Schmerz: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 12. April 2017, 20:04 Uhr

Begriffsdefinition

  • Schmerzwahrnehmung bezeichnet die Wahrnehmung eines Schmerzes durch die Repeptoren. Die meisten von ihnen befinden sich in der Haut. Diese Schmerzwahrnehmung wird über Nervenbahnen an das Rückenmark gemeldet.
  • Schmerzreaktion bezeichnet die durch das Rückenmark ausgelöste Reaktion des Körpers auf einen Schmerzreiz, frei von Schmerzempfinden. Dies erfolgt durch Reflexe und Ausschüttung von Stresshormonen.
  • Schmerzempfinden oder auch Schmerzbewusstsein bezeichnet das bewusste Empfinden eines Schmerzes. Es schmerzt.

Diese drei Begriffe besitzen eine zeitliche Abfolge und sind auch anatomisch eindeutig voneinander zu unterscheiden:

Schmerzwahrnehmung Schmerzreaktion Schmerzempfinden
Die Wahrnehmung des Schmerzes erfolgt in die Rezeptorzellen. Diese leiten die Information über Nervenbahnen an das Rückenmark weiter. Das Rückenmark zieht über den Reflexbogen den schmerzenden Körperteil reflexartig aus der Gefahrenzone. Gleichzeitig ergeht die Schmerzinformation an die Nebenniere, die die Stresshormone (u.a. Adrenalin) ausschüttet. Vom Rückenmark erhält das Gehirn über den Hypothalamus die Information des Schmerzes. Erst durch die Verarbeitung im Gehirn wird der Schmerz als solcher wahrgenommen. Dies geschieht 0,2 bis 0,5 sec nach Wahrnehmung des Schmerzes.
Millisekunde 0 = Start <200 Millisekunden >200 Millisekunden
Körper Bewusstsein

Schmerzreaktion und Schmerzempfinden

Unterschied: Schmerzreaktion und Schmerzempfinden

Es ist zwischen Schmerzreaktion (Reflex) und Schmerzempfinden (bewusst wahrgenommener Schmerz) zu unterscheiden. Was zunächst im Körper abläuft, ist eine Schmerzreaktion. Das Schmerzempfinden erfolgt nach der ersten Schmerzreaktion. - Dies soll am Beispiel der heißen Herdplatte verdeutlicht werden:[1]

  1. Schmerzrezeptoren in der Handfläche nehmen die große Hitze wahr.
  2. Nervenfasern leiten diese Schmerzinformation an das Rückenmark weiter.
  3. Im Rückenmark teilt sich diese Information für Reflexboten, Nebenniere und Gehirn.
  4. Reflexbogen
    Über den Reflexbogen wird die Hand sofort von der heißen Herdplatte zurückgezogen.
  5. Informationsweg Nebenniere
    1. Über eine schnelle Nervenfaser gelangt die Schmerzinformation zur Nebenniere.
    2. Das Nebennierenmark schüttet Stresshormone aus (u.a. Adrenalin) und stellt damit im Körper alle Energiereserven für Kampf oder Flucht zur Verfügung.[2]
    3. Die Ausschüttung der Stresshormone lässt Puls und Blutdruck nach oben schnellen, d.h. wir erschrecken.
    4. Vom Rückenmark geht ein Handlungsimpuls an den Arm (Reflexverschaltung), die Hand aus die Gefahrenzone zu ziehen.
    5. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das Gehirn noch keinen Schmerz wahrgenommen.[Anm. 1]
  6. Informationsweg Gehirn
    1. Über eine langsame Nervenfaser gelangt die Schmerzinformation über verschiedene Zwischenstationen zur Großhirnrinde.
    2. Im wird der Schmerz bewusst wahrgenommen.
    3. Im limbischen System[Anm. 2] wird die Schmerzinformation emotional bewertet.[Anm. 3]
    4. Beurteilt das limbische System den Schmerz als relevant, gibt es diese Information an das Großhirn weiter. Damit ist der Schmerz bewusst gemacht.

Damit ist der Unterschied zwischen Schmerzreaktion und Schmerzempfinden klar:

  • Schmerzreaktionen erfolgen über das Rückenmark. Das Gehirn spielt dabei keine Rolle.
  • Schmerzempfinden erfolgt zeitlich verzögert, wird im limbischen System bewertet und kommt, wenn die Information als relevant eingestuft wurde, dann erst als Information im Großhirn an und ist ab dann bewusst.

