Irrige Todesfeststellung

Aus Organspende-Wiki
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Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder zu irrigen Todesfeststellungen.

Beispiele aus Fachliteratur

  1. Beispiel (publiziert in DWM 1919)
    Die 23-jährige Krankenpflegerin Minna Braun erwarb am 27.10. in einer Apotheke Morphium und Veronal, begab sich bei nasskalter Witterung in den Grunewald und nahm in suizidaler Absicht beide Medikamente ein. Am 28.10. wurde sie mit "geringen Lebenszeichen" aufgefunden, stirbt scheinbar auf dem Transport (ins Krankenhaus) und wird in eine Leichenhalle gebracht. Dort stellte der Gemeindephysikus Starre, Leichenblässe, völlige Reflexlosigkeit, Fehlen des Pulses, der Atmung und der Herztöne fest. Aufgeträufelter Siegellack ergab keine Hautreaktion. Der Gemeindephysikus gab als Todesursache "wahrscheinlich an Morphiumvergiftung" an.[Anm. 1] Minna Braun wurde eingesargt. 14 Stunden später stellte ein Kriminalbeamter im Rahmen der Identifizierung des Leichnams nach Öffnung des Sarges fest, dass die "Verstorbene" bläulich gefärbte Wangen aufweist. Auch nahm er leichte Kehlkopfbewegungen wahr. Der erneut hinzugezogener Gemeindephysikus stellt wiederum Fehlen der Atmung und des Pulses fest, hörte jedoch einige dumpfe Herztöne. Minna Braun wurde ins Krankenhaus eingewiesen. Im Krankenhaus war die Patientin leichenblass, starr, bewusstlos, völlig regungslos, Pupillen eng, Atmung und Puls fehlten völlig. Im Verlauf der Behandlung ließ die Steifigkeit der Glieder und des Nackens nach.[Anm. 2][1]
  2. Beispiel: 63-jähriege Frau im Januar
    Eine 63 Jahre alt gewordene Frau wurde im Januar leblos am Flussufer außerhalb des Wassers in Rückenlage gefunden, die Bekleidung war regelrecht, die unbeschuhten Füße am Wasserrand. Der sofort alarmierte Notarzt diagnostizierte einen Herz-Kreislauf-Stillstand und eine Apnoe. Epikritisch stellte er fest: Apnoe, Karotis-Puls nicht tastbar, beginnende Leichenstarre am Unterkiefer, eingeschränkte Beweglichkeit der oberen Extremitäten, weite lichtstarre, entrundete Pupillen, Abbruch der Leichenschau wegen V.a. nicht-natürliche Todesursache, Übergabe an Polizei. Bei der kriminalpolizeilichen Leichenschau in den Räumen eines Bestatters konnte Totenstarre weder im Kiefergelenk noch in den Fingergelenken festgestellt werden, dagegen leichte, unregelmäßige Atembewegungen. Sofortige intensivmedizinische Maßnahmen waren erfolglos. Möglicherweise vorhandene Kältestarre war fälschlich als Totenstarre interpretiert worden, die differenzialdiagnostisch wichtige Prüfung auf das Vorhandensein von Totenflecken war vom Notarzt verpasst worden.[2]
  3. Beispiel: 40-jährige Frau in kalter Jahreszeit
    Eine 40-jährige Frau wurde in der kalten Jahreszeit frühmorgens in einem Park aufgefunden. Der herbeigerufene Notarzt bescheinigte den eingetretenen Tod aufgrund Atmungs-, Puls- und Reflexlosigkeit sowie starker Abkühlung. In der Leichenhalle fiel dann auf, dass die über den Kopf geschlagene Plastikfolie im Gesichtsbereich beschlagen ist. Die daraufhin eingeleitete Reanimation verlief zunächst erfolgreich. - Die Frau hatte in suizidaler Absicht große Mengen Alkohol und Barbiturate eingenommen und sich zum Sterben in den Park gelegt.[3]

Beispiele aus den Medien

Scheintote im 20. Jh.

  • 1964 - John Higgins
    1964 wurde in England der Fall John Higgins gemeldet. Er soll 10 Mal für tot gehalten worden ein. 3 Mal wachte Higgins erst wieder in der Leichenhalle auf. Higgins litt an einer Kriegsverletzung. Es ist offen, ob diese bei der falschen Todesfeststellungen von Bedeutung war.[4]
  • 1966 - Henrietta Landau
    1966 wurde an der 71-jährigen New Yorker Krankenschwester Henrietta Landau der Totenschein ausgefüllt. Im Beerdigungsinstitut kam sie wieder zu sich.[4]
  • 1967 - Jacky Bayne
    Am 26.7.1967 trat der 22-jährige US-Soldat Jacky Bayne im Vietnamkrieg auf eine Mine. Im Lazarett versuchten die Ärzte, ihn am Leben zu halten. Nach 45 Minuten gaben sie auf. Das EKG zeigte keinen Ausschlag. Jacky Bayne kam in die Leichenhalle. Später wollte ihn ein Wärter einbalsamieren und stellte schwache Pulsschläge am Oberschenkel fest. Sofort wurden alle Reanimationsmaßnahmen wieder aufgenommen. Nach 3 Wochen Bewusstlosigkeit kam Jacky Bayne wieder ins Leben zurück. Er trug nur leichte Sprachstörungen davon. Sein zerfetztes rechtes Bein musste hingegen amputiert werden.[4]

Scheintote im 21. Jh.

  • 2010 - Kolumbien: 45-Jährige
    webnews: "Schock für eine Familie in Kolumbien: Ihre vermeintlich verstorbene Angehörige scheint von den Toten erwacht zu sein. Die Frau sollte bestattet werden, nachdem der Arzt keinen Puls mehr festgestellt hatte. Doch während der Beerdigungsvorbereitungen regte sich die 45-Jährige plötzlich wieder."[5]
  • 2013 - Totonto: Baby
    PNP: "Das Wunder geschah in der Leichenhalle des Humber River Hospitals in Toronto im Osten Kanadas. Dort war gerade ein angeblich toter Säugling eingeliefert worden. Zwei Polizisten sollten den leblosen Leib bewachen, bis der Gerichtsmediziner eintrifft.
    Doch dann geschah das Unfassbare: Nach eineinhalb Stunden bewegte sich unter dem Leichentuch etwas. Die Beamten hoben es auf und tasteten den Puls des Babys ab. Zur ihrer Verblüffung spürten sie einen schwachen Herzschlag. Auch die eilig herbeigerufenen Notärzte stellten zweifelsfrei fest: Das von ihnen wenige Stunden zuvor noch für tot erklärte Kind war am Leben."[6]
  • 2014 - Dortmund: Amtsgericht
    Der Westen: "Das Amtsgericht Dortmund teilte Renate Busch mit, dass ihr Onkel gestorben sei. Doch das war ein Irrtum: Denn ihr Onkel Hans-Josef Mrugalski lebt - wie sich die Nordstadt-Bürgerin wenig später beim Besuch im Pflegeheim ihres Onkels überzeugen konnte. Das Schreiben war ein bedauerlicher Fehler, räumt Amtsgerichts-Sprecher Dr. Gerhard Breuer ein."[7]
  • 2015 - Gelsenkirchen: 92-Jährige
    März 2015 stellte in einem Gelsenkirchener Pflegeheim die Pflegefachkraft an einer 92-jährigen Bewohnerin weder Atmung noch Puls fest. Hierauf rief sie einen Arzt, der schließlich den Totenschein ausfüllte. Die 92-Jährige wurde vom Bestatter abgeholt und schlug bei ihm plötzlich die Augen auf. Es war vom Arzt die Leichenschau nicht ordentlich durchgeführt worden. 2 Tage später starb die Oma im Krankenhaus.[8]
    • Bild: "Zwei Tage nach ihrem Scheintod im Seniorenheim ist die Oma (92) aus Gelsenkirchen im Krankenhaus gestorben!"[9]
    • N24: "Scheintote wacht im Kühlraum auf"[10]
    • Scheintote Seniorin im Krankenhaus gestorben[11]
    • ad-hoc-news: "Neue Details zur scheintoten Oma aus Gelsenkirchen"[12]

Waren diese Tote nun tot, weil ein Arzt den Tod assistiert hatte? Waren diese Tote wieder ins Leben zurückgekehrt, weil ...? - Oder hat hier ein Arzt die Todesfeststellung schlampig durchgeführt, sodass er jemand für tot gehalten hat, der/die noch gar nicht tot war?

Beispiele bei Hirntod


Anhang

Anmerkungen

  1. Es bleibt völlig unklar, wie er zu dieser Todesursache kommt. Bei akuter Opiatintoxikation kommt es zur typischen klinischen Trias von Koma, Atemdepression und Miosis: Solange die Pupillen eng sind, ist der Mensch noch nicht verstorben. Erst nach Eintritt einer zerebralen Hypoxie aufgrund der Atemdepression und des sich ausbildenden Lungenödems kommt es zu einer Pupillenerweiterung. Liegt jedoch diese vor, kann aufgrund der Befunde keine Morphiumvergiftung mehr diagnostiziert werden.
  2. Bei Minna Braun lagen zwei typische Ursachen für eine Vita minima und für eine Vita reducta vor: eine Intoxikation mit zentralwirksamen Medikamenten (Morphium und Veronnal) mit Atemdepression und eine vitale allgemeine Unterkühlung. Diese tritt typischerweise bei Körpertemperatureen von 33-30°C auf. Ihre differentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber der Totenstarre wäre eindeutig möglich gewesen, hätte der Arzt sein Augenmerk auf die fehlenden Totenflecken gerichtet.

Einzelnachweise