Hirntoddiagnostik: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Apparative Diagnostik ===
=== Apparative Diagnostik ===
Bei Kindern unter 2 Jahren und in einigen besonderen Fällen schreibt die Richtlinie zur Feststellung des Hirntods eine apparative Diagnostik vor. Ansonsten ist die  apparative Diagnostik optional. Sie wird verwendet, wenn die Ursachen für den Zustand nicht 100-prozentig klar sind oder die Wartezeit verkürzt werden soll.
Bei Kindern unter 2 Jahren und in einigen besonderen Fällen schreibt die Richtlinie zur Feststellung des Hirntods eine apparative Diagnostik vor. Ansonsten ist die  apparative Diagnostik optional. Sie wird verwendet, wenn die Ursachen für den Zustand nicht 100-prozentig klar sind oder die Wartezeit verkürzt werden soll.
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|Die Aktivität unseres Gehirns, jeder Gedanke, ist ein elektro-chemischer Vorgang. Die elektrischen Spannungen und Ströme sind zwar sehr gering, aber messbar.<br> Mit [http://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie Elektroenzephalografie] kann die elektrische Aktivität des Großhirns gemessen und als Elektroenzephalogramm dargestellt werden. Diese elektro-chemische Aktivität unseres Gehirns ist auch während des ganzen Schlafs [http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaf#Schlafaufrechterhaltung_und_Schlafphasen Schlaf] vorhanden.<ref group="Anm.">In den einzelnen Schlafphasen sind unterschiedliche Muster des EEG´s erkennbar: Thetawellen (4 bis 7 Hz), Deltawellen (0,1 bis 4 Hz).</ref> <br>Bei einem gesunden Menschen gibt es keine Sekunde, in der das Gehirn nicht arbeitet.
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Die Aktivität unseres Gehirns, jeder Gedanke, ist ein elektro-chemischer Vorgang. Die elektrischen Spannungen und Ströme sind zwar sehr gering, aber messbar.<br> Mit einem [http://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie Elektroenzephalogramm] EEG kann man die elektrische Aktivität des Großhirns gemessen werden. Diese ist auch während des ganzen Schlafs [http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaf#Schlafaufrechterhaltung_und_Schlafphasen Schlaf] vorhanden.<ref group="Anm.">In den einzelnen Schlafphasen sind unterschiedliche Muster des EEG´s erkennbar: Thetawellen (4 bis 7 Hz), Deltawellen (0,1 bis 4 Hz).</ref>  


Bei Hirntoten ist kein EEG ableitbar. Die Richtlinien der [[BÄK]] schreiben für 30 Minuten eine EEG-Nulllinie vor.  
Bei Hirntoten ist kein EEG ableitbar. Die Richtlinien der [[BÄK]] schreiben für die Feststellung des Hirntods eine EEG-Nulllinie von 30 Minuten vor.  
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Version vom 6. März 2014, 09:58 Uhr

Hirntod Hirntoddiagnostik Lebende Hirntote Schwangere Hirntote Berühmte Organspender

Deutschland

Aufbau

Die Hirntoddiagnostik baut auf 3 Säulen auf:

  1. Voraussetzungen
    Als Voraussetzung für die Durchführung der Hirntoddiagnostik müssen gegeben sein: Akute schwere Hirnschädigung + keine anderen Ursachen.
  2. Klinische Diagnostik
    Für die klinische Diagnostik müssen gegeben sein: Komma muss vorliegen + keine Hirnstammreflexe + Apnoe-Test.
  3. Nachweis der Irreversibilität
    Der Nachweis der Irreversibilität (Unumkehrbarkeit des Zustandes) ist dadurch gegeben, dass die klinische Diagnostik bei primärer Hirnschädigung nach mind. 12 Stunden wiederholt werden muss,[Anm. 1] bei sekundärer Hirnschädigung nach mind. 72 Stunden wiederholt werden muss.[Anm. 2]

Voraussetzungen

Die häufigsten Ursachen: Anteil p/s Abstand
Hirnblutung ca. 55% p 12 h
Schädelhirntrauma 10-20% p 12 h
Herzstillstand 10-20% s 72 h
Hirninfarkt 10-20% p 12 h
p = primäre Hirnschädigung Abstand[Anm. 3]
s = sekundäre Hirnschädigung

