10 Fakten zum Hirntod

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Sperrfrist bis einschließlich 26. Mai 2017

10 Fakten zum Hirntod

Hirntoten schlägt das Herz, sie sind warm, sie werden künstlich beatmet und künstlich ernährt. Äußerlich unterscheiden sie sich nicht von Komapatienten. Dies macht es so schwer, sie als Tote anzusehen.

Doch neben diesen Fakten werden viele Halb- und Unwahrheiten über den Hirntod (von Medizinern "irreversibler Hirnfunktionsausfall" genannt) verbreitet. Diese 10 Fakten zum Hirntod sollen die 10 schwersten und häufigsten Halb- und Unwahrheiten über Hirntote richtigstellen. Hierbei geht es nicht um die Frage, ob Hirntote Lebende, Sterbende oder Tote sind, sondern um klar überprüfbare Fakten.

  1. Der Hirntod sei 1968 erfunden worden, um für die Organtransplantation die benötigten Organe zu bekommen.
    Im Jahre 1960 – das war 7 Jahre vor der ersten Herztransplantation - veröffentlichten Wertheimer, Rougemont, Jouvet und Descotes in einem Artikel, dass sie eine künstliche Beatmung beendet haben. Als Kriterien für ihr Handeln nannten sie: Nachweis der völligen Areflexie, keine Eigenatmung, das EEG weist eine Nulllinie auf und eine angiographische Darstellung der fehlenden Hirndurchblutung. Diese Untersuchungen sind noch heute die Basis für die Hirntoddiagnostik. Damit trat der Hirntod mit der Beendigung einer sinnlos gewordenen Therapie erstmals an die Öffentlichkeit.
    Die Feststellung des Hirntodes wurde 1960 erstmals zur Beendigung einer sinnlos gewordenen Therapie dokumentiert. Siehe: Chronik/Hirntod
  2. Die Hirntoddiagnostik würde nur durchgeführt, um die Organe entnehmen zu können.
    Die Hirntoddiagnostik dient allein der Abklärung des Zustandes des Patienten. Wenn er nicht hirntot ist, wird entsprechend einer vorliegenden Patientenverfügung verfahren. Wenn Hirntod festgestellt ist, wird die künstliche Beatmung abgeschaltet. Bei gesunden Organen stellt sich die Frage nach einer Organspende: Liegt eine Zustimmung zur Organentnahme vor, um vor Beendigung der Therapie die Organe entnehmen zu können? Der festgestellte Hirntod ist die Voraussetzung für eine Organentnahme, nicht deren Zweck. Bei weniger als der Hälfte der Hirntoten wird eine Organentnahme vorgenommen.
    Die Hirntoddiagnostik dient zur Klärung eines unklaren medizinischen Zustandes.
  3. Die Hirntoddiagnostik sei eine höchst unsichere Diagnostik.
    Wenn man sich an die Richtlinie der Bundesärztekammer hält, erfolgte seit 1982 in Deutschland kein einziger falsch diagnostizierter Hirntod. Seit 30.03.2015 sind für die Durchführung der Hirntoddiagnostik zwei Fachärzte mit „mehrjähriger Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit akuten schweren Hirnschädigungen“ vorgeschrieben, einer von ihnen muss Neurologe oder Neurochirurg sein.
    Der Hirntod gilt als die sicherste Diagnostik der Medizin. Siehe: Sicherheit
  4. Hirntote könnten noch etwas empfinden.
    Voraussetzung für ein Empfinden ist nachweislich ein funktionierendes Gehirn. Da Hirntote kein funktionierendes Gehirn mehr haben, können sie auch nichts empfinden. Bei jeder Hirntoddiagnostik wird der Trigeminus Nerv gereizt und damit ein möglichst großer Schmerzreiz ausgelöst. Dabei zeigte sich bei Hirntoten keine Regung, andernfalls wäre damit der Hirntod widerlegt.
    Hirntote ist alle Fähigkeit der Wahrnehmung erloschen und können daher nichts empfinden.
  5. Hirntote würden noch Schmerzen empfinden.
    Zuweilen wird diese Aussage mit der Tatsache untermauert, dass deswegen in der Schweiz für die Organentnahme eine Narkose vorgeschrieben sei. In der von der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) und von Swisstransplant herausgebrachten Schrift "Organspende und Transplantation" (Januar 2013) heißt es auf Seite 31: „Es wird empfohlen eine Narkose einzuleiten um spinalen Reflexen und Muskelkontraktionen vorzubeugen.“ Keine der Schweizer Schriften gibt an, dass die Narkose wegen vermeintlichen Schmerzen gegeben werden soll. Alle Schweizer Schriften betonen ausdrücklich, dass die Narkose zur Vermeidung der spinalen Reflexe gegeben werden soll.