Damit ist klar aufgezeigt:

Hirntote können zwar Schmerzreaktionen haben, aber in D/A/CH[Anm. 4] kein Schmerzempfinden.

Schmerzkomponenten

Schmerz besitzt 4 Komponenten, auf denen der Körper auf Schmerz reagiert. Diese sollen am Beispiel des Eintauchens der Hand in 50°C heißes Wasser verdeutlicht werden:[3]

  • Sensorische Komponente
    Beim Eintauchen der Hand in heißes Wasser werden Nozizeptoren der Haut erregt. Diese Schmerzwahrnehmung wird mit Angabe der Lokalisation und Intensität durch Nervenbahnen über das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet. Dort wird der Schmerz bewertet und bewusst wahrgenommen.
  • Motorische Komponente
    Wenn wir die Hand unbeabsichtlich in heißes Wasser eintauchen, zuckt unsere Hand zurück, "lange bevor uns ein Hitzeschmerz bewusst wurde und wir willkürlich darauf hätten reagieren können. Diese motorische Komponente des Schmerzes ist uns als Flucht- oder Schutzreflex in einer Vielzahl von Beispielen bekannt. ... Im weiteren Sinne sind auch andere Verhaltensäußerungen auf den Schmerz, die aus der Schmerzbewertung resultieren, als motorisch oder besser psychomotorische Komponenten des Schmerzes anzusehen." Dies erfolgt über die Reflexbögen im Rückenmark.
  • Affektive Komponente
    Wenn die Temperatur des Wassers 25°C beträgt, in das wir unsere Hand eintauchen, so ist es entscheidend, von welcher Ausgangsposition wir kommen: Ist es ein heißer Sommertag mit über 35°C, so sind uns die 25°C eine Abkühlung. Ist es ein frostiger Wintertag, so sind die 25°C eine wohlige Wärme. Was wir wahrnehmen, löst bei uns Gefühle aus. Wie dieses Beispiel zeigt, kann der gleiche physikalische Reiz entgegengesetzte Gefühle auslösen.
  • Vegetative Komponente
    Das Eintauchen einer Hand in heißes Wasser führt zur Erweiterung der Hautgefäße und damit zu erhöhter Durchblutung. Dies wird an der Rötung der Haut sichtbar. Bei Eintauchen der Hand in Eiswasser verengen sich die Blutgefäße und die Hand wird weiß. In der Regel steigen in beiden Fällen der Blutdruck und Puls an, die Pupillen erweitern sich und die Atmung verändert sich.

Schmerzreaktion bei Hirntoten

Ablauf: Puls und Blutdruck steigt

Schmerz1a.jpg Schmerz1b.jpg Schmerz1c.jpg Schmerz1d.jpg
Hierbei beteiligten Körperteile: Von den Schmerzreptoren wird ein großer Schmerz wahrgenommen (z.B. Öffnung des Oberkörpers). Diese Information wird an das Rückenmark weitergeleitet. Vom Rückenmark geht ein Impuls über eine schnelle Nervenleitung zu den Nebennieren und löst die Ausschüttung von Stresshormonen aus, u.a. Adrenalin. Dadurch steigen Blutdruck und Puls.[Anm. 5] Vom Rückenmark geht ein Impuls über eine langsame Nervenleitung zum Gehirn. Da dieses beim Hirntoten abgestorben ist, dann dieser Impuls nicht als Schmerz wahrgenommen werden.
  • Aufgezählter Listeneintrag

Schmerzempfinden

Normales Schmerzempfinden

Das normale Schmerzempfinden soll am Beispiel einer heißen Herdplatte verdeutlicht werden:

  1. Die Schmerzrezeptoren in der Haut nehmen die Hitze der Herdplatte war.
  2. Nervenfasern leiten diese Information an das Rückenmark weiter.
  3. Im Rückenmark wird diese Information aufgeteilt:
    1. Über den Reflexbogen wird die Hand reflexartig von der heißen Herdplatte zurückgezogen.
    2. Über eine Nervenfaser wird die Information Schmerz an die Nebenniere weitergeleitet.
      1. Die Nebenniere schüttet Stresshormone (u.a. Adrenalin) aus.
      2. Die Folgen hiervon sind: Puls und Blutdruck steigen an. Damit ist der Mensch für Flucht oder Kampf in körperlicher Hochform.
    3. Über eine Nervenfaser wird die Information Schmerz an das Gehirn weitergeleitet.
      1. Die bewusste Schmerzverarbeitung und Schmerzempfinden erfolgt im Großhirn. In der sogenannten Thalamus-Region bekommt der Schmerz seine gefühlsmäßige Bedeutung. In den Gebieten der Hirnrinde wird das Schmerzgeschehen unter Verwendung bisheriger Erfahrungen schließlich bewertet.[4] - Bewusste Schmerzempfindung erfolgt wie jede andere Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) im Großhirn.
      2. In zwei Bereichen der Großhirnrinde - im somato-sensorischen Cortex und im hinteren Bereich der Inselrinde - wird der Schmerzreiz emotional bewertet. Eine zentrale Rolle spielt der präfrontaler Cortex (ACC).[5]
        Ca. 0,2 Sekunden, nachdem wir reflexartig die Hand von der heißen Herdplatte genommen haben, empfinden wir bewusst den Schmerz.
      3. Der Mensch - nicht der Körper, d.h. reflexartig - handelt auf diesen Schmerzreiz bewusst: bei einem angenehmen Reiz wird z.B. versucht zu kuscheln (d.h. ihn möglichst zu intensivieren und ihn noch möglichst lange zu erhalten), bei einem unangenehmen Reiz (z.B. Schmerz), werden wir versuchen, diesem Schmerz zu entfliehen oder zumindest zu verringern.


Schmerzwahrnehmung und Schmerzempfindung
Helena Dohmann beschreibt in ihrer Dissertation über Schmerzwahrnehmung und Schmerzempfindung (2013) auf den Seiten 11 bis 16 den physiologischen Weg des Schmerzes von der Schmerzwahrnehmung bis zum Schmerzempfinden so:

  • Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) nehmen chemische, thermische und mechanische Reize wahr und leiten den Schmerz über Nervenbahnen an das Rückenmark weiter.
  • Im Rückenmark findet die Verstärkung, Abschwächung und Kontrastierung der neuronalen Aktivitäten statt. Zum einen wird die Schmerzinformation über Nervenbahnen zum Thalamus weitergeleitet. Dabei werden sie mehrfach durch Synapsen unterbrochen, so z.B. im verlängerten Mark und der Pons.
  • "Der Thalamus ist die zentrale Verschaltungsstelle für alle Signale, die vom bzw. zum Cortex (Hirnrinde) gelangen. Er ist dabei nicht nur für die Verschaltung zuständig, sondern moduliert und koordiniert gleichzeitig die einzelnen Signale."
  • In der Hirnrinde wird der Schmerz bewusst wahrgenommen. Hierbei sind vor allem die Regionen S1, S2, ACC aktiv. "Der Cortex ist der Entstehungsort bewusster Schmerzwahrnehmung."
  • Der Nozizeptiver Flexorreflex (NFR) ist ein vom Rückenmark ausgehender Reflex, der die Gließmaßen (Hände, Arme, Füße, Beine) aus der Gefahrenzone ziehen, in der dieser Schmerz ausgelöst wurde. [6]
  • Schmerzsignale werden "bis zum Gehirn weiterleiten, um dort eine Schmerzwahrnehmung auszulösen."[7]

Veränderung des Gehirns durch chronische Schmerzen
Anne Nicklas zeigt in ihrer Dissertation (2013) auf, dass chronische Schmerzen zu Veränderungen im Gehirn führen. "Trotz der zunehmenden Erkenntnisse bleiben die exakten Mechanismen, die zu den spezifischen Veränderungen der grauen Hirnsubstanz bei CLBP-Patienten führen, weiter unklar." (S. 15) Anne Nicklas: In vivo-Untersuchungen zu strukturellen Gehirnveränderungen bei chronischem lumbalem Rückenschmerz mittels Voxel-basierter Morphometrie (VBM). Köln 2013. Im Internet unter: https://repository.publisso.de/resource/frl:5371347-1/data Zugriff am 8.2.2016.</ref>

Menschen mit gestörtem Schmerzempfinden

Eine zentrale Rolle spielt der anteriore cinguläre Cortex (ACC). Der ACC moduliert auch das Schmerzempfinden, indem er etwa über körpereigene Opiate die Sensitivität verringert. Ist dieses Areal verkleinert, dann kann also die Schmerzempfindung nicht mehr so gut reduziert werden.