Keine Hirntoddiagnostik wird einfach nur auf Verdacht durchgeführt. Es müssen hierzu klare Voraussetzungen vorliegen:

  • Akute schwere Hirnschädigung
    Es muss eine akute schwere Hirnschädigung vorliegen. Diese kann als primäre Hirnschädigung oder sekundäre Hirnschädigung erfolgt sein. Sie muss so schwerwiegend sein, dass keine Hirnstammreflexe festgestellt werden, wie sie in der klinischen Diagnostik fachkundlich überprüft werden.
  • Ausschluss anderer Ursachen
    Es müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden, die zu einem vorübergehenden Ausfall der Hirnstammreflexe führen können:[Anm. 4]
    • Intoxikation (Vergiftung)
      Verschiedene Vergiftungen können die Hirnstammreflexe so stark lähmen, dass sie Hirntod vortäuschen. Daher muss eine Vergiftung ausgeschlossen werden.[Anm. 5]
    • Relaxation (Einfluss von verschiedenen Medikamenten und Drogen)
      Verschiedene Medikament wie auch Drogen können die Hirnstammreflexe so stark lähmen, dass sie Hirntod vortäuschen. Daher muss eine Relaxation ausgeschlossen werden.
    • Primäre Hypothermie (Unterkühlung des Körpers)
      Eine Unterkühlung des gesamten Körpers kann die Hirnstammreflexe so stark lähmen, dass sie Hirntod vortäuscht. Daher muss eine Unterkühlung ausgeschlossen werden.
    • Metabolisches oder endokrines Koma
      Beim metabolischen Koma sind Werte des Stoffwechsel so stak von Normalwerten abweichend, dass der Patient in ein Koma fällt.
      Beim endokrinen Koma sind Hormonwerte so stark von Normalwerten abweichend, dass der Patient in ein Koma fällt.
    • Schock
      Schock ist lebensbedrohlicher Zustand, bei dem die Blutzirkulation in den kleinen Blutgefäßen (Kapillaren) vermindert ist. Dies kann zu einer Sauerstoffunterversorgung der Gewebe und damit zu einer Stoffwechselstörung führen.
      Da jeder dieser anderen Ursachen zu vorübergehendem Ausfall der Hirnstammreflexe führen kann, ist es bei der Hirntoddiagnostik so wichtig, die Vorgeschichte des Patienten zu kennen. Kam der Patient aus einem dieser anderen Ursachen in diesen Zustand des Komas, kann ihn die Intensivmedizin wieder heil zurückholen. Im Falle eines erfolgten Hirntods ist eine Rückkehr ins Leben nicht mehr möglich.

Um sicherzustellen, dass alle diese Voraussetzungen gegeben sind, bevor mit der klinischen Diagnostik begonnen wird, hat der Arzt auf dem Protokoll zur Feststellung des Hirntodes all dies zu protokollieren: Diagnose, primäre bzw. sekundäre Hirnschädigung, Zeitpunkt des Unfalls bzw. Krankheitsbeginns und einzeln aufgeführt der Ausschluss aller o.g. anderen möglichen Ursachen für diesen Zustand.
Erst wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann mit der [[Hirntoddiagnostik#klinische Diagnostik|klinischen Diagnostik] begonnen werden.

Klinische Diagnostik

Apparative Diagnostik

Bei Kindern unter 2 Jahren und in einigen besonderen Fällen schreibt die Richtlinie zur Feststellung des Hirntods eine apparative Diagnostik vor. Ansonsten ist die apparative Diagnostik optional. Sie wird verwendet, wenn die Ursachen für den Zustand nicht 100-prozentig klar sind oder die Wartezeit verkürzt werden soll.

EEG

Die Aktivität unseres Gehirns, jeder Gedanke, ist ein elektro-chemischer Vorgang. Die elektrischen Spannungen und Ströme sind zwar sehr gering, aber messbar.
Mit Elektroenzephalografie kann die elektrische Aktivität des Großhirns gemessen und als Elektroenzephalogramm dargestellt werden. Diese elektro-chemische Aktivität unseres Gehirns ist auch während des ganzen Schlafs Schlaf vorhanden.[Anm. 6]
Bei einem gesunden Menschen gibt es keine Sekunde, in der das Gehirn nicht arbeitet.

