Charles Probst

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Zur Person

Univ. ProfessorDr. med. Dr. h.c. Charles Probst war Neurochirurg FMH Chefarzt em. der Neurochirurgischen Klinik Aarau. Als Schüler von Prof. Krayenbühl (Zürich) geprägt,hat er u.a. die Neurochirurgische Klinik des Kantonsspitals Aarau gegründet und aufgebaut, wo während 20 Jahren über 20'000 Patienten an Hirn und Rückenmark operiert wurden, in Spezialgebieten wie Mikrochirurgie bei Hirntumoren, Neurochirurgie des Schmerzes, Eingriffe im Bereiche der Wirbelsäule. Neben seiner Tätigkeit als Arzt und in der Wissenschaft - Dr. Probst ist u.a. Professor an der Universität Zürich und Ehrendoktor in Lublin -war er stets ein engagierter Lehrer: 16 seiner ehemaligen Mitarbeiter sind heute als Klinikdirektoren und Professoren in aller Welt tätig.[1]

Schriften

Hirntod - Tod des Menschen? Ein Diskussionsbeitrag (1999)

1999 veröffentlichte Charles Probst den Artikel "Hirntod - Tod des Menschen? Ein Diskussionsbeitrag".[2] Darin heißt es:

Ohne Zweifel ist das Gehirn unentbehrlich für Ausprägung und Ausdruck unserer Persönlichkeit während des irdischen Lebens. Es ist nicht vergleichbar mit anderen Organen. So bleibt beispielsweise ein Mensch mit einem transplantierten fremden Herzen derselbe. Analog ist die Schlussfolgerung aus der vom Neurochirurgen White durchgeführten Kopfverpflanzung auf einen fremden Körper bei einem Rhesusaffen - ein allerdings makabres Experiment. Der Kopf lebte normal weiter, alles deutete auf eine normale Hirnfunktion hin. Der fremde Körper ermöglichte die Energieversorgung. Dass die Identitätszuschreibung nur am Kopf orientiert bleiben kann, zeigt auch die Erfahrung bei Menschen, die nach vollständiger Zerstörung von Herz und Lunge mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine bei vollem Bewusstsein mit ihrer Umgebung kommunizieren können. Noch ein Bei-spiel: Siamrsische Zwillinge mit zwei Körpern sind zwei menschliche Individuen, auch wenn im übrigen nur ein Leib (ein Herz etc.) vorhanden sind. (6)
Verletzungen und Krankheiten mit Zerstörung von Hirngewebe führen nicht nur zu neurologischen Ausfällen wie Sprachstörungen, Lähmungen. Sie können auch die Entfaltung von persönlichkeits-spezifischen Eigenschaften verändern bzw. ausschalten. Dies gilt auch für gewisse Eingriffe am Gehirn, beispielsweise Operationen im Grenzbereich Schmerzchirurgie/Psychochirurgie. (6)
Auf Grund dieser Fakten sagen die Materialisten:Physikalisch-chemische Abläufe sind die alleinige Ursache für die gesamte Hirnaktivität und die alleinige Erklärung für alle höheren, sogenannt geistigen Funktionen. Viele von Ihnen vergleichen das Gehirn mit einem universellen Computer ("Turing Machine"), dessen Konstruktion allerdings bisher nicht gelungen ist. (6)
Nun gibt es aber eine sowohl durch klinische Erfahrungen als auch von der Hirnforschung gut begründete, ganz andere Sicht, wonach das Gehirn dem Ich gehöre und nicht umgekehrt, was konsequenterweise zur Anerkennung einer geistigen Seele als Realität führt. Der Arzt, Hirnforscher und Nobelpreisträger John C. Eccles hat sein ganzes Leben der Erforschung dieser Frage gewidmet, wobei er 1989 geschrieben hat: "Jede Seele ist eine neue göttliche Schöpfung ... Ich behaupte, dass keine andere Erklärung haltbar ist, weder die von der genetischen Einmaligkeit mit ihrer phantastisch unwahrscheinlichen Lotterie noch die der umweltbedingten Differenzierungen, die die Einmaligkeit nicht determinieren, sondern lediglich modifizieren."[3]
Die Forschungsergebnisse von John C. Eccles werden von vielen Hirnforschern anerkannt; sie sind experimentell und quantenphysikalisch solid gestützt. Die Interaktion Seele/Gehirn findet gemäss Eccles in Mikro Strukturen des Gehirns,den sogenannten Synapsen statt, wo Signale mit Hilfe von freigesetzten Transmittersubstanzen von einer Nervenzelle zur anderen übertragen werden.Die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung von Transmittern ist an sich extrem klein. Absicht und Wille können diese Wahrscheinlichkeit gezielt und ausgewählt erhöhen. Wahrscheinlichkeit ist eine quantenphysikalische Grösse, die im mikrophy-sikalischen Bereich etwas bewirkt und zwar ohne Materie und Energie. Vom Geist her kommt nur Information, die Energie stellt der Körper zur Verfügung. (6)
Wir dürfen somit sagen:

a) Die materielle Welt ist offen für die geistige Führung, ohne dass physikalische Gesetze(Beispiel: Erhaltungsgesetz) verletzt werden. b) Gehirn und Seele sind verbunden, aber zugleich eigenständige Entitäten mit Wechselwirkung. Stapp, der die Bedeutung der Quantenphysik für die Hirnforschung erkannt hat, betonte dies 1991 ganz speziell:6,33 "Was ist denn so falsch an einem vernünftigen Dualismus Seele-Leib/Gehirn,was?" Noch viel deutlicher äusserten sich in diesem Sinne die japanischen Hirnforscher am Zweiten Kongress über den Hirntod, Havanna, 1996. (6f)

Dies sind Interpretationen auf Grund heutiger Kenntnisse, wobei damit sicher nicht die ganze Wirklichkeit erfasst wird. Immerhin dürfen wir, im Gegensatz zu den Materialisten sagen: Das Gehirn ist Voraussetzung für höhere geistige Funktionen im räumlich-zeitlichen Bereich; es Ist aber nicht deren Ursache. Das Gehirn ist das Instrument der Seele, und diese ist die eigentliche geistig Im Transzendenten verankerte Person.Die Einheit Leib/Seele beim Irdischen Menschen kann durchaus mit der Trennbarkeit beim Tod verknüpft sein. Plato wie Christen, Israeliten, Islam und asiatische Heilslehren nehmen an, dass sich beim Tod des Menschen die unsterbliche geistige Seele vom Leib trennt. Die Frage ist nun, ob dies bei einem Hirntoten schon erfolgt ist oder nicht. (7)
Die Diagnose Hirntod erfolgt meistens bei Patienten mit primärer Hirnläsion (z.B. Trauma). Bei primärem Herzstillstand, z.B. nach Infarkt, tritt sekundär der Hirntod ein infolge des intrakraniellen Kreislaufstillstandes, sofern die Reanimation nicht innerhalb von ca. 30 Minuten gelingt. Das Hirn ist besonders empfindlich auf Sauerstoffmangel. Stopp der Blutzufuhr zum Gehirn führt nach wenigen Sekunden zu Bewusstlosigkeit, nach 3 bis 8Minuten zu irreversiblen Schäden zuerst im Kortex,dann im Hirnstamm. Nach 30 Minuten muss der Hirntod angenommen werden, sofern keine Unterkühlung vorliegt. (7)
Unter diesen,u.a. von der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften klar festgelegten Bedingungen9 ist der Zustand Irreversibel,eine Reanimation ist nicht mehr möglich. Gegenteilige Behauptungen beruhen auf Fehldiagnosen, das heisst der Patient erfüllte nicht alle Kriterien für die Diagnose Hirntod, oder sie sind unwahr.10 Hirntod bedeutet: "Point of no Return". (7)
Auch bei total Querschnittgelähmten infolge von Läsionen im oberen Halsmark können die beschriebenen Phänomene durch Schmerzreize kaudal von der Läsion ausgelöst werden, ohne dass der Schmerz empfunden wird. Im Gegensatz zum Hirntoten sind hier aber alle Hirnfunktionen intakt und die Verbindung Gehirn-Körper ist teilweise aufrechterhalten, neuronal über den N. vagus und humoral-endokrin über die hier völlig in-takte Achse Hypothalamus-Hypophyse. (8)
4.2.2. Lazaruszeichen

Es handelt sich um Bewegungen der Arme und Beine ausgelöst durch Hautreize (vor allem C8 bis Th12) sowie durch plötzlichen Sauerstoffmangel (Herzstillstand, Abstellen des Beatmungsgerätes). Zu Grunde liegt die Enthemmung spinaler Reflexmuster nach Abkoppelung des Rückenmarks vom Gehirn. Es sind Reflexbewegungen, also nicht Spontanbewegungen. Die Behauptung von Balkenohl, der Totgesagte umarme die Krankenschwester, ist geradezu grotesk. (8)