In der Inselrinde (Lobus insularis, BA 13, 14) wird das Schmerzempfinden reguliert, d.h. dem Schmerz bewusst Aufmerksamkeit geschenkt, aber auch unterdrückt.

Aus Dissertationen:

  • Bernd-Alexander Gebhard Hock zeigt auf Seite 18 seiner Dissertation anhand von cMRT-Bildern auf, in welchen Regionen des Gehirns Schmerzschwelle, Intensität und Unangenehmheit verarbeitet werden.[8]
  • Von 144 Patienten mit hypoxischen Hirnschaden reagierten 38 auf einen Schmerzreiz mit einem spitzen Gegenstand, 106 Patienten zeigten keinerlei Reaktionen.[9]
  • "Bei der Trigeminusneuralgie handelt es sich um plötzlich einschießende, heftigste, zum Teil fast unerträgliche oberflächlich in Haut- und Schleimhaut empfundene Schmerzattacken eines oder mehrerer Äste des V. Hirnnerven."[10]
  • Über Trigeminusneuralgie: "Das Krankheitsbild ist charakterisiert durch plötzliche, unerwartet 'aus heiterem Himmel' auftretende Schmerzanfälle von größter Intensität, die Sekunden, höchstens Minuten anhalten. Der Schmerz wird als 'stechend' wie ein 'Messerstich' oder wie ein 'Peitschenhieb' beschrieben."[11]
  • Trigeminusneuralgie kann zum Suizid treiben: " Exemplarisch möchte ich einen Patient anführen, der mit akuter Suizidgefahr aufgrund der unerträglichen neuralgischen Schmerzen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, was dieser auch im Interview bestätigte, allerdings bei der Beantwortung der Fragen nach seelischer Mitbeteiligung diese verneinte."[12]


Fazit:
Um Schmerzen zu empfinden, bedarf es eines funktionierenden Gehirns. Ist jedoch im Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm keine Funktionalität vorhanden (Hirntod), so können keine Schmerzen empfunden werden, wie groß diese auch sein mögen.
Bei jeder HTD gehört die Reizung des Trigeminus-Nervs mit hinzu. Es darf dabei zu keiner Schmerzreaktion kommen, ansonsten wäre der Hirntod widerlegt. Reizung des Trigeminus-Nervs gehört mit zu den größten Schmerzreizen. Wenn hier keine Schmerzreaktion erfolgt, warum soll dann beim Öffnen des Oberkörpers zum Zweck der Organentnahme eine Schmerzreaktion erfolgen? Das macht keinen Sinn.

Schmerzempfinden von Hirntoten

Die "Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen" (Stand 24.5.2011), herausgegeben von der "Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften" (SAMW) enthält einen indirekten Hinweis auf Schmerzreize und Schmerzempfinden von Hirntoten: Im Anhang heißt es auf Seite 21 unter "Klinische Zeichen des Todes", Punkt 5:

Fehlen jeglicher Reaktion auf starken Schmerzreiz: Die Reaktion auf Schmerzreize muss durch Druck auf die Austrittsstelle eines Trigeminusastes am Orbitarand geprüft werden.

Was eine Reizung des Trigeminus-Nervs für Gesunde bedeutet, ist hier nachzulesen[13]

Bei der Trigeminusneuralgie können heftigste Schmerzen im Trigeminusgebiet auftreten. Diese werden als mitunter stärkste bekannte Schmerzen beschrieben.

Mit anderen Worten: Wenn der Hirntote bei der Reizung des Trigeminus-Nervs keine motorischen Reaktionen zeigt, kann er auch bei der Öffnung des Oberkörpers zum Zweck der Organentnahme keine Schmerzen bewusst empfinden.

In D/A/CH können Hirntote keine Schmerzen empfinden,
sie haben nur unbewusste Schmerzreaktionen.