Bei Hirntoten ist kein EEG ableitbar. Die Richtlinien der BÄK schreiben für die Feststellung des Hirntods eine EEG-Nulllinie von 30 Minuten vor.

DSO EEG1.jpg
EEG eines Lebenden

DSO EEG0.jpg
EEG eines Hirntoten

Perfusionsszintigraphie

DSO Kopf1.jpg
Szintigramm eines Lebenden

DSO Kopf0.jpg
Szintigramm eines Hirntoten

Dopplersonographie

Angiographie

o =

Nachweis der Irreversibilität

Sicherheit der Hirntoddiagnostik

Um Fehlmessungen auszuschließen, ist in den Richtlinien der BÄK detailliert vorgschrieben, wie diese apparative Diagnostik durchzuführen ist. Auch defekte Untersuchungsgeräte werden damit ausgeschlossen. - So ist z.B. für die Durchführung eines Nullinien-EEGs vorgeschrieben:[Anm. 7]

  • Es muss eine Nulllinie von mind. 30 min sein, einwandfrei auswertbar.
  • Die Gehirnströme müssen durch Klebe- oder Nadelekektroden abgeleitet werden.
  • Die Elektroden sind nach dem 10:20-System anzuordnen.
  • Der Elektrodenübergangswiderstand soll zwischen 1 und 10 Kiloohm betragen.
  • Die Filtereinstellung hat zwischen 0,53 und 70 Herz zu sein.
  • Die Ableitung soll mit einer Verstärkereinstellung von 5 bzw. 7 Mikrovolt begonnen werden.
  • Das Nulllinien-EEG soll mit einer Einstellung von weniger als 2 Mikrovolt durchgeführt werden.
  • Der Rauschpegel des Geräts soll mind. 2 Mikrovolt abgrenzen können.
  • Es ist ein EGG-Gerät mit mind. 8 Kanälen zu verwenden.
  • Zu Beginn der Untersuchung ist die Funktionsfähigkeit jedes einzelnen Kanals durch Auslösen von Artefakte (Störungen, z.B. durch Berühren der Elektroden) zu überprüfen.

Für alle anderen apparativen Diagnostiken zur Feststellung des Hirntods sind ähnlich genau die einzelnen Parameter festgelegt. Dies garantiert die Sicherheit der Diagnostik.

Protokoll zur Feststellung des Hirntodes

Name_____________________________Vorname_____________________ geb.:_______________ Alter:_________
Klinik:___________________________________________________________________________________________
Untersuchungsdatum:_____________ Uhrzeit:_________________ Protokollbogen-Nr.:____________________
1.  Voraussetzungen
1.1 Diagnose______________________________________________________________________________________
Primäre Hirnschädigung:________ supratentoriell______________ infratentoriell_____________________
Sekundäre Hirnschädigung:  _______________________________________________________________________
Zeitpunkt des Unfalls/Krankheitsbeginns:  ________________________________________________________
1.2 Folgende Feststellungen und Befunde bitte beantworten mit ja oder nein
Intoxikation                           ausgeschlossen:____________________________________________
Relaxation                             ausgeschlossen:____________________________________________
Primäre Hypothermie                    ausgeschlossen:____________________________________________
Metabolisches oder endokrines Koma     ausgeschlossen:____________________________________________
Schock                                 ausgeschlossen:____________________________________________
Systolischer Blutdruck ______________mmHg
2. Klinische Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion
2.1 Koma _________________________________________________________________________________________
2.2 Pupillen weit / mittelweit
                          Lichtreflex   beidseits fehlt___________________________________________
2.3 Okulo-zephaler Reflex (Puppenkopf-Phänomen)
                                        beidseits fehlt___________________________________________
2.4 Korneal-Reflex                      beidseits fehlt___________________________________________
2.5 Trigeminus-Schmerz-Reaktion         beidseits fehlt___________________________________________
2.6 Pharyngeal-/Tracheal-Reflex                   fehlt___________________________________________
2.7 Apnoe-Test bei art. paCO2   _______mmHg erfüllt_________________________
3. Irreversibilitätsnachweis durch 3.1 oder 3.2
3.1 Beobachtungszeit:
Zum Zeitpunkt der hier protokollierten Untersuchungen bestehen die obengenannten Symptome seit ________ Std.
Weitere Beobachtung ist erforderlich       ja____________________ nein____________________________
mindestens 12/24/72 Stunden
3.2. Ergänzende Untersuchungen:
3.2.1 Isoelektrisches (Null-Linien-) EEG,  _____ ______ ______________ _____________ _____________
      30 Min. abgeleitet:                   ja    nein   Datum          Uhrzeit       Arzt
3.2.2 Frühe akustisch evozierte Hirnstamm- _____ ______ ______________ _____________ _____________
potentiale Welle III–V beidseits erloschen  ja    nein   Datum          Uhrzeit       Arzt