    Hirntote können keine Schmerzen empfinden. Siehe: Schmerzen
  6. Hirntote seien wieder ins Leben zurückgekommen.
    Die Bücher "Bis auf den Grund des Ozeans", "Als ich unsichtbar war", "So nah bei dir und doch so fern" und "Eine Träne hat mich gerettet" geben an, dass die Verfasser hirntot gewesen wären und wieder ins Leben zurückgekommen seien. Drei von ihnen waren im Locked-in-Syndrom, eine im Bickerstaff-Syndrom. Diese Zustände sind klar vom Hirntod zu trennen. Warum diese Personen dennoch als hirntot angegeben werden, ist unbekannt. - Hirntod bedeutet zunächst ein Absterben der Gehirnzellen und später die Auflösung des Gehirns (Autolyse). Hiervon gibt es kein Zurück.
    Kein Hirntoter kam jemals wieder ins Leben zurück. Siehe: Lebende Hirntote
  7. Bei richtiger Behandlung könnten Hirntote wieder völlig gesund werden.
    Der Neurologe Alan Shewmon veröffentlichte 1998 seine Studie über 175 Hirntote, bei denen nach Feststellung des Hirntodes die intensivmedizinische Behandlung fortgesetzt wurde. Shewmon schreibt selbst, dass es sich hierbei meist um schwangere Hirntote handelte. Bei allen 175 Hirntoten brach nach Wochen bis Monaten – je älter, desto kürzer – der Blutkreislauf zusammen und blieb das Herz stehen. Keiner von ihnen kehrte wieder ins Leben zurück oder wurde gar wieder gesund.
    Kein Hirntoter wurde wieder völlig gesund. Allen blieb nach Wochen oder Monaten das Herz stehen. Siehe: Alan Shewmon
  8. Hirntote hätten nach Beendigung der künstlichen Beatmung noch bis zu 14 Jahren gelebt.
    Bei den o.g. 175 Hirntoten waren die drei längsten Zeiten bis zum Herzstillstand 2,7 und 5,1 und 14,5 Jahre. Hierbei handelte es sich um Neugeborene und Säuglinge. Die 9 Hirntoten mit Zeiten von über 4 Monaten waren jünger als 18 Jahre. Bei allen 17 Hirntoten älter als 30 Jahre versagte der Blutkreislauf innerhalb der ersten 2,5 Monate. Alle 175 Hirntoten wurden bis zum Herzstillstand ununterbrochen künstlich beatmet. Die befristete Wegnahme der künstlichen Beatmung (Apnoe-Test) ist Bestandteil jeder Hirntoddiagnostik. Dabei darf kein Atemreflex zu erkennen sein.
    Alle Hirntoten benötigen dauerhaft künstliche Beatmung. Siehe: Alan Shewmon
  9. Es gibt zahlreiche Formen von Hirntod.
    In den USA, Großbritannien und Polen ist der Hirntod definiert als Hirnstammtod, d.h. der Hirnstamm muss abgestorben sein, nach dem Zustand von Großhirn und Kleinhirn wird nicht gefragt. Es ist hierbei nur eine Frage von Tagen und Wochen, bis der Blutkreislauf zum völligen Stillstand kommt. Es kann jedoch sein, dass diese Hirntoten noch Reste von Bewusstsein und Empfinden haben. - In Deutschland, Österreich und der Schweiz (D/A/CH) müssen Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm für immer ausgefallen sein. Damit sind Bewusstsein und Empfinden ausgeschlossen. - Andere Zustände, wie z.B. Locked-in-Syndrom und Apallisches Syndrom, werden zuweilen dem Hirntod zugeschrieben, sind aber kein Hirntod.
    In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist mit dem Gesamthirntod der Hirntod am umfassendsten definiert. Siehe: Hirntod
  10. Es würden vor allem Motorradfahrer den Hirntod sterben.
    Seit über 10 Jahren sind über die Hälfte der Organspender durch eine massive Gehirnblutung den Hirntod gestorben. Mit je ca. 15% folgen Schädelhirntraumata (Unfall), Stillstand des Blutkreislaufes (z.B. Herzstillstand) und Hirninfarkt als Ursache.
    Über die Hälfte der Organspender starben durch eine Gehirnblutung den Hirntod. Siehe: Ursachen

