Gefühle
"Die Emotonen treten auf der Bühne des Körpers auf, die Gefühle auf der Bühne des Geistes. ...
Emotionen und Gefühle sind im Zuge eines kontinuierlichen Prozesses so eng miteinander verknüpft, dass wir verständlicherweise dazu neigen, sie als ein einziges Phänomen wahrzunehmen."[1]
Gefühle und das Gehirn
Primäre Gefühle
"Primäre Gefühle (soll heißen: angeborene, präorganisierte, Jamessche Gefühle) beruen auf Schaltkreisen des limbischen Systems, wobei die Amygdala und der vordere Teil des Gyrus cinguli eine besondere Rolle spielen. Hinweise dafür, daß die Amygdala entscheidende Bedeutung für da präorganisierte Gefühl hat, liefern Beobachtungen an Tieren und Menschen."[2]
Sekundäre Gefühle
Wenn wir an etwas Erfreuliches denken (einen schönen Urlaub, Treffen mit einem Freund, ...) schlägt das Herz schneller, die Haut errötet, das Gesicht erstrahlt, fühlen wir uns wohl. Hören wir jedoch vom Tod eines geliebten Menschen schlägt das Herz kräftiger, der Mund wird trocken, die Haut erbleicht, die Eingeweide verkrampfen, Hals- und Rückenmuskeln versteifen sich und unsere Gesichtszüge zeigen Trauer. "In beiden Fällen verändern sich zahlreiche Parameter, die über die Funktion von Viscera (Herz, Lunge, Verdauungsorgane, Haut) und endokrinen Drüsen (zum Beispiel Hypophyse und Nebenniere Aufschluss geben. Das Gehirn schüttet zahlreiche Peptidmodulatoren in den Blutkreislauf aus. Auch das Immunsystem wird raasch modifiziert. Unter Umständen erhöht sich die Grundaktivität der glatten Muskulatur in den Arterienwänden, was eine Kontraktion und Verengung der Blutgefäße bewirken (und Blässe hervorruft). Diese Aktivität kann auch abnehmen, das heißt, die glatten Muskeln entspannen sich, die Blutgefäße weiten sich (woraufhin die Haut sich rötet). Alles in allem legt die Gruppe dieser Veränderungen ein bestimmtes Profil fest, das aus Abweichungen von einem Spektrum durchschnittlicher Zustände besteht. Diese entsprechen einem funktionalen Gleichgewicht, der Homöostase, in der der Haushalt des Organismus wahrscheinlich die günstigsten Werte erzeilt, das heißt, weniger Energie verbraucht und sich rascher und leichter anpaßt."[3]
Antonio R. Damasio beschreibt, wenn wir an etwas Schönes denken, die Abläufe in unserem Körper mit diesen 3 Schritten:[4]
- Der Prozeß beginnt mit der Überlegung, die ein Gefühl auslöst. "Das neuronale Substrat solcher Vorstellungsbilder besteht aus einer Reihe separater topographisch organisierter Repräsentationen, die in verschiedenen frühen sensorischen Rindenfeldern auftreten (visuellen, akustischen und anderen)."
- "Auf einer nicht bewussten Ebene reagieren Netzwerke im präfrontalen Cortex automatisch und unwillkürlich auf Signale, die bei der Verarbeitung der obigen Vorstellungsbildern entstehen." Dabei greift unser Gehirn auf die Datenbank unseres Lebens zurück, insbesondere auf die damit gespeicherten Gefühle.