Medianus-SEP beidseits erloschen           _____ ______ ______________ _____________ _____________
                                            ja    nein   Datum          Uhrzeit       Arzt
3.2.3 Zerebraler Zirkulationsstillstand beidseits festgestellt durch:
Dopplersonographie:___________Perfusionsszintigraphie:__________ Zerebrale Angiographie:__________
Datum________________ Uhrzeit_____________________ untersuchender Arzt____________________________
Abschließende Diagnose:
Aufgrund obiger Befunde, zusammen mit den Befunden der Protokollbögen Nr.___________, wird 
der Hirntod und somit der Tod des Patienten festgestellt am:____________ um_________ Uhr.
Untersuchender Arzt:____________________________________________ _________________________________
                     Name                                         Unterschrift

Schweiz

Anhang

Siehe auch:

Fehldiagnosen

Quellen

  • BÄK: Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes (1997).


Anmerkungen

  1. Bei Kindern unter 2 Jahren sind es mind. 24 Stunden, bei Neugeborenen mind. 72 Stunden.
  2. Für Kinder unter 2 Jahren und Neugeborenen sowie bei besonderen Situationen sind ergänzende Untersuchungen durch apparative Diagnostik vorgeschrieben. Um die Wartezeit zu verkürzen, muss eine ergänzende Untersuchung hinzugenommen werden.
  3. Bei der HTD muss der zeitlicher Abstand zwischen 1. und 2. klinischen Diagnostik bei primärer Hirnschädigung mind. 12 h und bei sekundärer Hirnschädigung mind. 72 h betragen. Diese Wartezeit kann durch eine apparative Diagnostik verkürzt werden.
  4. Beim Hirntod sind die Hirnstammreflexe nicht nur vorübergehend ausgefallen, sondern unumkehrbar.
  5. Colleen S. Burns wurde im Jahre 2009 nach einer Überdosis Medikamente (Drogen?) in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte warteten nicht ab, bis der Körper diese Stoffe abgebaut hatte und deren Wirkung nachgelassen hatte, sondern führten zu früh eine Hirntoddiagnostik durch. Damit stellten sie fälschlicher Weise einen Hirntod fest, der nicht vorlag. Colleen S. Burns hatte der Organspende zugestimmt. Daher wurde sie auf die Organentnahme vorbereitet. Bevor es jedoch dazu kam, schlug sie die Augen auf. - Die Klinik wurde im Jahre 2012 wegen dieser schlampigen Hirntoddiagnostik zu einer Geldstrafe von umgerechnet 17.000 Euro verurteilt.
    Dieses Beispiel zeigt deutlich auf, wie wichtig die ordentliche Abklärung der Voraussetzungen bei der Hirntoddiagnostik ist.
  6. In den einzelnen Schlafphasen sind unterschiedliche Muster des EEG´s erkennbar: Thetawellen (4 bis 7 Hz), Deltawellen (0,1 bis 4 Hz).
  7. Die medizin-technische Erklärung wird auf der Seite der Hirntoddiagnostik gegeben. Hier geht es nur um einen kurzen Überblick, der das Ausmaß der Vorschriften aufzeigen soll, der klar machen soll, dass bei der Hirntoddiagnostik nicht irgendwie vage gearbeitet wird, sondern sehr gewissenhaft und genau - damit auch sehr sicher.

Einzelnachweise