Siehe hierzu auch alle diese Internetseiten:[14]

Anästhesie

Anästhesie

Anästhesie ist in der Medizin ein Zustand der Empfindungslosigkeit. Pschyrembel teilt sie ein in:[15]

  1. Balancierte Anästhesie
    1. kurz wirksame Injektionsnarkotika (z.B. Barbiturate
    2. Analgetika (Opiate, z.B. Fentanyl)
    3. peripheren Muskelrelaxanzien
    4. Inhalationsnarkotika (z.B. Lachgas, Isofluran)
  2. Rückenmarknahe Anästhesie
    1. Kaudalanästhesie (wird vor allem bei Kindern durchgeführt)
    2. Spinalanästhesie (durchdringt die Hirnhaut)
    3. Periduralanästhesie (PDA) (durchdringt nicht die Hirnhaut)

Rückenmarknahe Anästhesie und Hirntod

Die rückenmarknahe Anästhesie ist ein deutliches Beispiel dafür, dass in D/A/CH Hirntote keine Schmerzen spüren können. - Hierzu wird hier die Wirkung der Spinalanästhesie beschrieben:[16]
  • Aufbau
    Das Rückenmark ist von 3 Häuten umgeben, innen die weiche Hirnhaut (Pia mater), die Spinnenhaut (Arachnoidea) und außen die harte Rückenmarkshaut (Dura mater). Zwischen der Hirnhaut und der Spinnenhaut zirkuliert das Hirnwasser.
  • Funktionsweise
    In dieses Hirnwasser hinein wird mit der Kanüle die Medikamente (Lokalanästhetika) injiziert. Diese heben in Höhe der Einstichstelle die Fähigkeit der Weiterleitung von Nervenimpulsen zeitlich auf.
  • Beispiele der Anwendung
    Die Spinalanästhesie ist ein Standardverfahren der Anästhesie mit relativ einfacher Durchführung, raschem Wirkeintritt und kompletter Schmerzausschaltung. Sie stellt eine Alternative zur Narkose und der Periduralanästhesie (PDA)dar, die bei chirurgischen Eingriffen am Unterbauch (z.B. Leisten-Operationen), gynäkologischen und urologischen Operationen im Beckenbereich sowie orthopädischen, unfallchirurgischen oder gefäßchirurgischen Eingriffen an Beinen angewendet werden kann. In der Geburtshilfe wird sie bei Kaiserschnitt verwendet.
  • Bezug zu Hirntod
    Die Spinalanästhesie zeigt deutlich auf, dass eine Weiterleitung der Schmerzinformation im Rückenmark zu einer absoluten Schmerzfreiheit unterhalb der Einstichstelle führt. Der Patient ist bei vollem Bewusstsein und kann der Operation zusehen.
    Beim Hirntoten wird zwar die Schmerzinformation noch bis zum Kopf weitergeleitet, aber das Großhirn ist abgestorben. Es besitzt keine Möglichkeit, die Schmerzinformation zu verarbeiten. Damit ist für Hirntote in D/A/CH völlige Schmerzfreitheit erwiesen.
W spinal A.png

Operation an Querschnittsgelähmten

Querschnittsgelähmte, bei denen einen Durchtrennung des Rückenmarks im Bereich der Halswirbel erfolgte, können ohne Narkose an Beinen und Bauchraum operiert werden. Dabei kommt es zu den exakt den gleichen Hautrötungen, zu lokalen Schweißreaktionen und Muskelzuckungen, ohne dass Schmerz wahrgenommen wird.[17]