4.2.3. Schwangerschaft und Abort

Shewmon berichtete 1998 über Schwangerschaften, die bei 13 jüngeren Frauen trotz des eingetretenen Hirntodes fortdauerten.
Aufsehen erregte die bekannte Geschichte über das sogenannte "Erlanger-Baby". Bei einer 19-jährigen Frau wurden nach einem schweren Unfall der Hirntod diagnostiziert und gleichzeitig eine normale Schwangerschaft im 5. Monat festgestellt. Da Frühgeborene heute ab der 26. Woche eine Überlebenschance von 50  % haben, wurde die künstliche Beatmung fortgesetzt. Nach komplikationslosem Verlauf über 5 Wochen traten bei der Frau Fieber bei einem Lungeninfekt auf, dann kam es zum Abort (Totgeburt).
Derartige Ereignisse wurden leider massiv fehlinterpretiert, so u.a. durch den Philosophen Hans Jonas, der meinte: "Mit eben dieser (gemeint war die Totgeburt) war die Leichnamsthese wirksamer widerlegt als durch alle Lebenszeichen zugunsten des Foetus und des Fortganges der Schwangerschaft."
Nun, die pathophysiologische Wirklichkeit sieht anders aus, denn:
- Jede Schwangerschaft wird nach Entwicklung der Plazenta von ihr selbst aufrecht- erhalten, durch eigenständige Hormonproduktion.
- Der plötzliche Fieberanstieg der schwangeren Mutter steht im Zusammenhang mit dem Ersatz der Feinregulation (Hypothalamus) durch eine indifferente Grobregulation (Rückenmark) der Körpertemperatur.
- Die spontane Kontraktion des Uterus mit folgendem Abort wurde ausgelöst durch Stimulation (Fieber u.a.) des eigenen Nervengewebes der Gebärmuttermuskulatur. Solche Kontraktionen lassen sich ja auch zeigen bei entfernter Uterusmuskulatur im Reagenzglas.
Und so schreiben denn auch zusammenfassend Schlake und Roosen 1995 etwas pointiert: "Der hirntote, künstlich ernährte und beatmete Leichnam der Marion Ploch war nicht mehr und nicht weniger als ein notwendiger Brutkasten für das heranreifende Kind." (8)

4.2.4. Körperwachstum und Entwicklung bei Kindern. Höhere Integration am Beispiel des Hypothalamusn

Shewmon berichtete 1998 über ein proportionales Körperwachstum bei drei und über sexuelle Reifung bei zwei hirntoten Kindern.[4] Diese Beobachtungen sprechen für anhaltende Teilfunktionenim hypothalamisch-hypophysären System. Dies zeigen auch andere Publikationen. (8)

Outwater u.a. beschrieben zwei Kinder ohne Diabetes insipidus trotz festgestelltem Hirntod. In diesen Fällen muss man annehmen, dass die relativ basal im Hypothalamus liegenden Nuclei supraopticus und paraventricularis weiterhin ADH produzieren (Neurosekretion), das via Axone zum Hypophysenhinterlappen gelangt, wo es gespeichert und abgegeben werden kann. Ohne diesen Nachschub vom Hypothalamus her wäre die Reserve des Hypophysenhinterlappens schon nach Stunden erschöpft. - Schrader u.a. haben bei sechshirntoten Patienten mit angiographisch nachgewiesenem intrakraniellem Kreislaufstopp endokrinologische Befunde erhoben, die für eine fortdauernde Produktion von hypothalamischen Releasing-Hormonen (Nuclei infundibularis, ventromedialis u.a.)sprachen, welche nach Erreichen des Hypohysenvorderlappens auf dem Blutweg dort die fortdauernde Produktion der entsprechenden Hormone (Glandotrope, STH, u.a. Hormone) auslösten. Bei zwei dieser Patienten war angiographisch die A. hypophyseos superior mit Kontrastmittel vom Carotis-Siphon aus dargestellt.

Die erwähnten Arbeiten stützen die Ansicht des auf diesem Gebiet international renommierten Prof. Zachmann, wonach ein normales Körperwachstum, wie von Shewmon beschrieben, für eine Restfunktion im Hypothalamus spricht. Das von der Leber produzierte IGF1 würde höchstens ein Basiswachstum von zwei bis drei Zentimetern pro Jahr ermöglichen. - Analoge Überlegungen betreffen die Genitalentwicklung. (9)

Diese hypothalamisch-hypophysären Restfunktionen bei Hirntoten werden ermöglicht durch weiterdauernde Blutzufuhr, beschränkt auf die Basis des Hypothalamus und auf die Hypophyse, hauptsächlich über die intradural verlaufende A. hypophyseos superior. Diese entspringt der A. carotis interna oft proximal vom Kreislaufstopp, beiC2. Dazu kommen einige extradurale Äste für die extradural liegende, dem intrakraniellen Druck nicht ausgesetzte Hypophyse.