- "Unbewußt, automatisch und unwillkürlich wird die Reaktion der präfrontalen dispositionellen Repräsentationen ... an die Amygdala und den vorderen Teil des Gyrus cinguli übermittelt. In diesen Regionen reagieren dispositionelle Repräsentationen, indem sie
a) Kerngebiete des autonomen Nervensystems aktivieren und über die peripheren Nerven Signale zum Körper schicken, mit dem Ergebnis, daß die Viscera in den Zustand versetzt werden, der überwiegend mit der Art der auslösenden Situation verknüpft ist;
b) dem motorischen System Signale übermitteln, so daß die Skelettmuskeln das äußere bild eines Gefühls in Gesichtsausdruck und Körperhaltung vervollständigen, indem sie
c) die Hormon- und Paptidsysteme aktivieren, die auf chemischem Wege den Zustand von Körper und Gehirn verändern, und indem sie schließlich
d) durch besondere Entlandungsmuster die nichtspezifischen Neurotransmitter-Kerne in Gehirnstamm und basalem Vorderhirn aktivieren, die daraufhin ihre chemische Botschaften in verschiedenen Regionen des Telenzephalons (die Basalganglien beispielsweise und die Großhirnrinde senden. Diese scheinbar erschöpfende Aufzählung von Aktionen stellt eine massive und vielfältige Reaktion dar."
Aussagen
"Zusammenfassend könnte man sagen, dass Gefühle notwendig sind, weil sie auf der mentalten Ebene Emotionen und das, was ihnen zugrunde liegt, zum Ausdruck bringen. Nur auf dieser bewussten Ebene biologischer Prozesse und bei vollem Bewusstsein werden Gegenwart, Vergangenheit und antizipierte Zukunft hinreichend verknüpft. Nur auf dieser Ebene können Emotionen mithilfe von Gefühlen die Sorge um das individuelle Selbst erzeugen. Die effektive Lösung von schwierigen Problemen verlangt Flexibilität und eine sinnvolle Zusammenstellung von Informationen. Das können nur mentale Prozesse und die geistige Besorgnis, die durch Gefühle geweckt wird, leisten."[5]
"Ganz in der Tiefe des Gehirns liegt das sogenannte limbische System. Es ist der evolutionär älteste Teil des Gehirns. (…)
Dort werden unsere Gefühle wie Wut, Angst, Freude, Zuneigung usw. generiert. Hier liegt auch die Region, in der die Lustgefühle primär erzeugt werden, sei es durch zentrale, sei es durch periphere Stimulation."[6]
"Ein wesentliches Gebiet dieses limbischen Systems besteht aus einer sehr kleinen Ansammlung von Nervenzellen, dem Nucleus accumbens ('nucleus' bedeutet Kern), der noch gar nicht so lange bekannt ist (…).
In dessen Nähe wird das Wünschen oder Begehren ('wanting') ausgelöst. In sich jedoch birgt dieser Kern ein kleines Areal, das dem echten Lustzentrum, also einem hedonischen Hotspot entspricht."[6]
"Die normale Erregung der Lustgefühle erfolgt vom Mittelhirn aus ('Area 10'), von wo über Nervenbahnen die Erregung dann z.B. zum Nucleus accumbens geleitet wird (…). Von dort geht die Erregung weiter ins Stirnhirn, wo das Lustgefühl bewusst wird."[7]
"Im Stirnhirn scheint es also Areale zu geben, die nur beim Menschen vorkommen und die gewissermaßen nur von oben (von der Hirnrinde aus) nach unten (upside down) die Lustareale erregen. Die periphere Erregung wäre eine Erregung von unten (z.B. durch den Geschmacksinn").[8]
Anhang
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ Antonio R. Damasio: Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. München 2003, 38.
- ↑ Antonio R. Damasio: Descartes´ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. 6. Auflage. Berlin 2010, 186.
- ↑ Antonio R. Damasio: Descartes´ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. 6. Auflage. Berlin 2010, 188.
- ↑ Antonio R. Damasio: Descartes´ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. 6. Auflage. Berlin 2010, 189f.
- ↑ Antonio R. Damasio: Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. München 2003, 210.
- ↑ a b Reiner W. Heckl: Das lachende Gehirn. Wie Lachen, Heiterkeit und Humor entstehen. Stuttgart 2019, 80.
- ↑ Reiner W. Heckl: Das lachende Gehirn, 81.
- ↑ Reiner W. Heckl: Das lachende Gehirn, 85.