Dissertationen

Christiane Heck beschreibt die "Anatomie und Physiologie des Schmerzes" wie folgt: Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) sind zu 90% in der Haut vorhanden, aber auch in fast allen anderen Geweben, ausgenommen dem Gehirn. Durch einen Schmerzreiz wird ein Impuls ausgelöst, der durch schnelle A-delta-Fasern oder langsame C-Fastern an das Rückenmark weitergeleitet werden. Dort werden sie auf die 2. Neurone umgeschaltet, von der eine Nervenbahn zum Thalamus aufsteigt. Auf diesem Weg gibt der Vorderseitenstrang (Tractus spinothalamicus) Kollaterale an den Hirnstamm und dem aufsteigenden retikulären aktivierenden System (ARAS) ab, wodurch Atem- und Kreislaufzentrum sowie der Wachheitsgrad beeinflusst werden. Von der 2. Neurone aus führt eine Verbindung zu den motorischen und symphathischen Efferenzen, um motorische Fluchtreflexe und sympathische Reflexe auslösen zu können.
"Vom Thalamus laufen laterale Bahnen zum somatosensorischen Kortex, durch welchen Reizort, -stärke, -dauer und Art des Reizes wahrgenommen wird. Mediale Bahnen führen zum limbischen System zur affektiven Einordnung des Reizes."
Die Schmerzimpule werden auf verschiedenen Ebenen des zentralen Nervensystems gefiltert und moduliert. Besonders bedeutsam sind hierbei die deszendierende und segmentale Hemmmechanismen und endogene Opioide.[18]

Regelungen in den Ländern

Hirnstammtod und Gesamthirntod

Beim Hirnstammtod (gilt z.B. in den USA, Großbritannien und Polen) können bei Hirntoten noch Teile des Großhirns funktionsfähig sein. Da im Großhirn der Schmerz bewusst wahrgenommen wird, besteht die Möglichkeit einer bewussten Schmerzempfindung.

Beim Gesamthirntod (gilt in D/A/CH muss neben dem Hirnstamm auch das Großhirn und Kleinhirn abgestorben sein, um als Hirntoter zu gelten. Dadurch ist keine Schmerzempfindung möglich.

Fazit: In Ländern, in denen der Hirnstammtod gilt, können Hirntote u.U. noch Schmerzen empfinden; in Ländern, in denen der Gesamthirntod gilt, können Hirntote keinesfalls Schmerzen empfinden.

Deutschland

Bereits 1982 schrieb die BÄK zur Feststellung des Hirntodes die Überprüfung von Schmerzreaktionen bei Reizung des Trigeminus-Nervs vor. Dies wurde bis in die Gegenwart (4. Fortschreibung) beibehalten. Dabei werden am Trigeminus-Nerv die größten vorstellbare Schmerzreize ausgelöst. Hirntote zeigen hierauf keine Reaktion, weil mit dem Tod des Gehirns ihre gesamte Wahrnehmung erloschen ist, selbst die des größten Schmerzes.

Im Dtsch Arztebl 2001; 98(21): A-1417 / B-1203 / C-1131 gaben 5 Vorsitzende und Präsidenten verschiedener ärztlicher Gesellschaften[Anm. 6] eine Erklärung zum Hirntod ab. Darin heißt es:

Nach dem Hirntod gibt es keine Schmerzempfindung mehr. Deshalb sind nach dem Hirntod bei Organentnahmen keine Maßnahmen zur Schmerzverhütung (zum Beispiel Narkose) nötig.

Schweiz

Immer wieder wird behauptet, dass in der Schweiz für die Organentnahme eine Vollnarkose vorgeschrieben sei, um evtl. Schmerzen der Organspender zu vermeiden. - Dieser Aussage muss entschieden widersprochen werden, denn die SAMW brachte im Jahre 2012 oder 2013[Anm. 7] eine 4-seitige Schrift "Fakten und Argumente"[19] heraus, in der es auf Seite 2 heißt:

Naturwissenschaftlich gesehen gibt es keine exakte zeitliche Zäsur zwischen Leben und Tod; das Sterben des Organismus als Ganzes, der Organe und der verschiedenen Zellen ist ein Prozess. Auch nach dem Funktionsausfall des Gehirns sind bestimmte unwillkürliche Reaktionen (z.B. Muskelreflexe) noch möglich. Solche Reflexe sind der Grund dafür, dass Organspender bei der Organentnahme eine Narkose erhalten.