Weitere Informationen

Chronik des Hirntodes

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Die Entwicklung zum Hirntod hat bis zur Erklärung der Ad-Hoc-Kommission an der Harvard University am 05.08.1968 eine rund 2.500 Jahre lange Entwicklungsgeschichte. Hier werden nur einige wichtigen Stationen genannt. Detaillierter und aktueller sind diese Angaben unter Chronik/Hirntod:

  • Um 500 v.C. sezierte Alkmaion von Kos Tiere und entdeckte, dass das Auge und das Ohr mit dem Gehirn über Nerven verbunden sind. Daraus schloss Alkmaion, dass das Gehirn das Organ der Sinneswahrnehmung sein muss.
  • Um 400 v.C. erklärte Hippokrates von Kos (460-370 v.C.) das Gehirn für Empfindungen und Intelligenz verantwortlich.
  • Um 180 konnte Galen (Galenos) (129-199) an den Kopfverletzungen der Gladiatoren erkennen, dass das Gehirn das zentrale Organ ist. So können Verletzungen am Hinterkopf zur Erblindung führen.
  • Um 1200 erwog Moses Maimonides (1135–1204) erstmals, dass der Verlust von Hirnfunktionen mit dem Tod gleichzusetzen sei. Die krampfhaften Zuckungen von Enthaupteten brachten Maimonides auf den Gedanken, dass sie nicht als Lebenszeichen zu werten seien, da die zentrale Kontrolle des Gehirns fehle.
  • 1664 veröffentlichte Thomas Willis (1621-1675) seine "Cerebri anatome" und erklärte die Großhirnrinde als Sitz des Gedächtnisses, während das Kleinhirn alle unwillkürlichen Funktionen des Nervensystems bewirken sollten.
  • Um 1800 regten François Xavier Bichat (1771-1802) die ersten erfolgreichen Wiederbelebungsversuche zu ausgedehnten anatomischen, histologischen und physiologischen Untersuchungen an. Er grenzte vegetative Grundfunktionen (Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel) als "organisches Leben" von dem Komplex höherer Gehirnleistungen (Bewusstsein, Sinneswahrnehmungen) ab. In Konsequenz dieser Ergebnisse griff er erst viel später entwickelten Erkenntnissen vor und prägte den Begriff "Hirntod".
  • 1894 publizierte Victor Horsley (1857-1916) seinen Artikel "Über den Tod durch cerebrale Kompression und seine Prävention". Darin beschreibt er erstmals Patienten, bei denen der Anstieg des cerebralen Drucks zum Tod durch Ausfall der Atmung führt. Dieser Prozess läuft bei fast allen Hirntoten ab.
  • 1908 führte Ribert aus: "Der physiologische Tod ist ein Gehirntod."
  • 1950-er-Jahre kamen immer mehr Geräte für die künstliche Beatmung auf die Intensivstationen. In den 60er Jahren wurde es Standard. Damit konnte auch bei Hirntoten die ausgefallene Eigenatmung ersetzt werden.
  • In den 1950-er-Jahre entwickelte Vladimir A. Negovskij, der sich auf dem Gebiet der Reanimationsforschung verdient gemacht hatte, das Konzept des „biologischen Todes“, wie er ihn nannte. Dabei ging er davon aus, dass der Mensch als tot anzusehen ist, wenn sein Gehirn nicht mehr arbeitet.
  • 1956 zeigten die Hirnforscher S. Lofstedt und G. Reis in einem Artikel auf, dass die vollständige Zerstörung des Gehirns dem Tod eines Menschen gleichzusetzen sei.
  • 1959 beschrieben Pierre Mollaret (1898-1987) und Maurice Goulon (1919-2008) erstmals unter dem Begriff "Coma depassé" (jenseits/unterhalb des Komas, "überschrittenes Koma") einen Zustand, welcher bei künstlicher Beatmung keinerlei Lebenszeichen des Gehirns erkennen ließ, der nicht umkehrbar war und unweigerlich irgendwann zum Herzstillstand führte. Sie haben dies an 23 Hirntoten festgestellt. Der Begriff „Hirntod“ von Bichat wurde von ihnen nicht aufgegriffen. Die Veröffentlichung regte eine Diskussion um ein neues Todeskriterium an. Der Artikel erschien nur auf Französisch, weswegen er international kaum Beachtung fand.
