Matthias Kamann

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Schriften

Zwischen Bauch, Herz und Hirn

Matthias Kamann veröffentlichte am 07.04.2019 in "Welt am Sonntag" den Artikel "Zwischen Bauch, Herz und Hirn".[1] Darin heißt es:

Also würde ich, der ich keinen Organspendeausweis besitze und nicht Stellung bezogen habe, aus dem Feld der Normalität auf einmal ins Feld der Nicht-Normalität verschoben.

Kamann sieht sich in der Normalität, keinen OSA zu besitzen. Dabei sollte es seit 2013 normal sein, einen OSA zu besitzen. Es kommen jedoch die Bürger der im Herbst 2012 beschlossenen Gesetzesänderung von der Zustimmungsregelung zur Erklärungsregelung nicht nach. - Mit 72% ±2% Zustimmung zur Organentnahme nach der Feststellung des Hirntodes in den Jahren 2008 bis 2015 und über 76% in den Jahren 2016 und 2017 ist die Zustimmung zur Organentnahme die von von Kamann betonte Normalität.

Wer hat ein moralisches Recht auf meinen Körper? Dieses Recht werden die meisten von uns den eigenen Kindern zusprechen, unseren Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern, den engsten Freunden. Für unsere Kinder würden wir uns doch die Arme abhacken lassen.

Es geht nicht um ein Recht auf einen Körper, sondern um die Frage der Zustimmung zur Organspende. - Kamann betont, wie wichtig Eltern ihre Kinder sind. Beim vorübergehenden oder dauerhaften Ausfall der Eltern bzw. des allein Erziehungsberechtigten durch Koma oder Tod kümmert sich das Jugendamt um die nicht volljährigen Kinder, wenn von den Eltern bzw. dem allein Erziehungsberechtigten keine entsprechende Vollmacht vorliegt. Bei der Organspende würde es durch die Widerspruchsregelung nicht anders sein.

Geht es hingegen um Leben und Gesundheit von Menschen, die uns nicht nahestehen, dann handeln wir zwar auch moralisch und solidarisch, lassen aber unsere Körper aus dem Spiel.

Wenn man ein Herz oder eine Lunge benötigt, ist Lebendspende unmöglich. Man ist auf eine Todspende angewiesen. Dabei lernen sich die Spender und Empfänger nie kennen.

Bei der Bereitschaft zur Hingabe des eigenen Körpers spielt Nähe eine zentrale Rolle.

Das sehen über 70% der Menschen jedoch anders. Sie sind zur Organspende bereit, obwohl diese Nähe fehlt.

Ein moralisches Recht auf unsere Körper sprechen wir Fremden nicht zu.

Ein moralisches Recht haben auch Organpatienten nicht im Rahmen ihrer Familie für eine Lebendspende.

Die Leiche ist ein Heiligtum. Auch für diejenigen, die nicht an Heiliges glauben.

Wenn die Leiche ein Heiligtum ist, warum akzeptiert Kamann das in der mittleren Spalte das Verbrennen, was ein unnatürlicher, gewaltvoller Akt ist?

Aber soll das Verdrängen nicht mehr selbstverständlich, sondern erklärungsbedürftig sein? Genau das verlangt jener Gesetzentwurf: Ich soll ausdrücklich sagen, dass ich lieber verdränge.

Mit der Widerspruchsregelung muss sich niemand erklären, warum er nicht an sein Sterben und seinen Tod denken will. Er wird im Falle seines Hirntodes zum Organspender. Wenn er dies nicht will, kann er dem widersprechen. Auch diesen Widerspruch muss er nicht begründen.

Denn das lebensrettende Transplantationssystem mit seinen neuen Normalitäten steht nun mal im Widerspruch zu vielen intuitiven Normalitätserwartungen.

Leider sind die "vielen intuitiven Normalitätserwartungen" nicht genannt.

Sind hirntote Organspender wirklich schon tot? (24.02.2015)

Matthias Kamann vervöffentlichte am 24.02.2015 in der Welt den Artikel "Sind hirntote Organspender wirklich schon tot?"[2] Darin heißt es:

Denn bei Organspenden existieren in der Bevölkerung große Vorbehalte, die ganz offensichtlich nicht nur mit den 2012 bekannt gewordenen Skandalen zu tun haben.
Der Hirntod wartet nicht, bis man sich entschieden hat.
Niemand weiß, wann es wen trifft - es kann jeden jederzeit treffen - das Leben belegt es.
Daher ist es sinnvoll, sich jetzt zu entscheiden.
Wer sich noch nicht entscheiden kann, soll "Nein" ankreuzen,
man kann es später - so lange man noch lebt - jederzeit ändern, ohne Angaben von Gründen.
Nach der Feststellung des Hirntodes
gibt es kein "Ich kann mich nicht entscheiden",
dann gibt es nur noch ein "Ja" oder "Nein",
so wie bei der Widerspruchsregelung.
Nach der Feststellung des Hirntodes geht es auf der Grundlage des Grundrechts der Selbstbestimmung immer um die Umsetzung des Willen des Hirntoten. Nur wenn dieser nicht festgestellt werden kann, haben die Hinterbliebenen zu entscheiden.
Außer der WSR haben bei allen anderen Regelungen
die Menschen die Möglichkeit der Nicht-Entscheidung,
was die Entscheidung durch die Hinterbliebenen zur Folge hat.
Daher ist die WSR die ideale Regelung bei der Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts.
Ein "Nein" auf dem OSA ist besser als kein OSA.

Entscheidungen 2002-2021

Die Entscheidung zur Organspende ab dem Jahr 2002.[3] [Anm. 1]

Entscheidung 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Potenziell[4] 1.868 2.090 1.865 1.963 1.866 1.888 1.876 1.799 1.584 1.370 1.339 1.317 1.248 1.178 1.416 1.371 1.344 1.280
Ja: (Abs) 1.259 1.313 1.198 1.217 1.296 1.200 1.046 876 921 926 857 863 955 1.040 1.028 1.039
schriftlich 5,0 5,5 7,3 5,8 6,8 6,2 6,3 8,8 7,3 8,9 10,3 14,3 16,1 15,2 16,4 19,7 17,6 18,8 21,2 20,3
mündlich 11,6 11,8 13,0 11,1 16,1 18,4 19,9 21,9 21,8 25,8 23,2 25,8 24,8 27,9 26,7 26,7 25,4 24,8 20,8 22,3
vermutet 75,4 76,8 75,9 79,1 68,1 66,6 60,9 51,8 53,5 47,7 50,6 43,6 42,0 44,2 44,5 41,0 45.5 44,2 45,3 47,4
Hinterbliebene 8,1 5,8 3,7 3,9 8,9 8,8 12,9 17,4 17,4 17,7 15,9 16,3 17,2 12,7 12,3 12,6 11,6 12,2 12,2 9,1
Nein: (Abs) 485 537 551 565 482 486 434 402 381 358 297 282 340 293 274 241
schriftlich 1,3 1,0 2,3 2,2 1,4 0,4 0,9 1,4 1,7 1,1 1,8 2,0 2,9 3,1 4,4 4,6 4,1 3,1 4,0 4,1
mündlich 15,9 17,5 17,7 18,9 21,4 22,9 22,7 30,8 28,8 31,2 31,1 35,1 32,0 35,8 32,3 29,8 32,1 28,7 16,8 14,1
vermutet 68,3 66,1 68,7 70,8 52,4 47,5 43,6 29,4 28,8 27,1 27,6 24,6 26,0 29,3 28,3 24,8 31,2 26,6 38,3 42,7
Hinterbliebene 14,5 15,3 11,3 8,1 24,7 29,2 32,8 38,4 40,7 40,6 39,4 38,3 39,1 31,8 35,0 40,8 32,6 41,6 40,5 38,2
Nein-Anteil 26,0 27,4 29,5 29,9 25,7 27,0 27,4 29,3 28,5 27,2 23,8 23,9 24,0 21,4 21,4 20,4
Ja-Anteil 67,7 66,9 64,2 64,5 69,1 66,7 66,0 63,9 68,8 70,3 68,7 73,3 67,4 75,9 75,8 76,5
Ja OSA % 4,6 4,1 4,0 5,7 5,0 5,9 6,8 9,1 11,1 10,7 11,3 14,4 11,9 14,3
Nein OSA % 0,4 0,1 0,3 0,4 0,4 0,3 0,5 0,6 0,8 0,8 1,0 1,1 1,0 0,7
OSA % 5,0 4,3 4,3 6,1 5,5 6,2 7,3 9,7 11,9 11,5 12,3 15,5 12,9 14,9

Nein-Anteil = nach Feststellung des Hirntodes der Anteil in %, der der Organentnahme widersprochen hat
Ja-Anteil = nach Feststellung des Hirntodes der Anteil in %, der der Organentnahme zugestimmt hat
Ja OSA % = von den Organspendern hatten n% schriftlich der Organentnahme zugestimmt
Nein OSA % = von den Nicht-Organspendern hatten n% schriftlich der Orgenentnahme widersprochen.
OSA % = von den potentiellen Organspendern (Summe aus Organspendern und Nicht-Organspendern hatten n% ihre Entscheidung zur Frage der Organspende selbst schriftlich festgehalten, d.h. einen Organspendeausweis ausgefüllt. Im Jahr 2013 gab nach Feststellung des Hirntodes 29,3% "Nein" zur Organspende, doch 2008 waren es 29,5% und 2009 sogar 29,9%. Von 2013 bis 2016 ging der Nein-Anteil von 29,3% auf 23,8% zurück. Seither stagniert der Widerspruch zur Organspende bei ca. 24%. Von einem "Vertrauensverlust" kann hier wirklich nicht gesprochen werden, der einen Rückgang der Organspender um rund 30% bewirkte.

