Sehzentrum

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Das Sehzentrum (visuelle Cortex, Sehrinde) ist derjenige Teil der Großhirnrinde, der zum visuellen System zählt, welches wiederum das visuelle Bewusstsein ermöglicht. Das Sehzentrum nimmt den Großteil des Occipitallappens des Gehirns ein. Nach der Hirnkarte von Korbinian Brodmann] (1868-1918) entsprechen ihm die Areale 17, 18 und 19. Er wird in die primäre Sehrinde (V1) und sekundäre bzw. tertiäre (assoziative, V2–V5) Bereiche unterteilt.

Histologisch zeichnet ihn bei Primaten die hohe Zelldichte und die vergleichsweise geringe Dicke (beim Menschen 1,5–2 mm) aus. Das Areal 17 (auch Area striata) repräsentiert unmittelbar die gegenseitige Hälfte des Gesichtsfeldes und ist "retinotop" aufgebaut, was bedeutet, dass auf der Netzhaut nebeneinander abgebildete Punkte auch hier nebeneinander liegen. Die Zellen, die die Sehgrube Fovea repräsentieren, sind dabei deutlich überrepräsentiert und nehmen etwa die Hälfte der Area striata ein.

Das Sehzentrum sitzt am hinteren Ende des Gehirns. Dort treffen die Signale von den Augen - über den Thalamus - zuerst ein. Die Signale sind retinotop angeordnet, d.h. ein Signal von einem bestimmten Punkt der Netzhaut wird also an einen entsprechenden Punkt des primären visuellen Cortex gesendet.[1]


Jan Ruben konnte anhand von NIRS nachweisen, dass bei visueller Stimulation das Sehzentrum mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch reagiert. Jan Ruben fasst seine Studien mit dem Worten zusammen: "Die hier dargestellten Ergebnisse, die in Einklang mit den Resultaten anderer funktioneller Methoden sowie mit den gängigen Modellen zur neurovaskulären Kopplung stehen, tragen somit zum Prozeß der Validierung der Methode der NIRS bei. Die zunehmend anerkannte Validität der Methode legt neben der Verwendung in der funktionellen Hirnforschung auch eine zunehmende Anwendung in bezug auf klinische Fragestellungen nahe. Potentielle klinische Anwendungen sind das Monitoring der cerebralen Gewebe-Oxygenierung bei Patienten mit Schlaganfällen sowie bei Patienten mit Schädel-Hirn-Traumata.[2]

Visuelle Störungen

Es gibt eine große Vielfalt visueller Störungen. Diese können am Auge selbst, am Sehnerv, aber auch höher im Sehsystem sein, „vor allem in den für die visuelle Wahrnehmung zuständigen Kortexarealen – den Okzipitallappen und deren Projektionen in die Temporal- und Partietallappen des "Gehirns]]."[3]

Bei einem Mann, "RFS" genannt, wurde im Jahr 2011 eine kortikobasale Degeneration, eine degenerative Hirnerkrankung diagnostiziert. Neben Gedächtnisstörungen, Muskelkrämpfen und -zittern, berichtet der Geoingenieur noch über eine weitere auffällige Beschwerde, die ihn belastet: Er kann die Ziffern 2 bis 9 nicht mehr erkennen. Der Mann kann sich das Liniengewirr auch nicht merken, es erscheint ihm jedesmal ein neues, wenn er wegschaut und sich die Zahl erneut ansieht. So eine Wahrnehmungsstörung, auch Metamorphopsie genannt, kann durch Augenerkrankungen, neurologische und psychische Störungen ausgelöst werden. Doch es handelt sich hierbei offenbar um eine besondere Form, denn überraschenderweise erkennt RFS die Zahlen 0 und 1 ohne Probleme. Obwohl ein großes B einer 8 sehr ähnlich, erkennt RFS den Buchstaben problemlos. Sein Gehirn muss also erkennen können, dass es sich bei einer 8 um eine Zahl handelt, die er dann aber nicht wahrnehmen kann. Es gibt noch weiter interessante Fakten zu RFS:[4]

  • In einem Versuch schlossen sie ihren Patienten an ein [[EEG}} an und zeigten ihm eine Zahl, in der ein Gesicht versteckt war. Er gab an, das Gesicht nicht sehen zu können, doch im EEG zeigten sich die gleichen Hirnströme, unabhängig davon, ob das Gesicht allein gezeigt wurde oder innerhalb einer Zahl lag. Sein Gehirn war also immer noch dazu in der Lage, ein Gesicht zu identifizieren – eine anspruchsvolle kognitive Fähigkeit – auch wenn sein Bewusstsein nichts davon wusste.
  • Die Zahlen 2 bis 9 kann der Patient zwar bis heute nicht sehen, aber dafür haben seine Neurologen eine Lösung gefunden: Sie erfanden Ersatzzahlen (z.B. ⌊ für 2, ⌈ für 8), die RFS seither benutzt.

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Rita Carter: Das Gehirn. Anatomie, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein, Störungen. München 2010, 35.
  2. Jan Ruben: Veränderungen der Hämoglobin-Oxygenierung im visuellen Cortex des Menschen bei funktioneller Aktivierung. (med. Diss.) Berlin 2000, 85.
  3. Oliver Sacks: Drachen, Doppelgänger und Dämonen. Reinbeck 2013, 30.
  4. DockCheck: "Ich sehe Spaghetti statt Zahlen". (02.08.2020) Nach: https://www.doccheck.com/de/detail/articles/28719-ich-sehe-spaghetti-statt-zahlen Zugriff am 07.08.2020.