Das normale Körperwachstum bei einem hirntoten Kind ist ein augenfälliges Phänomen, muss aber doch als Restfunktion bezeichnet werden, wenn man den ganzen Hypothalamus als übergeordnetes Integrationssystem kennt. So wirken beispielsweise Sympathikus und Parasympathikus im Hypothalamus nicht mehr antagonistisch wie etwa im Rückenmark oder im unteren Hirnstamm. Im Hypothalamus geht es nur noch um übergeordnete Funktionsziele. Von hier aus werden durch neuronale und endokrine Steuerung sämtliche Funktionen des Organismus bis hin zu Verhalten und Bewusstseinsgrad koordiniert und zielentsprechend eingesetzt. Die allerhöchste Integrationsstufe des Organismus allerdings kann nur durch das Gehirn als Ganzem sichergestellt werden. (9)

Die Beispiele im Abschnitt 4.2. zeigen, dass der organische Tod nicht überall gleichzeitig eintritt. Entsprechend erfolgt auch der Verlust der Entropie stufenweise. Beim Hirntod sind alle wichtigen Regionen und Funktionen des gesamten Gehirns unwiderruflich ausgefallen, aber auch hier gibt esvorerst noch fortdauernde insuläre Reste. - Tod schliesst nicht aus, dass noch Lebensvorgänge auf untergeordneter Organisationsstufe vorhanden sind, in Organen, Gewebsverbänden und Zellen. In solchen Strukturen können auch ausserhalb des menschlichen Körpers unter Laborbedingungen mit Hilfe von Nährlösungen und Sauerstoffträgern Stoffwechselvorgänge u.a. fortgeführt werden.

Selten ist dies auch ohne Hilfsmittel möglich. So wurde beispielsweise strukturell und funktionell vollintakter Knochen einer 2'300 Jahre alten Mumie gefunden, mit biologisch aktiver Phosphatase (Enzym).
Wichtig ist für uns vor allem die Beurteilung der Integrationsstufe bei funktioneil intakten Organsystemen, wie dies bei künstlich beatmeten Hirntoten der Fall ist. (9)

Die in den Abschnitten 4.2 und 4.3. beschriebenen organischen Restfunktionen bei Hirntoten werden nur durch fortgesetzte künstliche Beatmung ermöglicht. Sie umfassen neben Einzelorganen auch untereinander verbundene Organsysteme. Die Steuerung derselben wurde unter 4.2. analysiert. Sie erfolgt:

- Isoliert-autonom. Beispiele: Herzaktion(neural), Schwangerschaft (endokrin).
- Durch Rückenmarksreflexe. Beispiel: Blutdruckerhöhung, Herzfrequenzzunahme u.a. Stressreaktionen (neural und endokrin).
- Hypophysär. Hypophyse (extradural) und einzelne basale Hypothalamuskerne sind vom intrakranialen Kreislaufstopp ausgespart. Beispiel: Körperwachstum bei Kindern, selten (endokrin). Beim Hypothalamus handelt es sich nur noch um isolierte endokrine Einzelfunktionen. (9)

Alle im Abschnitt 4.2. beschriebenen biologischen Restfunktionen zeigen - ebenso wie die zahlreichen von Shewmon erwähnten Beispiele12 - nur noch die Integration innerhalb von Subsystemen, die nicht mehr das Ganze umfassen, nicht mehr dem Ganzen dienen.

Das Ganze im spezifisch-menschlichen Sinne umfasst sowohl die übergeordnete somatische Integration (a), wie auch höhere geistige Funktionen(Beispiel: Bewusstsein) (b), letztere wenigstens partiell bzw. potentiell. Zur spezifisch-menschlichen Lebendigkeit gehören beide, a und b. Über-wiegend vegetative Restfunktionen wie beim Hirntod genügen nicht. (9)