Entscheidungen ab 2022

Ab dem Jahr 2022 brachte die DSO in ihren Jahresberichten eine neue Berechnung der Entscheidungen heraus. Daher sind die Tabellen nun anders: Entscheidungen nach DSO-Regionen:

Ja (%) 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030
Nord 51,3
Nord-Ost 57,8
Ost 56,6
Bayern 59,5
B-W 59,5
Mitte 44,9
NRW 39,5

Die schriftlichen Entscheidungen nach DSO-Regionen:

Ja (%) 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030
Nord Ja 25,8
Nord Nein 7,5
Nord-Ost Ja 23,1
Nord-Ost Nein 5,3
Ost Ja 19,4
Ost Nein 6,5
Bayern Ja 23,8
Bayern Nein 4,3
B-W Ja 21,4
B-W Nein 4,3
Mitte Ja 26,6
Mitte Nein 11,1
NRW Ja 18,3
NRW Nein 6,9

Entscheidungen 2021

Ausschlussgründe[5] Anz. %
keine Zustimmung zur Organspende im Vorfeld 945 47%
keine Feststellung des Hirntodes 514 25%
medizinische Kontraindikationen 334 17%
Herzprobleme oder Herzstillstand 216 11%
keine Freigabe durch Staatsanwaltschaft 3
Bereits im Vorfeld der Hirntodfeststellung gab es in 945 Fällen keine Zustimmung zur Organentnahme.
Willenserklärung[6] Anz. Ja % Ja Anz. Nein % Nein
schriftlich 261 22,4 81 6,8%
mündlich 253 21,7% 181 15,1%
vermutet 543 46,6% 456 38,2%
Hinterbliebene 104 8,9% 389 32,6%
Summe 1.166 1.112
Sonstiges 83 6,9%
Rund jeder 4. Hirntote hatte im Jahr 2022 eine schriftliche Willensäußerung zur Frage der Organspende.
Damit mussten 3/4 der Hinterbliebenen gefragt werden ob sie den Willen des Hirntoten kennen.
Über die Hälfte der Hinterbliebenen kannten nicht den Willen des Hirntoten.
Damit musste weitergefragt werden, was sie wohl vermuten und in letzter Konsequenz, wie sie entscheiden.
Daher ist die baldige Einführung der Widerspruchsregelung sinnvoll.

Die Skandale des Jahres 2012 hatten keine erkennbare Auswirkung auf die Zustimmung zur Organspende.

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Anhang

Anmerkungen

  1. Die Zahlen der Jahre 2002 bis 2005 wurden aus dem Jahrbuch der DSO entnommen. Die Zahlen der Jahre 2006 bis 2013 wurden nach den absoluten Zahlen der Jahrbücher der DSO berechnet. Dabei wurden nur die realisierten Organspenden mit den Ablehnungen nach Feststellung des Hirntods ins Verhältnis gesetzt. D.h. nicht berücksichtigt wurden dabei nicht erfolgte Organtransplantationen, z.B. durch Kreislaufversagen oder med. Gründen.

Einzelnachweise

  1. Der Artikel liegt als PDF-Datei vor.
  2. https://www.welt.de/politik/deutschland/article137768575/Sind-hirntote-Organspender-wirklich-schon-tot.html Zugriff am 15.04.2019.
  3. DSO: Jahrbuch 2002ff.
  4. Die Anzahl der potenzieller Organspender umfasst alle Hirntoten, die mit für eine TX brauchbare Organe auf der Intensivstation liegen. Die meisten von werden tatsächlich Organspender. Bei einigen wird die die Organspende verweigert. Daneben gibt es noch eine Reihe von Hirntoten, bei denen zwar eine Zustimmung zur Organspende vorgelegen hat, bei denen es jedoch aus verschiedenen Gründen zu keiner Organspende gekommen ist. Die DSO unterscheidet hierbei unter:
    • Abbruch vor oder während der Organentnahme (z.B. Tumorfeststellung)
    • Medizinische Gründe (inkl. Herz-Kreislaufstillstand, ICD-10 I46.9)
    • Sonstiges (Keine Einwilligungsberechtigten, Gespräch nicht zumutbar, keine Freigabe durch den Staatsanwalt)
  5. DSO: Jahresbericht 2022, 60.
  6. DSO: Jahresbericht 2022, 23.