Altruismus der Tiere

Aus Organspende-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt

Peter Kropotkin: Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt. Leipzig 1908.

"selbst an den wenigen Orten,, wo das Tierleben üppig gedieh, konnte ich, obwohl ich emsig darauf achtete, nicht jenen erbitterten Kampf um die Existenzmittel zwischen Tieren, die zur gleichen Art gehören, entdecken. Und es war dieser Kampf, der seitens der meisten Darwinisten - keinesweges aber ständig von Darwin selbst - als das typische Kennzeichen des Kampfes ums Dasein und als der Hauptfaktor der Entwicklung betrachtet wurde." (III)

"Auf der anderen Seite, wo ich auch immer das Tierleben in reicher Fülle auf engem Raum beobachtete, wie z.B. auf den Seen, wo unzählige Arten und Millionen von Individuen zusammenkamen, um ihre Nachkommenschaft aufzuziehen; wie in den Kolonien der Nagetiere; wie bei den Wanderungen von Vögeln, die zu jener Zeit in wahrhaft amerikanischem Maßstabe dem Usuri entlang erfolgten; wie namentlich bei einer Wanderung von Damhirschen, die ich am Amur beobachten konnte und während deren Tausende dieser intelligenten Tiere von einem unermeßlichen Gebiete sich sammelten, um dem drohenden Schnee zu entfliehen und den Amur an seiner schmalsten Stelle zu überschreiten - in all diesen Szenen des Tierlebens, die sich vor meinen Augen absprielten, sah ich gegenseitige Hilfe und gegenseitige Unterstützung sich in einem Maße betätigen, daß ich in ihnen einen Faktor von größter Wichtigkeit für die Erhaltung des Lebens und jeder Spezies, sowie ihrer Fortentwicklung zu ahnen begann." (IV)

Im Januar 1880 hielt Professor Keßler auf einem russischen Naturforscherkongress den Vortrag "Über das Gesetz der gegenseitigen Hilfe". Darin vertrat er die Ansicht, dass neben dem Gesetz des gegenseitigen Kampfes in der Natur auch das Gesetz der gegenseitigen Hilfe existiere und dieses für den Erfolg des Kampfes ums Leben und speziell für die fortschreitende Entwicklung der Arten bei weitem wichtiger sei als das Gesetz des gegenseitigen Streitens. (V)

Keßler erschien das "Elterngefühl" und die Sorge um die Nachkommenschaft als die Quelle der gegenseitigen Neigungen bei Tieren. Peter Kropotkin führte an, dass Beobachtungen fehlen um sicher sagen zu können, ob diese gegenseitige Hilfe dem Elterngefühl oder auf rein sozialen Trieb zurückzuführen ist. "Dieser hat offenbar seinen Ursprung in den frühesten Stadien der Entwicklung der Tierwelt, vielleicht schon im Stadium der 'Koloniebildung'. Ich richtete also mein Hauptaugenmerk darauf, vor allem die Bedeutung der gegenseitigen Hilfe als Entwicklungsfaktor nachzuweisen und überlasse es späterer Forschung, den Ursprung des Instinkts der gegenseitigen Hilfe aufzuklären." (VI)

Im Jahr 1827 erzählte Eckermann Goethe, dass ihm zwei kleine, flügge gewordene Zaunkönige davongeflogen seien und dass er sie am nächsten Tag im Nest eines Rotkehlchens gefunden habe, das die beiden mit seinen eigenen Jungen zusammen fütterte. Goethe regte hierauf Eckermann zu einer Spezialstudie an sagte: "Wäre es wirklich, daß dieses Füttern eines Fremden als etwas Allgemeingesetzliches durch die Natur ginge, so wären damit manches Rätsel gelöst." (VI)