Nun ist aber das Gehirn während unserer Existenz in Raum und Zeit die notwendige materielle Basis sowohl für die übergeordnete somatische Integration als auch für die geistige Tätigkeit. Ohne Gehirn gibt es, hier und jetzt, kein Denken, Fühlen usw. Zerebrale Steuerung und Koordination der körperlich-somatischen Funktionen erfolgen hingegen oft subsidiär, d.h. Subsysteme haben eine gewisse Selbständigkeit inklusive eine untergeordnete Integration. Dennoch bleibt die zentrale Steuerung Voraussetzung, Basis für einen ganzheitlich-geordneten Ablauf. Ein Beispiel für diese Subsidiarität ist die Atmung. Unbedingte Voraussetzung ist die Steuerung des ganzen Bewegungsablaufes inklusive Rhythmus, Frequenz, durch einen intakten Hirnstamm. Nur so wird schliesslich der durch die Mitochondrien in den Körperzellen bewirkte O2/CO2-Austausch möglich. (9f)
Es gibt neben den beschriebenen Beispielen andere, wertvolle Merkmale für eine spezifisch-menschliche Lebendigkeit, zum Beispiel Spontanbewegungen, bewusst oder unbewusst. A. Suarez hat sich damit befasst. Spontanbewegungen sehen so aus wie jene, mit denen Menschen ihre Gedanken, Absichten u.a.m. nach aussen zu erkennen geben. Erste Spontanbewegungen treten in der 8. Schwangerschaftswoche auf, also im Moment, da erstmals Hirnfunktionen nachgewiesen werden können ("Brain Birth"). Spontanbewegungen sind definitiv nicht mehr möglich nach dem Ausfall des Hirnstamms beim Hirntod. Für Suarez bedeutet der Verlust der biologischen Potenz für spontane Bewegungen den Tod des Menschen. (10)
Es steht fest: Das Gehirn ist die notwendige materielle Basis für Ausprägung und Ausdruck unserer Persönlichkeit - sowohl als zentrales Steuerungsorgan des Körpers als auch für geistige Funktionen in Raum und Zeit. Die eigentliche Person jedes einzelnen Menschen aber Ist seine im Transzendenten verankerte geistige Seele: Die Seele sichert die Einheit des Individuums, von ihr kommen Wille, Absicht und vor allem zeitlos-ewige Werturteile. Dazu braucht die Seele Instrumente. Welchen Stellenwert hat hier das Gehirn?

Ist das Vorhandensein eines Gehirns die absolute Bedingung für die Gegenwart einer Seele beim irdischen Menschen? Nun: Beim Frühembryo sind Instrumente der Seele die genetisch-zielgerichteten, individuell geprägten Steuerungsmechanismen. Dazu gehört auch die Potenz zur Entwicklung des Gehirns mit all seinen Funktionen. Unter günstigen Bedingungen erfolgt von Anfang an der kontinuierliche Üergang zum vollentwickelten Menschen. Der Embryo muss von der Empfängnis an wie eine Person behandelt werden; schon im Ersten Jahrhundert hat die Kirche sich für den Schutz des Lebens von Anfang an eingesetzt(7, Ziff. 2270 - 2275). Interessant ist dabei, dass Thomas von Aquin meinte, die geistige Seele sei erst ab dem 40. Tag präsent, was zeitlich mit dem "Brain Birth" (erste Anzeichen der Hirnfunktion) übereinstimmen würde. - Auch beim ausgewachsenen Menschen ist das Gehirn nicht der Sitz der menschlichen Seele. Das Gehirn ist hier aber wesentlich) und unentbehrlich; nur über das Gehirn manifestiert sich beim ausgewachsenen Menschen die umfassend-übergeordnete Integration aller körperlichen und geistigen Funktionen, das "Einende Prinzip" (Forma substantialis, Aristoteles, Thomas von Aquin).
Beim Hirntod ist dieses "Einende Prinzip" nicht mehr vorhanden, auch nicht potentiell. Dies spricht dafür, dass die Seele beim Hirntoten nicht mehr vorhanden ist. Wir dürfen meines Erachtens mit praktischer Sicherheit sagen: Ein Hirntoter ist auch tot als Mensch, im metaphysischen Sinne. (10)

Wenn Hirntod mit praktischer Sicherheit den Tod des Menschen bedeutet, dann ist die Entnahme lebenswichtiger Organe bei Hirntoten erlaubt, unter zwei Voraussetzungen:

a) Die Diagnose Hirntod ist gesichert. b) Die Zustimmung liegt vor, am besten von Seiten des Spenders, mindestens aber jene der nächsten Angehörigen. (10)

