Komatiefe

Es gibt somit verschieden Tiefen des Komas. Die Klassifizierung der vier Grade wird daran gemessen, welche Reaktionen auf äußere Reize erfolgen:

1. Grad Grad – gezielte Abwehr auf Schmerz, Pupillenbewegung intakt, Augenbewegung bei Reizung des Gleichgewichtsorgans (Vestibulookulärer Reflex) intakt
2. Grad ungerichtete Abwehr auf Schmerz, Massenbewegungen, Außenschielen (divergente Augäpfel)
3. Grad keine Abwehr, nur noch Fluchtreflexe, Vestibulookulärer Reflex fehlt, Pupillen-Reflex abgeschwächt
4. Grad keine Schmerzreaktion, keine Pupillenreaktion, Ausfall weiterer Schutzreflexe

Um eine HTD durchführen zu können, muss ein Koma des 4. Grades vorliegen, d.h. an dem Patienten sind keine Reaktionen oder Reflexe auslösbar. Damit steht klar die Frage im Raum, ob hier Hirntod vorliegt. Die Antwort bringt alleine die HTD ans Tageslicht.

Ursachen des Koma

Koma kann viele Ursachen haben. Sie lassen sich in Gruppen zusammenfassen:

  • Primäre Gehirn-Erkrankungen

Zu den primären Gehirn-Erkrankungen gehören:


Aus diesem Grunde ist es vor Beginn der eigentlichen HTD so wichtig, die [[Voraussetzungen] zu überprüfen.

Verschiedene Koma

Akinetischer Mutismus

Patienten mit akinetischem Mutismus zeigen keine spontanen Bewegungen, reagieren nicht auf Schmerzreize. Die Augen sind zeitweise offen. Eine zeitweise Fixation der Umgebung deutet auf ein noch vorhandenes Bewusstsein hin. Diese Form schwerster Antriebsstörung kann mit schweren Ausprägungsformen einer Depression (Stupor) oder einer Schizophrenie verwechselt werden. Ursachen sind meist ausgedehnte, beidseitige Läsionen des Stirnhirns. Eine weitgehende Erholung ist möglich.[2]

Hirnrindentod

Der Hirnrindentod (Großhirntod) ist faktisch das Gegenstück zum Hirnstammtod. Bei irreversiblem Verlust der Großhirnfunktionen mit erloschener EEG-Tätigkeit sind noch Hirnstammreflexe vorhanden.[3]

Apallisches Syndrom

Ursachen des appallischen Syndroms sind schwere (zumeist sekundäre) Schädigungen des gesamten Gehirns als Folge von Sauerstoffmangel, z.B. nach vorübergehendem Kreislaufstillstandes, Narkosezwischenfälle, Vergiftungen und schweren Schädel-Hirn-Verletzungen. Durch intensivmedizinische Maßnahmen ist eine weitgehende Erholung des Hirnstamms einschließlich der Eigenatmung eingetreten. Alle differenzierten Bewusstseinsleistungen blieben erloschen. Die Patienten verharren in einem Zustand völliger Teilnahmslosigkeit, mit geöffneten Augen, aber ohne jede erkennbare Fixation oder Kommunikation. Im englischen Sprachraum wird hierfür der Begriff "persistend vegetative state" (PVS) benutzt.[4] Die Diagnose "apallisches Syndrom" ist im Grunde ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen als ein einheitliches Syndrom, was auch in medizinischen Unterscheidungen wie "inkomplettes" und "komplettes" apallisches Syndrom bzw. "apallisches Durchgangssyndrom" zum Ausdruck kommt. Vereinzelt erlangen Patienten mit apallischem Syndrom nach Jahren und Jahrzehnten wieder das Bewusstsein.[5]

Anenzephalie

Etwa 0,5% aller Neugeborenen haben Anenzephalie. Dabei fehlen der knöcherne Hirnschädel, die Hirnhäute und das Großhirn. Je nach Ausprägung fehlen andere Hirnregionen oder sind hochgradig missbebildet. Kinder mit schwerer Form der Anenzephalie besitzen auch keinen Hirnstamm. Damit sind sie nicht lebensfähig.[6]


Vergleiche

Vergleiche hinken zwar immer etwas, aber sie zeigen Sachverhalte deutlich auf: Bei Koma arbeiten noch einzelne Hirnregionen, aber das Gehirn arbeitet nur regional, nicht mehr global, im Sinne, dass alle Bereiche des Gehirns in gewohnter Weise zusammenarbeiten. Dies macht die eigentliche Bewusstlosigkeit aus.

