Harvey Cushing

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Harvey Cushing (1869-1939) war ein US-amerikanischer Neurochirurg. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter seines Fachs und Begründer der modernen Neurochirurgie.

"Zahlreich sind die Verdienste, die er sich durch seine experimentell-physiologischen und chirurgischen Forschungen um die Gesamtmedizin und speziell um die Neurologie und Chirurgie, aber auch durch seine standesärztlichen und medikohistorischen Arbeiten erworben hat. In erster Linie sind seine Untersuchungen über die Funktion der Hypophyse zu nennen, weiters seine Arbeiten über die künstliche Erzeugung von Gallensteinen und von Herzklappenfehlern, seine Anästhesierungsmethode durch Nervenblockade, seine operative Behandlung der Fazialislähmung durch Nervennaht, des Hydroklephalus durch Drainage, der Hirnblutungen der Neugeborenen und der inoperablen Hirntumoren durch Entlastungsoperationen".[1]

Leistungen

Die wissenschaftlichen Leistungen Cushings sind sehr vielfältig: Hypophysektomie, Senkung der Operationssterblichkeit von 90 % auf 6 %, Einführung der Elektrokauterisation, histologische Klassifikation der Hirntumoren und Rückenmarkstumoren, Hypophysentumoren (1912), Tumoren der Gehörnerven (1917), Gliome (1926), Physiologie des Schädelinneren, Hirnchirurgie (1926), Hirngefäßtumoren (1928), intrakranielle Tumoren (1932) und vor allem Meningeome (1938 mit L. Eisenhardt). Er beschrieb als erster das nach ihm benannte Cushing-Syndrom und trug zur Erforschung der Akromegalie bei. Neben dem Cushing-Verfahren als operatives Verfahren und den Cushing-Clips wurde auch der Cushing-Ulkus und der Cushing-Reflex nach ihm benannt.

Die Zeit in Baltimore war für Cushing stark vom Einfluss Oslers geprägt, der Chef der Inneren Abteilung war und 1905 als Regius Professor nach Oxford berufen wurde. Es entwickelte sich damals eine lebenslange Freundschaft zwischen beiden Ärzten. Cushing teilte die literarischen und bibliophilen Neigungen Oslers und verfasste nach dessen Tod die Biographie des Freundes, die 1926 mit dem Pulitzer-Preis (für Biographien) ausgezeichnet wurde.[3] Harvey Cushing sammelte alte Ausgaben medizinischer Bücher und medizinhistorische Werke und schrieb selbst auch über die Geschichte der Medizin. Er publizierte 13 Bücher und mehr als 330 wissenschaftliche Aufsätze, erhielt 23 Ehrendoktortitel, besaß Präsidentschaften in 7 und Ehrenmitgliedschaften in 60 wissenschaftlichen Gesellschaften und hielt 16 international bedeutende Preisreden. 1930 erhielt er die Lister-Medaille. Seit 1960 ist er Namensgeber für den Cushing Peak, einen Berg auf der Brabant-Insel in der Antarktis.




Harvey Cushing hielt 1901 einen Vortrag in Philadelphia. Er erzählte von seinen eigenen experimentellen und klinischen Beobachtungen. Das ICP war bei Tieren langsam oder abrupt erhöht worden. Der intrakranielle und arterielle Druck wurde mit der gleichen Technik gemessen, was zuverlässige und genaue Vergleiche ermöglichte. Jedes Mal, wenn ICP höher als der arterielle Druck war, stoppte die Atmung. Er erwähnte einen Patienten mit einem Hirntumor und hohem ICP, der sich plötzlich verschlechterte: "In kurzer Zeit gab der vasomotorische Mechanismus nach, die Atmung hörte in Verbindung mit dem Blutdruckabfall auf, und, wie bei den meisten dieser Erkrankungen, schlug das Herz noch einige Zeit nach dem Tod weiter". Dies war das zweite Mal(?), dass das Konzept des zerebralen Todes in der medizinischen Literatur erschien. Cushing beschrieb auch einen Patienten mit einer Vorgeschichte von Otitis media, der wegen eines zerebralen Abszesses operiert wurde. Er hatte ein sehr hohes ICP und während der Operation, während der Chirurg versuchte, den Abszess zu finden, stoppte die Atmung. Als die Retraktoren entfernt wurden, kam sie zurück. Sie versuchten es erneut, die Atmung hörte auf, der Abszess wurde gefunden und entwässert, aber die spontane Atmung kehrte nicht zurück. Der Patient hatte 23 Stunden lang nach der Operation eine künstliche Beatmung, bevor das Herz stillstand. Aus Cushing's Beobachtungen ist ersichtlich, dass er erkannte, dass der zerebrale Blutfluss gestoppt wurde, als ICP höher war als der arterielle Druck, weil die kortikale Oberfläche des Gehirns, beobachtet durch ein Fenster, ziemlich blass wurde und die kleinen Arterien keine Pulsationen zeigten. Die Terminologie zu diesem Zeitpunkt war Anämie, nicht Ischämie. Wahrscheinlich erkannte er auch, dass das Gehirn wie andere Organe nur eine begrenzte Zeit ohne Kreislauf überleben kann. Nach der Meinung von Settergren bedeutete Cushing den Tod buchstäblich, weil er schrieb: "nachdem der Tod tatsächlich eingetreten ist". Was damals über die Toleranz des Gehirns gegenüber totaler Ischämie gedacht wurde, wurde 1900 von Hill überprüft, der auch eine Reihe eigener Experimente berichtete und zu dem Schluss kam: "Dennoch lähmt der totale Blutverlust das Gehirn sofort".[2]

"Wahrscheinlich hat Harvey Cushing im Dezember 1908 faktisch den ersten Hirntoten unter Tracheotomie mit händischer Balgbeatmung behandelt und beschrieben. Nur hat er diesen Zustand damals nicht 'Hirntod' genannt. Und er hat diesen Zustand nicht mit dem Individualtod gleichgesetzt, sondern weiterbehandelt, bis das Herz stillstand (Pendleton et al. 2012; Moskopp 2015, s. 35ff.)."[3]

1901 beschrieb H. Cushing den nach im benannten Reflex, eine Blutdrucksteigerung mit gelegentlichem Herzfrequenzabfall bei einer Zunahme des Hirndrucks.


Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. I. Fischer (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. 2 Bände. München 1962. Bd.1, 284.
  2. G. Settergren: Brain death: an important paradigm shift in the 20th century. In: Acta Anaesthesiologica ScandinavicaVolume 47, Issue 9. Nach: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1034/j.1399-6576.2003.00227.x Zugriff am 22.07.2019.
  3. Dag Moskopp: Hirntod: Konzept und Kontext. In: Stephan M. Probst: Hirntod und Organspende aus interkultureller Sicht. Leipzig 2019, 21.