Ebenso sicher ist aber: Lebenswichtige Organe wie das Herz dürfen - dies ist eine absolute Grenze - nicht entnommen werden, wenn die Diagnose Hirntod nicht feststeht, dann etwa, wenn noch Hirnstammfunktionen nachweisbar sind. Dies ist der Fall bei der Anenzephalie, wo Gross- und Kleinhirn angeboren fehlen, aber auch beim apallischen Syndrom. Beim apallischen Syndrom(zum Beispiel nach Trauma) ist oft die Hirnrinde mit den gespeicherten Gedächtnisinhalten vom retikulären System des Hirnstamms abgekoppelt. Der Patient ist weckbar, aber nicht fähig zu komplexem Handeln und Erleben ("Hirnstammbewusstsein"). Im Gegensatz zum Anenzephalen können sich Patienten mit apallischem Syndrom, besondere junge, erholen. - Allgemein gilt: Der Tod des Menschen darf nicht gleichgesetzt werden mit dem irreversiblen Verlust von bewusster Erfahrung und von hohen kognitiven Leistungen wie Denken, Empfinden u.a. (10)
Es gibt bei uns heftige Gegner der Transplantationsmedizin, die die Organentnahme bei Hirntoten als Euthanasie bezeichnen (siehe "Organspende"..., Lit. Nr. 10). Diese Ansicht muss scharf zurückgewiesen werden. Euthanasie ist aktive Tötung eines Patienten, wobei dieser in der Regel keineswegs bereits definitiv abberufen ist, wie ein Hirntoter. (10f)
Warum gibt es trotz guter Argumente zugunsten der Transplantationsmedizin Gegner derselben? Der Grund liegt darin, dass die Meinung Hirntod gleich Tod des Menschen zwar fundiert ist durch nachweisbare Indizien, dass aber anderseits die Trennung der geistigen Seele vom Leib empirisch nicht direkt fassbar ist. (11)
Als päpstlicher Konsultor sind für mich die Stellungsnahmen von kirchlicher Seite wichtig. Aus den vielen mir zur Verfügung stehenden Dokumenten und Briefen seien vorerst zwei zitiert. 1994 wurde von Seiten der Kurie anerkannt, dass ein sicher Hirntoter als Leiche bezeichnet werden könne, wobei die Wichtigkeit des Gehirns für die persönliche Identität betont wurde. In der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Organtransplantation wurde 1990 festgehalten: "Der Hirntod bedeutet ebenso wie der Herztod den Tod des Menschen," wobei allerdings später einzelne Gegenstimmen laut wurden, etwa jene von Kardinal Meisner. (11)
Am 19.10.1996 erhielt ich ein Schreiben von Msgr. Dr. J. Clemens im Auftrag von Joseph Kardinal Ratzinger, in dem die Meinung des katholischen Lehramtes dargelegt wird. In diesem Brief heisst es u.a.:

"Die schwierige Frage in diesem Zusammenhang ist, wie der eingetretene Tod (Trennung von Leib und Seele) verifizierbar ist. Dazu gibt es von Seiten des Lehramtes keine Stellungsnahme, da es sich um ein empirisches Problem handelt, das von der Wissenschaft zu lösen ist. Die von den meisten Fachleuten vertretene Auffassung lautet, dass der mit Sicherheit eingetretene Ganztod des gesamten Gehirnes (also auch des Hirnstammes) ein sicheres Kriterium für den schon erfolgten Tod des Menschen ist. Wenn nämlich das gesamte Gehirn abgestorben ist, sind die verschiedenen Funktionen des menschlichen Organismus nicht mehr miteinander verbunden; es fehlt ihnen das einende Prinzip, die Seele. Diese Auffassung hat vieles für sich und wird von zahlreichen katholischen Gelehrten vertreten. Eine kleine Gruppe von Experten äussert sich nach wie vor sehr kritisch zur Gleichsetzung von Hirntod und Tod. Die Diskussion darüber wird deshalb ohne Zweifel weitergehen."
Wir können somit sagen: Die obersten Lehrinstanzen
- verweisen die Todesdiagnose in den Kompetenzbereich der Ärzte und der empirischen Wissenschaften.
- Ein Verbot der Organentnahme bei Hirntotenwurde nie ausgesprochen. (11)

{{Zitat|Im Brief von Msgr. Dr. Clemens heisst es so-dannn:
"Der Organspender bzw. der für ihn Verantwortliche muss um die vorgesehene Transplantationwissen und seine Zustimmung geben." Dies entspricht dem Text im Katechismus der katholischen Kirche (7, Ziff. 2296), wo offenbar sowohl die enge (Spender) als auch die erweiterte (Angehörige) Zustimmung anerkannt werden. Sicher ist, dass die Organspende nicht erlaubt ist ohne Zustimmung und Orientierung der Verwandten, sofern kein Widerspruch des Verstorbenen bekannt ist. Diese Widerspruchlösung (Beispiel: Österreich) ist ethisch-moralisch nicht annehmbar. Für Christen und Katholiken ist bei gesicherter Feststellung des Hirntodes mit Zustimmung der Betroffenen die Organspende bzw. Entnahme erlaubt. Dies zeigt uns beispielhaft auch die Notiz im Osservatore Romano, Nr. 7, 12. Februar 1999:28 "Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, hat sich in einem Interview für die Organspenden ausgesprochen und erklärt, dass er selbst einen entsprechenden Ausweis bei sich trage." (11)}