Technisch betrachtet ist Koma mit Hirntod damit zu vergleichen:

Koma Hirntod
Wenn dem Netzwerkbetreiber sein Netzwerk zusammenbricht, so funktionieren vor Ort zwar noch die einzelnen PC´s und die lokalen Netzwerke, aber niemand kann ins Internet, weil dieses große Netzwerk zusammengebrochen ist. Hirntod bedeutet nicht nur der Zusammenbruch aller Netzwerke, sondern auch die Zerstörung aller Computer. Nirgends kann noch auf Daten zugegriffen werden, nirgends können Daten verarbeitet werden, weil die Computer die diese Daten gespeichert haben, zerstört wurden.

Komatöse und pseudo-komatöse Zustände im Vergleich zu Hirntod

Hirntod im Vergleich zu anderen komatösen und pseudo-komatösen Zuständen:[7]

Bewusstsein
Selbstwahrnehmung
Schmerz-
empfinden
Schlaf-Wach-
Zyklen
motorische
Funktionen
Hirnstamm-
reflexe
respiratorische
Funktion
Prognose
akinetischer Mutismus partiell vorhanden, deutlich gestört intakt, aber keine Schmerzabwehr vorhanden, zum Teil gestört keinen spontane Motorik intakt intakt im Allgemeinen gut
apallisches Syndrom nicht vorhanden nicht erkennbar zumeist intakt keine bewusste, zielgerichtete Motorik intakt intakt abhängig von der Ätiologie
Koma nicht vorhanden (Definition!) abhängig von Komatiefe abhängig von Komatiefe keine bewusste, zielgerichtete Motorik vorhanden oder partiell erloschen unterschiedlich gestört abhängig von der Ätiologie
Locked-in-Syndrom intakt intakt intakt Quadriplegie, nur Augenbewegungen intakt (zumeist) intakt zumeist infaust
Anenzephalie nie vorhanden* nie vorhanden* ? keine bewusste, zielgerichtete Motorik abhängig von Ausprägung abhängig von Ausprägung immer infaust
Hirnrinden-Tod erloschen erloschen nein keine bewusste, zielgerichtete Motorik intakt (zumeist) intakt immer infaust
Hirnstamm-Tod erloschen(?) erloschen nein keine oder spinale Reflexmotorik erloschen erloschen immer infaust
Hirntod erloschen erloschen nein keine oder spinale Reflexmotorik erloschen erloschen

nie vorhanden* = Bei Anenzephalie waren Großhirn und Kleinhirn nie angelegt. Daher waren diese Funktionen auch nie vorhanden.

Basiskriterien zur Beurteilung der Hirnstammfunktionen

Basiskriterien zur Beurteilung der Hirnstammfunktionen und Hirnstammreflexe[8]