In der von Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) und Swisstransplant herausgebrachten Schrift "Organspende und Transplantation" (Januar 2013) heißt es auf Seite 31:

Es wird empfohlen eine Narkose einzuleiten um spinalen Reflexen und Muskelkontraktionen vorzubeugen. (s. SAMW Richtlinien Seite 19)

In einem vorliegenden Schreiben von Dr. Katharina Plüss, Stv. Sektionsleiterin Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Bundesamt für Gesundheit BAG, heißt es:

Richtlinien zur Organentnahme in der Schweiz

Die von der Schweizerische Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW) verfassten Richtlinien halten folgendes fest:
"Bei der Organentnahme hat man es mit dem Körper eines Toten zu tun. Dieser besitzt jedoch nach wie vor ein weitgehend funktionstüchtiges spinales und autonomes Nervensystem. Der tote Körper kann deshalb auf Reize reagieren und motorische Reaktionen zeigen. Mit der Verabreichung von Anästhetika können solche Reaktionen weitestgehend verhindert werden. Dies trägt zur Entlastung der bei einer Organentnahme involvierten Personen bei. Da die Verabreichung von Anästhetika bis zu einem gewissen Grade ischämieprotektiv wirkt und einer Verletzung der zu entnehmenden Organe vorbeugt, ist sie auch im Interesse des Empfängers. Aus diesen Gründen wird die Verabreichung von Inhalationsanästhetika empfohlen".
In der Schweiz wird nach diesen SAMW-Richtlinien vorgegangen. Das heisst:
- es wird in der Regel keine Vollnarkose durchgeführt. Es werden z.B. keine Sedativa verwendet, was für eine Vollnarkose zwingend erforderlich wäre.
- es werden Substanzen verwendet, welche die spinalen Reflexe und die kardiozirkulatorischen Reaktionen unterdrücken (Fentanyl und Muskelrelaxantien)
- es werden in der Regel volatile Anästhetika eingesetzt, da diese eine organprotektive Wirkung haben. Diese Massnahme wird jedoch (noch?) nicht bei allen Organentnahmen angewandt, da kontrollierte Studien und Untersuchungsergebnisse, die diese Wirkung eindeutig belegen, bisher fehlen.

Fazit: In keinem der Schriften der SAMW, des BAG oder des EDI findet sich auch nur ein Hinweis darauf, dass die Narkose wegen Schmerzen empfohlen wird. Sie wird ausdrücklich empfohlen, um die spinalen Reflexe zu unterbinden.

Anhang

Quellen

Anmerkungen

  1. Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Schmerz#Schmerzleitung heißt es hierzu (Zugriff am 3.3.2014):
    Im Rückenmark kommt es einerseits zu Reflexverschaltungen, die eine Fluchtbewegung auslösen. Dabei ist der Schmerz noch nicht bewusst geworden (zum Beispiel reflexhaftes Zurückziehen der Hand, noch bevor die Berührung der heißen Herdplatte als schmerzhaft empfunden wurde).
  2. Das limbische System (Funktionseinheit des Gehirns) verarbeitet Emotionen und schafft Triebverhalten.
  3. Befindet sich z.B. der Mensch lebensbedrohlich auf der Flucht, nimmt er keinen Kratzer und Wunden wahr. Es geht um sein Überleben. Da spielen die Kratzer und Wunden keine Rolle. Ist er endlich in Sicherheit, fährt das limbische System die Schmerzgrenze wieder nach unten und nimmt zunächst die Wunden und später auch die Kratzer wahr. - Hierzu regt das limbische System über {http://de.wikipedia.org/wiki/Hypophyse Hypophyse] und Hypothalamus die Ausschüttung von körpereigenen Opiate (Endorphine) an. Die ausgeschütteten Endorphine können zwar gemessen werden, aber die genaue Wirkungsweise zum Anheben der Schmerzgrenze ist noch nicht geklärt (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Endorphin#Physiologie).
  4. In D/A/CH gilt der Gesamthirntod als Hirntod, d.h. Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm müssen abgestorben sein. Schmerzempfinden erfolgt jedoch im Großhirn. Dieses ist in D/A/CH tot. Damit ist Schmerzempfinden unmöglich. - In den Ländern mit Hirnstammtod (z.B. USA, Großbritannien, Polen) muss für Hirntod nur der Hirnstamm abgestorben sein. Damit können dort Hirntote noch teilweise funktionierendes Großhirn besitzen. Dieses kann Schmerzen empfinden. Aus diesem Grunde fordern die Ärzte in diesen Ländern für sich, wie auch für alle Organspender, dass man ihnen bei der Organentnahme eine Vollnarkose gibt.
  5. Hierzu ein Zitat aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Adrenalin#Wirkungen Zugriff am 3.3.2014.
    Adrenalin ist ein Stresshormon und schafft als solches die Voraussetzungen für die rasche Bereitstellung von Energiereserven, die in gefährlichen Situationen das Überleben sichern sollen (Kampf oder Flucht).
  6. Prof. Dr. med. Eberhard Götz
    Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anaesthesiologie und Intensivmedizin
    Prof. Dr. med. Falk Oppel
    1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
    Prof. Dr. med. Werner Hacke
    1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe
    Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages
    Prof. Dr. med. Karl-Friedrich Sewing
    Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer
  7. Die Schrift trägt kein Datum, aber auf Seite 3 den Hinweis "Das Universitätsspital Genf (HUG) hat seit Januar 2012 ein Programm ...". Somit muss diese Schrift nach Januar 2012 erstellt worden sein.