Die Zustimmung ist von entscheidender Bedeutung. Hier gibt es einige zusätzliche Argumente, besonders wichtig für jene, die einen Hirntoten nicht als toten Menschen betrachten. Prof. Dobiosch von der Theologischen Hochschule Chursagt:, "Um einem anderen zu helfen und ihn zuretten, darf ich zwar mein ewiges Heil nicht aufs Spiel setzen. Ich bin aber gehalten für das Interesse der Mitmenschen materielle Güter, unter Umständen bis zum höchsten Gut, meinem Leben, einzusetzen." Und: "Es gibt ideelle Werte, die höher stehen als die menschliche Integrität." - In derEnzyklika "Veritatis Splendor" schreibt der Papst: "Während es moralisch immer unerlaubt ist, einen unschuldigen Menschen zu töten, kann es gestattet, lobenswert oder sogar geboten sein, aus Nächstenliebe oder als Zeugnis für die Wahrheitdas eigene Leben hinzugeben (vgl. Joh 15,13). "Wenn dies im Prinzip - unter besonderen Umständen - sogar für einen Gesunden erlaubt ist, umwieviel mehr dann für einen Hirntoten! (11)
5. Tod des Menschen - Was dann?

Wer sich mit Neurochirurgie und Hirnforschung befasst, speziell mit dem Hirntod, wird täglich mit dieser Frage konfrontiert. Wir haben gesehen: Viele Ergebnisse der modernen Hirnforschungsprechen für die Existenz einer geistigen Seele, verbunden mit dem Körper, wobei der Wechselwirkung Gehirn/Seele besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Einheit Leib/Seele währenddes irdischen Lebens schliesst eine Trennung und weitere Existenz der geistigen Seele beim leiblichen Tod keineswegs aus, im Gegenteil: Es gibtgute naturwissenschaftliche und philosophische Gründe, die für ein persönlich-bewusstes Leben nach dem Tod sprechen. Die geistige Seele ist jadie eigentliche, im Jenseits verankerte individuelle menschliche Person. (12)

5.1. Nahtod-Erlebnisse (NDE), Deu-tung

Unsere Kenntnisse über den Sterbevorgang selbst sind beschränkt. Nahtod-Erlebnisse geben Hinweise. Zahlreich sind Berichte, seit den Urzeiten, über Begegnungen mit verstorbenen Angehörigen, Engeln, über die blitzschnelle Beurteilung des ganzen Lebens bis in alle Details u.a.m.
Nun: Hirntote können darüber nicht mehr berichten, denn sie befinden sich am Point of no Return. Diese Berichte stammen von Menschen, die Extremsituationen überlebt haben, etwa eine erfolgreiche Reanimation nach primärem Herzstillstand. Das kann der Fall sein bei einem Myokardinfarkt, aber auch bei Operationen im Bereich des hinteren Hypothalamus. Wir haben dies zweimal erlebt - es handelte sich um retro-supraselläre Kraniopharyngeome - bei insgesamt 3000 Tumoroperationen. In beiden Fällen war die Reanimation erfolgreich, mit Herzmassage von 20 bzw. 40 Minuten Dauer, und den Patienten geht es bis heute gut. (12)

Zur Beurteilung von NDE braucht es kritische Analysen. Zwei Beispiele:

a) In "The Lancet", 1990 wird über 28 Patienten berichtet mit sicherem Ausfall aller vitaler Funktionen inkl. Gehirn, erfolgreichreanimiert. Diese Patienten berichteten u.a. über Erfahrungen in einem Bereich, in dem alles Wissen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu koexistieren scheint - neurophysiologisch und neuropathologisch nicht erklärbar.
b) Out of the Body-Phaenomen im Rahmenvon NDE. Ein mir persönlich bekannter Fall: Herzstillstand bei Myokardinfarkt, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit. Nach der erfolgreichen Reanimation konnte der Patient das ganze Geschehen während seiner tiefer Bewusstlosigkeit genau und richtig schildern. Er hatte u.a. alles deutlich gesehen, obwohl er vorher seit Jahrzehnten blind gewesen war. Also: Keine Sinnestäuschung, sondern Wahrnehmung der Realität, wenn auch unerklärlich. (12)

Was bedeuten diese NDE? Voreilige Schlüsse sind nicht erlaubt, die Betroffenen waren ja noch nicht tot. Aber: Diese Erlebnisse sprechen klar dafür, dass es höhere geistige Funktionen wie persönliches Bewusstsein gibt - ohne normale Hirntätigkeit, und dass es erfahrbare Realitäten, also Wahrnehmung gibt - ohne normale Funktion derS innesorgane. Meines Erachtens spielen sich NDE ab in einem Zwischenbereich von Diesseits und Jenseits, wobei die Seele bereit ist, den Körper zuverlassen, dies aber noch nicht endgültig vollzogenhat. (12)
5.2. Die letzten Dinge: Wissenschaft und christliche Offenbarung