Mittelhirnsyndrom Bulbärhirnsyndrom
Stadien 1 2 3 4 5 6
Vigilanz leichte Somnolenz tiefe Somnolenz Koma Koma Koma Koma
Reaktion auf sensorische Reize verzögert, mit Zuwendung vermindert, ohne Zuwendung keine Reaktion keiner Reaktion keine Reaktion keine Reaktion
Bulbus normal, pendelnd beginnende Divergenz, dyskonjugiert Divergenz fehlt Divergenz fehlt Divergenz fixiert, fehlt Divergenz fixiert, fehlt
Pupillenweite mittelweit verengt eng mittelweit, erweitert erweitert maximal weit
Lichtreaktion normal verzögert träge vermindert fast fehlend fehlt
Spontanmotorik Wälzbewegungen Bewegung der Arme, Streckhaltung der Beine Beuge- und Streckhaltung Streckhaltung Restsymptomatik nach Streckhaltung schlaffe Haltung
Motorische Reaktion auf Schmerzreize im Gesicht prompt, Abwehr gerichtet verzögert, Abwehr ungerichtet Beuge-Streck-Stellung Strecksynergismen Restsymptomatik nach Strecksynergismen spinale Automatismen
Muskeltonus normal in den Beinen erhöht erhöht stark erhöht gering erhöht schlaff
Babinski-Phänomen angedeutet nachweisbar stark positiv stark positiv fraglich negativ
Atmung normal normal oder flach mit Pausen flach mit Pausen sehr stark unregelmäßig keine Eigenatmung
Pulsfrequenz steigend bis 90 steigend bis 90 steigend bis 120 steigend über 150 fallend auf 100, schwankend fallend auf 80, schwankend
Blutdruck normal normal leicht erhöht deutlich erhöht vermindert stark vermindert
Temperarur normal erhöhöt erhöht bis 39°C stark erhöht bis über 39°C sinkend auf 39°C sinkend auf unter 37°C

Vom Mittelhirnsyndrom zum Bulbärhirnsyndrom

Klinische Symptomatik des Mittelhirnsyndroms (MHS) hin zum Bulbärhirnsyndrom (BHS)[9]

Symptom/Prüfung Mittelhirnsyndrom Übergangsphase Bulbärhirnsyndrom
Bewusstsein, Vigilanz Koma Koma Koma
Blinzelreflex keiner keiner keiner
Arme, Beine gestreckt Rückgang der Streckstellung schlaff
Bewegungen Streckkrämpfe, Streckstarre keine keine
Schmerzreize Strecksynergismen, verstärkt gestreckt keine oder Strecksynergismen auslösbar keine
Muskeltonus stark erhöht, 'als ob der Patient aktiv gegenspannt' Rückgang der Muskelhypertonie, zuerst an Armen atonisch
Muskeleigenreflexe Hyperreflexe abgeschwächt keine
Pyramidenbahnzeichen ja ja keine oder schwache
Bulbusstellung deutliche Divergenz Divergenz Divergenz
Bulbusbewegung keine keine keine
Pupillen mittelweit, weit weit maximal weit
Lichtreaktion deutlich vermindert noch angedeutet keine
Kornealreflex ja schwach keiner
Ziliospinaler Reflex nein nein nein
Okulozephaler Reflex vermindert nein nein
Vestibulookulärer Reflex mit dissoziierter Reaktion nein nein
Atmung Tachypnoe, maschinenartig beschleunigt, flach Apnoe
Pulsfrequenz Tachykardie beschleunigt, flach Abfall bis Bradykardie
Blutdruck Hypertonus Rückgang ((RR-Abfall) Hypotonie
Temperatur Hypertermie Rückgang (Temperaturabfall) leicht erhöht, normal
Schweißsekretion Hyperhidrosis Hyperhidrosis

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. a b Die Ursachen hierzu können sein:
    • Störungen bei der Aufnahme von Sauerstoff (Atemwege, Lunge)
    • Kreislaufversagen (nach wenigen Sekunden)
  2. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 71.
  3. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 71.
  4. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 71.
  5. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 72.
  6. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 73.
  7. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2 Auflage. Neu-Isenburg 2001, 72.
    ==== Die gelb markierten Zustände wurden von Klaus Schäfer ergänzt.
  8. Walied Abdulla: Interdisziplinäre Intensivmedizin. 3. Auflage. München 2007, 650.
  9. Dietmar Schneider: Der hirntote Patient. In: Sven Berker, Sven Laudi, Udo X. Kaisers (Hg.): Intensivmedizin konkret. Fragen und Antworten. Köln 2016, 679f.