Einzelnachweise

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Schmerz#Schmerzleitung Zugriff am 3.3.2014.
  2. http://de.wikipedia.org/wiki/Adrenalin#Wirkungen Zugriff am 3.3.2014.
  3. Robert F. Schmidt, Gerhard Thews (Hg.): Physiologie des Menschen. Berlin 1990, 236f.
  4. http://www.schmerzkreis.net/chronische-schmerzen.html Zugriff am 11.8.2015.
  5. https://www.dasgehirn.info/aktuell/frage-an-das-gehirn/was-passiert-in-unserem-kopf-wenn-wir-schmerzen-haben Zugriff am 1.8.2015.
  6. Helena Dohmann: Schmerzwahrnehmung und Schmerzempfindung bei Progressiver Supranukleärer Blickparese (PSP). Mahrburg 2013. Im Internet unter: http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2013/0132/pdf/dpsp.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  7. Kathrin Riedlinger: Der Zusammenhang zwischen Temporomandibulärer Dysfunktion und Schmerzen im Bewegungssystem. München 2008, 8. Im Internet unter: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/9256/1/Riedlinger_Kathrin.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  8. Bernd-Alexander Gebhard Hock: Die Darstellung von Opiatrezeptoren im menschlichen Gehirn mittels Diprenorphin. München 2006, 18. Im Internet unter: https://mediatum.ub.tum.de/doc/625103/625103.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  9. Siehe: Verena Kollmann-Fakler: Prognosekriterien und Outcome der hypoxischen Hirnschädigung nach Herz-Kreislauf-Stillstand. München 2011, 51. Im Internet unter: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/12629/1/Kollmann_Fakler_Verena.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  10. Dirk Borchers: Diagnostik und konservative Behandlungsstrategien beim chronischen Gesichtsschmerz. Bochum 2002, 16. Im Internet unter: http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/BorchersDirk/diss.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  11. Peyman Hadjar: Retrospektive Studie zur mikrovaskulären Dekompression des Nervus trigeminus bei Patienten über 65 Jahren. Hannover 2009, 3. Im Internet unter: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/DYWQ7XXQFVPC2HA6FCRBJMF3KT3OOAPL/full/1.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  12. Raphaela Cornelia Borowka: Operative Therapie der Trigeminusneuralgie im höheren Lebensalter. Hamburg 2009, 70. Im Internet unter: http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2009/4388/pdf/DoktorarbeitBorowkaR05112009.pdf Zugriff am 8.2.2016.
  13. http://de.wikipedia.org/wiki/Trigeminus#Trigeminusneuralgie Zugriff am 3.3.2014.
  14. Bei ihnen allen erfolgte der Zugriff am 11.8.2015:
  15. Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. Anästhesie. Seite 67.
  16. http://de.wikipedia.org/wiki/Spinalanästhesie#Übersicht_über_das_Verfahren Zugriff am 3.3.2014.
  17. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsche Stiftung Organtransplantation: Kein Weg zurück ..., Seite 24.
  18. Christiane Heck: Inhibition oder Alexithymie? Emotionale Regulation bei chronischem Schmerz - eine Studie zu psychosomatischen Prozessen bei chronischen Schmerzpatienten. Bonn 2007, 13.
  19. http://www.samw.ch/dms/de/Publikationen/Factsheets/d_TxG_Hirntod.pdf Zugriff am 3.3.2014.