Gibt es persönlich-bewusstes Leben nach dem Tod? Wir befinden uns hier in einem Grenzbereich von Wissen und Glauben, wobei bei den Erkenntnisweisen objektive Realitäten zu Grundeliegen können, allerdings in anderen Bereichen. Glauben heisst annehmen, was man nicht verstehen kann. Erkenntnistheoretisch hat der Glaubedas Primat vor dem Wissen, denn Grundlage jeder Wissenschaft sind letzte unbeweisbare Sätze, die sogenannten Axiome. Am 13.2.1985 schrieb mirder bekannte Philosoph Professor J.M. Bochenski: "Die Axiome der Naturwissenschaft sind weder beweisbar noch evident, aber man kann aus ihnen Verschiedenes ableiten und Vieles voraussagen", und dann: "Die Axiome jeder Weltanschauung sind Angelegenheit des Glaubens, nicht des Wissens. "Diese Haltung bedeutet keineswegs "Fideismus", wohl aber Begrenzung der Vernunft auf ihre tatsächlichen Möglichkeiten, im Gegensatz etwa zur Aufklärung.
Entscheidend ist, was man weltanschaulich-religiös als glaubwürdig erachtet. Die Vorstellung, was nach dem Tode kommt, ist letztlich religiös geprägt. Die christliche Auffassung ist u.a. im Katechismus der katholischen Kirche, basierend auf der Offenbarung (Bibel und Tradition) festgehalten (7,Ziff. 364, 365, 366), ebenso deutlich auch im Katechismus der Russisch-Orthodoxen.
Während meiner beruflichen Laufbahn bin ich vielen Hirnforschern und Neurochirurgen begegnet und zwar aus allen weltanschaulichen Richtungen.Es ist für mich beeindruckend, dass für viele von ihnen die Christliche Offenbarung grundlegendund konkret glaubwürdig war, vor allem dann, wenn es um letzte Dinge geht. Wichtig ist die Interpretation der Hl. Schrift. Die wesentlichen undfür uns existentiell entscheidenden Aussagen sindmeines Erachtens so anzunehmen, wie sie jedes Kind versteht, real und ohne Relativierung bzw. Umdeutung - so etwa die Worte: Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein (Lk 23,42 - 43).
Es ist interessant, wie gerade von modernen Wissenschaften her die sogenannte "Entmythologisierung" der Hl. Schrift (Bultmann u.a.) in Frage gestellt wird, wonach zum Beispiel Auferstehung, sogar die Auferstehung Christi nur Symbol sei, keine Realität. Die Argumente dieser Theologen wanken, denn: Im Gegensatz zu ihrer Meinung gibt es heute gute Gründe dafür, dass die Evangelien vor dem Jahre 70 n. Chr. entstanden sind, und dass sie somit auch Gewicht als historische Zeugnisse haben. Und: Im Gegensatz zu ihrer Meinung schliesst die Naturwissenschaft Wunder keineswegs aus. - Im Letzten gibt es keinen Widerspruch zwischen Wissen und Glauben ("Fides et Ratio"). Sir John Eccles, der mehrfach erwähnte berühmte Arzt, Hirnforscher und Nobelpreisträger starb 1997 im hohen Alter von 94 Jahren. In einem Nachruf (Pfarrblatt von Tenero-Contra, seiner Wahlheimat im Tessin) stand geschrieben: "Danke Sir John, dass Sie gegen die Thesen der positivistischen Wissenschaften reagiert haben, welche die Unsterblichkeit der menschlichen Seele leugnen und glauben, die Nicht-Existenz eines Gottesbeweisen zu müssen. Danke, weil Sie bestätigt haben, auch als Wissenschaftler an Gott zu glauben." (13)

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Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Charles Probst: Hirntod - Tod des Menschen? Ein Diskussionsbeitrag. In: Medizin & Ideologie Juni 99, 14. Nach: http://eu-ae.com/images/heftarchiv/21_1999/medizin_und_ideologie_nr2_1999.pdf Zugriff am 22.05.2020.
  2. Charles Probst: Hirntod - Tod des Menschen? Ein Diskussionsbeitrag. In: Medizin & Ideologie Juni 99, 6-14. Nach: http://eu-ae.com/images/heftarchiv/21_1999/medizin_und_ideologie_nr2_1999.pdf Zugriff am 22.05.2020.
  3. Cuenod M.: Zit. aus "Uni Zürich", 4: 55, 1995.
  4. Shewmon D.A.: "'Brain Stern Death','Brain Death' andDeath: A critical Re-Evaluation of the Purported Equiva-lence", Issues in Law and Med, 14/2:125-145,1998.