  • 1960 veröffentlichten Pierre Wertheimer, Rougemont, Michel Jouvet und Descotes in einem Artikel, dass sie eine künstliche Beatmung beendet haben. Als Kriterien für ihr Handeln nannten sie: Nachweis der völligen Areflexie, keine Eigenatmung, das EEG weist eine Nulllinie auf und eine angiographische Darstellung weist keine Hirndurchblutung auf. Diese Untersuchungen sind noch heute die Basis der Hirntoddiagnostik.
  • 1963 wurde in Löwen (Belgien) die weltweit erste Niere aus einem Hirntoten transplantiert.
  • 1964 wurde auf dem Deutschen Chirurgenkongress eine erste einfache Hirntoddiagnostik verabschiedet.
  • Am 10.05.1966 stellte die Kommission der französischen "Académie Nationale de Médicine" das Ergebnis ihrer Arbeit vor: Der irreversible Funktionsverlust des Gehirns wurde als neues Todeskriterium eingeführt.
  • Im April 1968 stellte eine hierfür eingesetzte Kommission der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie das Ergebnis ihrer Arbeit unter dem Titel "Todeszeichen und Todeszeitbestimmung" vor. Nach der französischen medizinischen Akademie bejaht auch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie das Hirntodkonzept. Menschen mit irreversiblem Funktionsverlust des Gehirns werden als Tote angesehen.
  • Am 05.08.1968 schuf eine aus Medizinern, Juristen und Theologen gebildete Ad-Hoc-Kommission an der Harvard University das sogenannte Hirntod-Konzept. Am Anfang dieser Definition steht der Grund:
    "Unser primäres Anliegen ist es, das irreversible Koma als neues Todeskriterium zu definieren. Es gibt zwei Gründe für den Bedarf an einer neuen Definition:
    1. Der medizinische Fortschritt auf den Gebieten der Wiederbelebung und der Unterstützung lebenserhaltender Funktionen hat zu verstärkten Bemühungen geführt, das Leben auch schwerstverletzter Menschen zu retten. Manchmal haben diese Bemühungen nur teilweisen Erfolg: Das Ergebnis sind dann Individuen, deren Herz fortfährt zu schlagen, während ihr Gehirn irreversibel zerstört ist. Eine schwere Last ruht auf den Patienten, die den permanenten Verlust ihres Intellekts erleiden, auf ihren Familien, auf den Krankenhäusern und auf solchen Patienten, die auf von diesen komatösen Patienten belegte Krankenhausbetten angewiesen sind.
    2. Überholte Kriterien für die Definition des Todes können zu Kontroversen bei der Beschaffung von Organen zur Transplantation führen."
  • 1968 verabschiedete der Weltärztebund eine Deklaration zur Definition des Todes: Der Hirntod ist als sicheres Todeszeichen anzuerkennen.

Diese Aufzählung zeigt deutlich auf, dass der Hirntod nicht im Jahr 1968 einfach erfunden wurde, sondern dass er eine rund 2.500 Jahre lange Entwicklung besitzt, die aus unterschiedlichen Richtungen (u.a. Physiologie und Wiederbelebung) gespeist wurde.

Geschichte der Hirntoddiagnostik

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Nach der Veröffentlichung von Pierre Wertheimer in Lyon im Jahr 1960 stellte der Deutsche Chirurgenkongress im Jahr 1964 ein einfaches Diagnoseschema zur Feststellung des Hirntodes vor. Im Jahr 1968 verfasste die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie eine eingehende Beschreibung der Todeszeichen.

