Bayerische Anordnung

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Am 13.02.2018 fiel das AG Würzburg (25 XVII 208/18) entgegen vorliegender ordnungsgemäßer Feststellung des Hirntodes das Urteil, dass diese schwangere Hirntote nicht tot sei[1]

Die Urteilsbegründung lässt durchblicken, dass es hierbei nicht um Recht und Gesetz ging, sondern um eine persönliche Haltung des Richters:

- Das Gericht sieht in der Betroffenen keine Leiche. Die traditionellen „sicheren Todeszeichen“ - Leichenflecken, Leichenstarre, Verwesung - liegen nach Auskunft des Arztes Dr. … von der Klinik für Anästhesiologie der Uniklinik Würzburg nicht vor.Dagegen sind zahlreiche Lebenszeichen gegeben: das Herz schlägt (ohne Impulsgebung durch das Gehirn), das Blut zirkuliert in den Adern und erreicht fast alle Körperteile, die Sauerstoffanreicherung des Bluts in den Lungenbläschen funktioniert, das vegetative Nervensystem ist intakt, Nahrung wird im Verdauungstrakt verwertet und die Nährstoffe werden aufgenommen, das Blut wird gereinigt, die Ausscheidung von Abfallstoffen über den Darm sei intakt, ebenfalls das Immunsystem, das Knochenmark produziere laufend neue Blutkörperchen, spinale Reflexe seien vorhanden, Haare und Nägel wachsen, bei oberflächlicher Verletzung würde die Betroffene zunächst bluten und anschließend die Wunde heilen.Trotz des Ausfalls der Gehirnfunktion ist der Körper der Betroffenen als Ganzes lebendig - abzüglich des Gehirns. Viele Lebensvorgänge sind von der Funktionsfähigkeit des Gehirns offenbar unabhängig.

- Die Betroffene ist schwanger. Das Kind in ihrem Leib lebt und entwickelt sich. Ein Körper, der zum Austragen einer Schwangerschaft fähig ist, ist lebendig. Leichen sind nicht in der Lage, eine Schwangerschaft auszutragen. Die Prognose bzgl. der Schwangerschaft ist nach Auskunft des Arztes Dr. … nicht von vornherein aussichtslos.
- Die Betroffene ist in vergleichbarer Weise lebendig wie andere bewusstlose und beatmete Patientinnen bzw. Patienten auf der Intensivstation. Hätte die Betroffene noch einen hirngesteuerten Reflex (z. B. den okulo-zephalen Reflex) vorzuweisen (s. Hirntodprotokoll Ziff. 2), wäre sie nach den Richtlinien zum irreversiblen Hirnfunktionsausfall nicht tot, sondern lebendig. Das Gericht kann zwischen dem Zustand, bei dem ein hirngesteuerter Reflex erhalten geblieben ist, und dem Zustand nach Wegfall dieses Reflexes keinen für das Betreuungsrecht maßgeblichen Unterschied erkennen. Eine Schwangere mit schwerster Hirnschädigung und Funktionserhalt eines einzigen Hirnreflexes ist in der gleichen Weise von maschineller Unterstützung abhängig und in gleicher Weise auf die Wahrnehmung ihrer Interessen durch Dritte angewiesen, wie eine Schwangere ohne einen solchen Reflex.

Mit diesem Urteil verstößt dieser Richter gegen verschiedene Gesetze, Vorschriften und Richtlinien:

  1. § 3 Abs. 1 TPG: "der Tod des Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist "
  2. § 3 Abs. 2 TPG: "Die Entnahme von Organen oder Geweben ist unzulässig, wenn

1. die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organ- oder Gewebeentnahme widersprochen hatte,
2. nicht vor der Entnahme bei dem Organ- oder Gewebespender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist."

  1. der "Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG" - eine vom BMG am 30.03.2015 genehmigte Richtlinie:[Anm. 1]
    1. "Ein spezielles Verfahren zur Feststellung des Todes ist die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (sog. „Hirntoddiagnostik“)." (1)
    2. "Regeln zur Feststellung des Todes" (2)
    3. "Mit der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms (irreversibler Hirnfunktionsausfall) ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt." (2)
    4. "Die in dieser Richtlinie dargestellten Verfahrensregeln zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, einschließlich der dazu jeweils erforderlichen ärztlichen Qualifikation, dienen der Todesfeststellung in der Intensivmedizin." (2)
    5. "Mit der Veröffentlichung dieser Vierten Fortschreibung der Richtlinie wird die Hoffnung verbunden, möglichen Unsicherheiten und Ängsten in diesem sensiblen Feld der Intensivmedizin auf verständliche und nachvollziehbare Weise entgegenzutreten und so das Vertrauen in die richtlinienkonform durchgeführte sichere Todesfeststellung weiter zu stärken." (2)
    6. "Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls in der Intensivmedizin stellt dagegen ein spezielles Verfahren zur Todesfeststellung dar und hat in die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern Eingang gefunden." (4)
    7. "Die Einrichtung, in deren Auftrag die den irreversiblen Hirnfunktionsausfall feststellenden und protokollierenden Ärzte tätig werden, etabliert ein geeignetes Verfahren zur Qualitätssicherung der Todesfeststellung in einer Arbeitsanweisung und überprüft dieses regelmäßig auf Weiterentwicklungsbedarf." (5)
    8. "Festgestellt wird nicht der Zeitpunkt des eintretenden, sondern der Zustand des bereits eingetretenen Todes. Als Todeszeit wird die Uhrzeit registriert, zu der die Diagnose und die Dokumentation des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls abgeschlossen sind." (5)
    9. "Für die Todesfeststellung sind die Unterschriften beider Ärzte auf dem abschließenden Protokollbogen zu leisten." (5)
    10. "Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls stellt dagegen ein spezielles Verfahren zur Todesfeststellung dar und hat auch in die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern Eingang gefunden." (10)
    11. "Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Entnahme von Organen oder Geweben, dass der Tod des Organ- oder Gewebespenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist." (10)
    12. "Die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls stellt ein spezielles Verfahren zur Feststellung des Todes im Kontext des TPG dar." (15)
    13. "Die „Bestätigung des Todes bei Vorliegen eines anderen sicheren Todeszeichens gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG i. V. m. § 5 Abs. 1 TPG“ (Anlage 3) wurde an die Regelungen des Gewebegesetzes sowie die aktuelle Nomenklatur der Richtlinie angepasst." (16)
    14. "Feststellung des Todes (auszufüllen nach dem letzten und abschließenden Untersuchungsgang; ersetzt nicht die amtliche Todesbescheinigung [Leichenschauschein])" (23)
    15. "Damit ist der Tod des Patienten festgestellt am _____ um ____ Uhr" (23 und 25)
    16. "Hiermit wird bestätigt, dass obige Feststellungen und Befunde bei mindestens 4 klinischen Untersuchungen (je 2 beim ersten und je 2 beim zweiten Untersuchungsgang) und die Befunde/Befundberichte der ergänzenden Untersuchungen mit denen von Protokollbögen Nrn. ___ übereinstimmen und den irreversiblen Hirnfunktionsausfall als sicheres Todeszeichen belegen." (25)
    17. "Bestätigung* des Todes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1 TPG" (26)









Anhang

Anmerkungen

  1. Die in Klammer gesetzte Zahl gibt die Seite in dieser Richtlinie an.

Einzelnachweise