"Es ist nicht Liebe zu meinem Nachbarn - den ich vielfach gar nicht kenne -, was mich treibt, den Wassereimer zu ergreifen und nach seinem brennenden Hause zu eilen; was mich treibt ist ein viel weiteres, wann auch unklares Gefühl, es ist ein menschlicher Solidaritäts- und Sozialtrieb. Ebenso ist es bei den Tieren. Es ist nicht Liebe oder etwa Sympathie (im eigentlichen Sinne), was eine Herde von Wiederkäuern oder Pferden einen Ring schließen läßt, um dem Angriff von Wölfen zu widerstehen, nicht Liebe, was die Wölfe sich zu Jagdzwecken zusammenrotten läßt, nicht Liebe, was Kätzchen oder Lämmer zum Spiel treibt oder ein Dutzend verschiedener Arten von Vögeln die Tage im Herbst gemeinschaftlich verleben heißt, und es ist weder Liebe noch persönliche Sympathie, was viele Tausende, über ein Gebiet von der Größe Frankreichs zerstreut lebende Damhirsche treibt, zahlreiche getrennte Herden zu bilden, die alle einem bestimmten Orte zueilen, um dort gemeinschaftlich den Fluß zu überschreiten. Es ist ein Gefühl, unendlich weiter als Liebe und persönliche Sympathie - ein Instinkt, der sich langsam bei Tieren und Menschen im Verlaufe einer außerordentlich langen Entwicklung ausgebildet hat und der Menschen und Tiere gelehrt hat, welche Stärke sie duch die Betätigung gegenseitiger Hilre gewinnen und welche Freuden sie im sozialen Leben finden können." (VIII)

Peter Kropotkin verweist in seinem Buch "Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt" (1908) auf seine zuvor erschienenen Artikel "Gegenseitige Hilfe bei den Tieren" (September und November 1890), "Gegenseitige Hilfe bei den Wilden" (April 1891), "Gegenseitige Hilfe bei den Barbaren" (Januar 1892), "Gegenseitige Hilfe in der Stadt des Mittelalters" (August und September 1894), "Gegenseitige Hilfe bei den Menschen unserer Zeit" (Januar und Juni 1896). (XII f)

In Verkennung zu Darwins Lehre entwickelte sich die Sicht vom Kampf ums Überleben. "Sie gelangten schließlich dazu, sich das Reich der Tiere als eine Welt fortwährenden Kampfes zwischen halbverhungerten Individuen vorzustellen, jedes nach des anderen Blut dürstend. Die moderne Literatur widerhallte von dem Kriegsruf: 'Wehe den Besiegten!' als ob das das letzte Wort moderner Biologie wäre. Sie erhoben den 'erbarmungslosen' Kampf um persönliche Vorteile zu der Höhe eines biologischen Prinzips, dem der Mensch sich ebenfalls unterwerfen müsse, aus Gefahr, andernfalls in einer Welt, die sich auf gegenseitige Vernichtung gründete, zu unterliegen." (3)

Um 1900 herrschte die Auffassung, dass "der Hobbesche Krieg aller gegen alle der normale Daseinszustand" sei. (4)

"Sobald wir die Tiere zu unserem Studium machen, nicht nur in Laboratorien und Museen, sondern in Wäldern und Prärien, in den Steppen und im Gebirge, bemerken wir sofort, daß trotz ungeheurer Vernichtungskriege zwischen den Arten und besonders zwischen den verschiedenen Klassen der Tiere, zugleich in ebenso hohem Maße, ja vielleicht noch mehr, gegenseitige Unterstützung, gegenseitige Hilfe und gegenseitige Verteidigung unter Tieren, die zu derselben Art oder wenigstens zur selben Gesellschaft gehören, zu finden ist." (5)

"Wenn wir die zahllosen Tatsachen, womit diese Ansicht gestützt werden könnte, in Betracht ziehen, so können wir ruhig sagen, daß gegenseitige Hilfe ebenso ein Gesetz in der Tierwelt ist als gegenseitiger Kampf". (5)

"Der erste unter den wissenschaftlichen Nachfolgern Darwins, der, soviel ich weiß, die ganze Tragweite der gegenseitigen Hilfe als eines Naturgesetzes und Hauptfaktor der Entwicklung begriff, war ein wohlbekannter russischer Zoologe, der verstorbene Dekan der Petersburger Universität, Prof. Keßler. Er stellte seine Ideen in einer Rede dar, die er auf einem Kongreß russischer Naturforscher im Jahre 1880, wenige Monate vor seinem Tode, hielt. Aber wie so manches Gute, das in russischer Sprache veröffentlicht wird, blieb diese merkwürdige Rede fast gänzlich unbekannt." (6)



[1]


Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Peter Kropotkin: Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt. Leipzig 1908,