Im Jahr 1982 brachte die Bundesärztekammer (BÄK) eine „Entscheidungshilfe zur Feststellung des Hirntodes“ heraus. Sie fußt auf die noch heute gültigen 3 Säulen: Voraussetzungen, klinische Diagnostik und Nachweis der Irreversibilität.

Im Jahr 1986 erfolgte die 1. Fortschreibung dieser „Entscheidungshilfe zur Feststellung des Hirntodes“, im Jahr 1991 erfolgte die 2. Fortschreibung und im Frühjahr 1997 die 3. Fortschreibung. Damit wurde die Entscheidungshilfe immer wieder auf den neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft gebracht.

Im Herbst 1997 wurde das Transplantationsgesetz verabschiedet. Dies machte eine sprachliche Anpassung der Entscheidungshilfe erforderlich. In diesem Zuge wurde aus der Entscheidungshilfe eine „Richtlinie zur Feststellung des Hirntodes“, die 1998 veröffentlicht wurde. Damit wurde sie für alle untersuchenden Ärzte bindend.

Die im Jahr 2012 bekanntgewordenen Skandale bei der Zuteilung der Organe riefen nach Veränderung, auch bei der Ausarbeitung der „Richtlinie zur Feststellung des Hirntodes“. So aktualisierte die BÄK die Richtlinie und gab sie am 30.01.2015 an das Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung ab. Diese setzte am 30.03.2015 die neue Richtlinie in Kraft. Von bislang 8 Seiten wuchs die neue Richtlinie auf 31 Seiten an. Dabei wurden genannt die 167 berücksichtigten Bücher, die 16 medizinischen Gesellschaften, die bestätigen, dass die neue Richtlinie dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht, und 69 Gesellschaften, Ärztekammern und andere Verbände, die zu dieser Novellierung angefragt wurden. Neben der Anpassung auf den neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft wurden die Anforderungen an die untersuchenden Ärzte erhöht. Seither müssen die beiden untersuchenden Ärzte nicht nur „über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit akuten schweren Hirnschädigungen verfügen“, sondern beide müssen Fachärzte sein, einer von ihnen muss ein Neurologe oder Neurochirurg sein. Damit wird von den untersuchenden Ärzte ein Höchstmaß an Qualifikation gefordert und somit die Sicherheit der Hirntoddiagnostik gewährleistet.

Durchführung der Hirntoddiagnostik

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Die Hirntoddiagnostik basiert auf 3 Säulen: Voraussetzungen, klinische Diagnostik und Nachweis der Irreversibilität. Diese 3 Säulen wurden bereits im Jahre 1982 grundgelegt. Sie sind internationaler Standard der Hirntoddiagnostik, so auch in den beiden Nachbarländern Österreich und der Schweiz.

Voraussetzungen

Bevor mit einer Hirntoddiagnostik überhaupt begonnen werden darf, müssen die Voraussetzungen sichergestellt sein: Es muss sich eindeutig um eine schwere Hirnschädigung handeln und es dürfen keine anderen Ursachen vorliegen, die auch Ausfallsymptome des Gehirns aufzeigen könnten, als die da sind: Intoxikation (Vergiftung), dämpfende Medikamente, Relaxation, primäre oder therapeutische Hypothermie (Unterkühlung des ganzen Körpers), Kreislaufschock, metabolischer oder endokrines Koma. Daneben muss auch geklärt sein, ob es sich hierbei um eine primäre oder sekundäre Hirnschädigung handelt. Eine typische sekundäre Hirnschädigung entsteht durch einen längeren Stillstand des Herzens. Alle anderen zum Hirntod führenden Ursachen sind primäre Hirnschädigungen. Hierbei ist noch zu unterscheiden, ob diese supratentoriell oder infratentoriell ist, also oberhalb oder unterhalb des Tentoriums liegt, einer Haut, die Hirnstamm und Kleinhirn vom Großhirn trennt. Erst wenn alle diese Fragen geklärt sind und andere Ursachen ausgeschlossen werden, kann mit der klinischen Diagnostik begonnen werden.

Klinische Diagnostik

Die klinische Diagnostik überprüft den Ausfall der Hirnfunktionen. Sie beginnt mit den einfachen Tests und geht schrittweise zu den immer schwerwiegenderen Tests. Wird bei einem dieser Untersuchungen eine Reaktion festgestellt, ist damit die Annahme vom Hirntod widerlegt und die Hirntoddiagnostik wird abgebrochen. Damit ist sichergestellt, dass kein Patient mehr als vermeidbar belastet wird.

Trifft das Auge viel Licht, zieht sich die Pupille reflexartig zusammen. Bei wenig Licht öffnet sich die Pupille. Bei Hirntoten ist dieser Reflex erloschen. Wird der Kopf rasch zur Seite gedreht, bewegen sich die Augen reflexartig in entgegengesetzer Richtung. Bei Hirntoten ist dieser Reflex erloschen. Wird der Augapfel mechanisch berührt, schließt sich reflexartig das Augenlid. Bei Hirntoten ist dieser Reflex erloschen. Bei Schmerzen verziehen wir reflexartig unser Gesicht. Mit der Reizung des Trigeminus wird ein größtmöglicher Schmerzreiz ausgelöst. Hirntote zeigen hierbei keine Regung. Ihnen ist auch dieser Reflex erloschen. Wenn uns der Gaumengrund mechanisch gereizt wird, löst dies einen Würgereflex aus. Bei Hirntoten ist dieser Reflex erloschen. Schließlich wird der Patient von der künstlichen Beatmung getrennt und der Anstieg des CO2 im Blut gemessen. Wenn bis zu einem CO2-Wert von mindestens 60 mm Hg kein Anzeichen einer Atmung zu erkennen ist, ist auch der Atemreflex erloschen. Der Patient wird dann wieder an die künstliche Beatmung angeschlossen. Damit ist der Nachweis erbracht, dass die Hirnreflexe erloschen sind.

Bei einer infratentoriellen Hirnschädigung und bei Kindern unter 2 Jahren ist eine ergänzende Untersuchung vorgeschrieben. Diese erfolgt durch ein bildgebendes Verfahren für den Nachweis von:

  • hirnelektrische Stille durch ein 30-minütiges-Nulllinien-EEG
  • Erlöschen der Hirnstammpotenziale durch somatosensibel evozierte Potentiale (SEP) oder frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP)
  • Kreislaufstillstand der Hirndurchblutung durch Doppler-/Duplexsonographie (Ultraschall), Perfusionsszintigraphie, CT-Angiographie
Nachweis der Irreversibilität

Der Nachweis der Irreversibilität kann über die Beobachtungszeit oder durch eine ergänzende Untersuchung erfolgen. Damit ist nachgewiesen, dass der mit der klinischen Diagnostik festgestellte Zustand nicht vorübergehend ist, was eine Besserung des Zustandes ermöglichen würde, sondern dass dieser Zustand dauerhaft ist. Eine Besserung des Zustandes ist damit ausgeschlossen.

  1. Beobachtungszeit:
    bei Kindern ab dem 3. Lebensjahr und Erwachsenen ist bei primärer supratentorieller Hirnschädigung nach mind. 12 Stunden, bei sekundärer Hirnschädigung nach mind. 72 Stunden die klinische Diagnostik von 2 Fachärzten zu wiederholen. Bei primärer infratentorieller Hirnschädigung ist eine ergänzende Untersuchung vorgeschrieben: EEG, Doppler-/ Duplexsonographie, Perfusionsszintigraphie, CT-Angiographie.
  2. ergänzende Untersuchungen:
    hirnelektrische Stille durch EEG, keine Hirnstammpotenziale durch SEP oder FAEP, intrakranieller Kreislaufstillstand durch Doppler-/Duplexsonographie, Perfusionsszintigraphie, CT-Angiographie.

Konnten bei der Wiederholung der klinischen Diagnostik wieder keine Hirnstammreflexe und/oder keine hirnelektrische Aktivität, keine Hirnstammpotentiale oder keine Durchblutung des Gehirns festgestellt werden, ist damit der Hirntod und damit der Tod des Menschen festgestellt. Datum und Uhrzeit des Abschlusses der Hirntoddiagnostik werden auf dem Totenschein eingetragen. Ab diesem Zeitpunkt zahlt die Krankenkasse keine weitere Behandlung mehr. Als Nachweis des Hirntodes müssen mindestens 4 Kontrollbogen (von 2 Fachärzten je 2 Kontrollbogen) oder 2 Kontrollbogen (von 2 Fachärzten je 1 Kontrollbogen) und ein Papier der ergänzenden Untersuchung vorliegen.

Pathophysiologische Entwicklung zum Hirntod

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Die zum Hirntod führende pathophysiologische Entwicklung erfolgt in diesen Schritten:

  1. Die zum Hirntod führende Ursache ist so schwerwiegend, dass die Gehirnzellen zu wenig Sauerstoff bekommen. Dadurch schwellen die Gehirnzellen ballonartig an, was zu einer Hirnschwellung führt.
  2. Die Hirnschwellung lässt den Hirndruck bis zum Wert des Blutdruckes ansteigen, zuweilen auch darüber hinaus. Damit ist keine Durchblutung des Gehirns mehr möglich und die Gehirnzellen sterben ab.
  3. Die prallen Gehirnzellen platzen nach etlichen Stunden auf. Damit löst sich das Gehirn selbst auf (Autolyse).

Somit ist die physiologische Grundlage für alles zerstört, was unser Gehirn leistet. Es sind Wahrnehmung, Bewusstsein, Wissen, Können, Erinnern, Gefühle und lebenswichtige und lebensschützende Reflexe für immer erloschen, die Homöostase (Selbstregulierung des Körpers) ist dauerhaft schwer gestört.

Was Hirntote aus diesem Zustand herausbringen könnte, wäre ein neues Gehirn. Wäre die Medizin in der Lage, dem Hirntoten ein neues Gehirn einzusetzen, befände sich der Mensch in dem Zustand eines Neugeborenen, denn alles, was er erlebt und erlernt hat, ging mit dem Hirntod verloren. Den Menschen mit seinem Wissen, Können und Erinnern gibt es seit Eintritt des Hirntodes nicht mehr. Aus diesem Grunde sind Hirntote medizinisch und juristisch Tote.

Damit ist auch klar, dass die Hirntoddiagnostik keine Prognose stellt, sondern einen bereits eingetretenen Zustand feststellt, den Tod der Gehirnzellen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm.

So grenzt sich der Hirntod pathophysiologisch deutlich von anderen Zuständen ab, die zuweilen in fälschlicher Weise mit dem Hirntod gleichgesetzt werden. Hierzu sollen die beiden am häufigsten genannten Zustände genannt werden, die kein Hirntod sind:

  • Locked-in-Syndrom
    Menschen im Locked-in-Syndrom können zwar (alles) wahrnehmen, besitzen Bewusstsein, können sich jedoch nicht bewegen, mitunter nur sehr eingegrenzt. So konnte der französische Journalist Jean-Dominique Bauby nur mit einem Auge blinzeln. In diesem Zustand tippte er das ergreifende Buch „Schmetterling und Taucherglocke“. Kurz nach Erscheinen des Buches starb Bauby. Menschen im Locked-in-Syndrom unterscheiden sich von Hirntoten durch die normale Durchblutung des Gehirns und durch ein normales EEG.
  • Apallisches Syndrom
    Menschen im apallischen Syndrom weisen schwere bis schwerste neurologische Schäden auf, aber bei ihnen ist noch mindestens ein Hirnstammreflex vorhanden. Damit sind sie keine Hirntoten.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass durch die unterschiedliche Definition von Hirntod ein Hirntoter der USA, Großbritanniens oder Polens (Hirnstammtod) unter Umständen in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Komapatient gilt, jedoch alle Hirntoten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz (Gesamthirntod) in allen anderen Nationen auch als Hirntote gelten.

Nach Feststellung des Hirntodes

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Nach Feststellung des Hirntodes bestehen 3 Möglichkeiten: 1.Die künstliche Beatmung wird abgeschaltet und der Herzstillstand abgewartet 2.Bei einer Zustimmung zur Organentnahme wird der Hirntote auf diese vorbereitet; zum Herzstillstand kommt es bei der Organentnahme. 3.Bei vorliegender Schwangerschaft wird bis zur Geburt des Kindes der Körper der Hirntoten intensivmedizinisch weiterversorgt und versucht, den Blutkreislauf der Hirntoten aufrecht zu erhalten. Nach der Feststellung des Hirntodes gibt es keine andere Möglichkeiten.

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise