Hirndurchblutung: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Bedeutung der Hirndurchblutunng ===
Das Gehirn muss ständig durchblutet werden, damit es keinen Schaden nimmt. Dies wird daran deutlich, dass unser Gehirn mit einem Gewicht von 1500 g bei eine Körpergewicht von 75 kg nur etwa 2% der Körpermasse ausmacht. Dennoch benötigt es ca. 15% des  zirkulierenden  Herzzeitvolumens und ca. 20% des Gesamtsauerstoffbedarfs. Die  Höhe  des  zerebralen  Blutflusses,  der  einen  Normalwert  von  50-60  ml/min  pro  100  g Hirngewebe  hat,  bestimmt  die  Hirnfunktion. Ein Absinken der Hirndurchblutung hat gravierende Auswirkungen auf unser Gehirn:<ref>Benedikt  Walter  Burkhardt: Stellenwert  der  apparativen  Zusatzuntersuchungen  im  Rahmen  der Hirntoddiagnostik. Eine  retrospektive  Analyse  an  der  Universitätsmedizin  Mainz  und  der Region  Mitte  der  Deutschen  Stiftung  Organtransplantation. (med. Diss.) Mainz 2012, 5.</ref>
* ab 40 ml/min wird  der  zur  Aufrechterhaltung  der  Gesamthirnfunktion  benötigte  Sauerstoff  aufgrund  der  Mangeldurchblutung  nicht  mehr  bereitgestellt.
* ab 25  ml/min,  treten  Verwirrtheitszustände,  Bewusstseinsstörungen und  Verlangsamung  der  EEG-Aktivität  auf.
* ab 20  ml/min  sind  evozierte  Potentiale  nicht  mehr  ableitbar.
* ab 15 ml/min treten Koma  und  fehlende  EEG-Aktivität auf,  hierbei  wird  die  kritische  Grenze  des  Strukturstoffwechsels  unterschritten. 
* ab 8 ml/min tritt  die irreversible  Strukturschädigung  ein. D.h. die Gehirnzellen sterben ab.


=== Geschichtliches ===
Bereits 1887 hatten Hayem und Barrier versucht, die Halsschlagader eines Hundes mit Blut von einem Pferd zu perfundieren. Von 1935-1937 führte Crafoord experimentelle Arbeiten durch. Arterielles Blut von einem Spendertier der gleichen Art durchdrang das Gehirn durch die Halsschlagader des Versuchstieres, bei dem der Kreislauf durch Einklemmen der Aorta, der Lungenarterie und der oberen Cava für 18 min gestoppt wurde. Nach 21 Misserfolgen, oft aus technischen Gründen, gelang es ihm schließlich, und ein Hund überlebte die Operation 6 Monate lang in gutem Zustand und ohne Anzeichen von Hirnschäden, wie die Autopsie zeigte. Die Schlussfolgerung lautete: "Folglich ist die Todesursache bei der Behinderung der Lungenembolie die Einstellung des Blutflusses zum Gehirn und sonst nichts". Crafoord begann 1954 in Stockholm mit der Herzoperation mit kardiopulmonalem Bypass ([[CPB]]), nur ein Jahr nach der ersten Operation, die 1953 von Gibbon in den USA durchgeführt wurde. In den ersten 3 Jahren in Schweden wurden 22 Patienten operiert und die Mortalität war hoch, fast 50%. In dieser frühen Phase konnten einige Patienten den Blutdruck und das Herzzeitvolumen nach der [[CPB]] trotz langer Unterstützungszeiten mit vollständigem oder partiellem Bypass nicht aufrechterhalten. Aortengegenpulsation, Hilfsgeräte, [[ECMO]] und auch viele der heute verwendeten Medikamente waren nicht verfügbar. Als [[CPB]] schließlich im Operationssaal gestoppt wurde, wurde die Zeit in die Patientenakte eingetragen und dieser Moment als Todeszeitpunkt betrachtet. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Anästhesist beobachten, dass der Patient kleine Pupillen hatte, die normal auf Licht reagierten. Kurz nachdem die extrakorporale Zirkulation gestoppt wurde, änderte sich das Bild, die Pupillen wurden erweitert und zeigten keine Reaktion auf Licht. Dies geschah zum ersten Mal 1954 und war die Einführung und erste Umsetzung des Hirntodes in Schweden. Der Tod soll weder bei Atemstillstand vor der endotrachealen Intubation noch bei Herzstillstand zu Beginn der [[CPB]] eingetreten sein, sondern viele Stunden später, als die Durchblutung des Gehirns gestoppt wurde, was zu irreversiblen Hirnschäden führte. Diese Einführung des Konzepts des Hirntodes in der Herzchirurgie in die klinische Praxis war völlig unbeabsichtigt und wurde in den Publikationen, die die ersten Erfahrungen mit [[CPB]] beschreiben, nicht erwähnt.<ref name="Settergren">G. Settergren: Brain death: an important paradigm shift in the 20th century. In: Acta Anaesthesiologica ScandinavicaVolume 47, Issue 9. Nach: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1034/j.1399-6576.2003.00227.x Zugriff am 22.07.2019.</ref>


Die Vorstellung und das Wissen der Hirndurchblutung 1962:
"Grundsätzlich unterliegt die Durchblutung des Gehirns nicht den in der Peripherie wirksamen Gefäßregulationen. Eine lokale Durchblutungsstörung im Bereichc des Stato-Akustikuskerns wird als Ursache des Menière-Anfalls angesehen. Der Migräneanfall ist vermutlich auf Tonusschwankungen der Gefäße mit aktiver Vasodilatation zurückzuführen. Unmittelbar über die Gewebsatmung zu verstehen sind die Vorgänge beim hypoglykämischen Anfall, während weder im Schlaganfall noch im affektiven Tonusverlust der Narkolepsie Durchblutungs- oder Atmungsstörungen nachgewiesen werden können. Eine ferngesteuerte Vasokonstriktion der Hirngefäße wird nach neueren Untersuchungen immer unwahrscheinlicher. Es ist eine der Schutzeinrichtungen der Hirndurchblutung im Dienst der ausreichenden Sauerstoffversorgung des Gehirns, daß  das zerebrale Gefäßgebiet aus der nervalen Regulationen ausgenommen ist."<ref>Med. Klinik 57,1 (1962), 1035.</ref>


=== Nicht-Durchblutung bei Hirntoten ===


Bereits 1887 hatten Hayem und Barrier versucht, die Halsschlagader eines Hundes mit Blut von einem Pferd zu perfundieren. Von 1935-1937 führte Crafoord experimentelle Arbeiten durch. Arterielles Blut von einem Spendertier der gleichen Art durchdrang das Gehirn durch die Halsschlagader des Versuchstieres, bei dem der Kreislauf durch Einklemmen der Aorta, der Lungenarterie und der oberen Cava für 18 min gestoppt wurde. Nach 21 Misserfolgen, oft aus technischen Gründen, gelang es ihm schließlich, und ein Hund überlebte die Operation 6 Monate lang in gutem Zustand und ohne Anzeichen von Hirnschäden, wie die Autopsie zeigte. Die Schlussfolgerung lautete: "Folglich ist die Todesursache bei der Behinderung der Lungenembolie die Einstellung des Blutflusses zum Gehirn und sonst nichts". Crafoord begann 1954 in Stockholm mit der Herzoperation mit kardiopulmonalem Bypass (CPB), nur ein Jahr nach der ersten Operation, die 1953 von Gibbon in den USA durchgeführt wurde. In den ersten 3 Jahren in Schweden wurden 22 Patienten operiert und die Mortalität war hoch, fast 50%. In dieser frühen Phase konnten einige Patienten den Blutdruck und das Herzzeitvolumen nach der CPB trotz langer Unterstützungszeiten mit vollständigem oder partiellem Bypass nicht aufrechterhalten. Aortengegenpulsation, Hilfsgeräte, [[ECMO]] und auch viele der heute verwendeten Medikamente waren nicht verfügbar. Als CPB schließlich im Operationssaal gestoppt wurde, wurde die Zeit in die Patientenakte eingetragen und dieser Moment als Todeszeitpunkt betrachtet. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Anästhesist beobachten, dass der Patient kleine Pupillen hatte, die normal auf Licht reagierten. Kurz nachdem die extrakorporale Zirkulation gestoppt wurde, änderte sich das Bild, die Pupillen wurden erweitert und zeigten keine Reaktion auf Licht. Dies geschah zum ersten Mal 1954 und war die Einführung und erste Umsetzung des Hirntodes in Schweden. Der Tod soll weder bei Atemstillstand vor der endotrachealen Intubation noch bei Herzstillstand zu Beginn der CPB eingetreten sein, sondern viele Stunden später, als die Durchblutung des Gehirns gestoppt wurde, was zu irreversiblen Hirnschäden führte. Diese Einführung des Konzepts des Hirntodes in der Herzchirurgie in die klinische Praxis war völlig unbeabsichtigt und wurde in den Publikationen, die die ersten Erfahrungen mit CPB beschreiben, nicht erwähnt.<ref name="Settergren">G. Settergren: Brain death: an important paradigm shift in the 20th century. In: Acta Anaesthesiologica ScandinavicaVolume 47, Issue 9. Nach: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1034/j.1399-6576.2003.00227.x Zugriff am 22.07.2019.</ref>
{{Zitat|Nach GROS et al. (1959) entspricht der [[Hirntod]] einem Zustand nach Eintreten eines ausschließlich intrakraniellen Zirkulationsstillstandes, wobei beide Gefäßsystem (Stromgebiete der Carotiden und Vertebralarterien) betroffen sind. Hierbei kann es jedoch zu einer Zeitdifferenz zwischen supratentoriellem und verspätetem infratentoriellem Zirkulaltionsstopp kommen (HEISKANEN 1964). Als mögliche Ursache für die Zeitdifferenz diskutiert HEISKANEN (1964) einen unterschiedlichen Kompressionsgrad beider Gefäßsysteme.<ref>Annette Hoenes: Morphometrische Untersuchungen intracerebraler Gefäße der Medulla oblongata beim Hirntod. (med. Diss.) Köln 1989, 35.</ref>}}





Aktuelle Version vom 21. Januar 2024, 20:28 Uhr

Bedeutung der Hirndurchblutunng

Das Gehirn muss ständig durchblutet werden, damit es keinen Schaden nimmt. Dies wird daran deutlich, dass unser Gehirn mit einem Gewicht von 1500 g bei eine Körpergewicht von 75 kg nur etwa 2% der Körpermasse ausmacht. Dennoch benötigt es ca. 15% des zirkulierenden Herzzeitvolumens und ca. 20% des Gesamtsauerstoffbedarfs. Die Höhe des zerebralen Blutflusses, der einen Normalwert von 50-60 ml/min pro 100 g Hirngewebe hat, bestimmt die Hirnfunktion. Ein Absinken der Hirndurchblutung hat gravierende Auswirkungen auf unser Gehirn:[1]

  • ab 40 ml/min wird der zur Aufrechterhaltung der Gesamthirnfunktion benötigte Sauerstoff aufgrund der Mangeldurchblutung nicht mehr bereitgestellt.
  • ab 25 ml/min, treten Verwirrtheitszustände, Bewusstseinsstörungen und Verlangsamung der EEG-Aktivität auf.
  • ab 20 ml/min sind evozierte Potentiale nicht mehr ableitbar.
  • ab 15 ml/min treten Koma und fehlende EEG-Aktivität auf, hierbei wird die kritische Grenze des Strukturstoffwechsels unterschritten.
  • ab 8 ml/min tritt die irreversible Strukturschädigung ein. D.h. die Gehirnzellen sterben ab.

Geschichtliches

Bereits 1887 hatten Hayem und Barrier versucht, die Halsschlagader eines Hundes mit Blut von einem Pferd zu perfundieren. Von 1935-1937 führte Crafoord experimentelle Arbeiten durch. Arterielles Blut von einem Spendertier der gleichen Art durchdrang das Gehirn durch die Halsschlagader des Versuchstieres, bei dem der Kreislauf durch Einklemmen der Aorta, der Lungenarterie und der oberen Cava für 18 min gestoppt wurde. Nach 21 Misserfolgen, oft aus technischen Gründen, gelang es ihm schließlich, und ein Hund überlebte die Operation 6 Monate lang in gutem Zustand und ohne Anzeichen von Hirnschäden, wie die Autopsie zeigte. Die Schlussfolgerung lautete: "Folglich ist die Todesursache bei der Behinderung der Lungenembolie die Einstellung des Blutflusses zum Gehirn und sonst nichts". Crafoord begann 1954 in Stockholm mit der Herzoperation mit kardiopulmonalem Bypass (CPB), nur ein Jahr nach der ersten Operation, die 1953 von Gibbon in den USA durchgeführt wurde. In den ersten 3 Jahren in Schweden wurden 22 Patienten operiert und die Mortalität war hoch, fast 50%. In dieser frühen Phase konnten einige Patienten den Blutdruck und das Herzzeitvolumen nach der CPB trotz langer Unterstützungszeiten mit vollständigem oder partiellem Bypass nicht aufrechterhalten. Aortengegenpulsation, Hilfsgeräte, ECMO und auch viele der heute verwendeten Medikamente waren nicht verfügbar. Als CPB schließlich im Operationssaal gestoppt wurde, wurde die Zeit in die Patientenakte eingetragen und dieser Moment als Todeszeitpunkt betrachtet. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Anästhesist beobachten, dass der Patient kleine Pupillen hatte, die normal auf Licht reagierten. Kurz nachdem die extrakorporale Zirkulation gestoppt wurde, änderte sich das Bild, die Pupillen wurden erweitert und zeigten keine Reaktion auf Licht. Dies geschah zum ersten Mal 1954 und war die Einführung und erste Umsetzung des Hirntodes in Schweden. Der Tod soll weder bei Atemstillstand vor der endotrachealen Intubation noch bei Herzstillstand zu Beginn der CPB eingetreten sein, sondern viele Stunden später, als die Durchblutung des Gehirns gestoppt wurde, was zu irreversiblen Hirnschäden führte. Diese Einführung des Konzepts des Hirntodes in der Herzchirurgie in die klinische Praxis war völlig unbeabsichtigt und wurde in den Publikationen, die die ersten Erfahrungen mit CPB beschreiben, nicht erwähnt.[2]

Die Vorstellung und das Wissen der Hirndurchblutung 1962: "Grundsätzlich unterliegt die Durchblutung des Gehirns nicht den in der Peripherie wirksamen Gefäßregulationen. Eine lokale Durchblutungsstörung im Bereichc des Stato-Akustikuskerns wird als Ursache des Menière-Anfalls angesehen. Der Migräneanfall ist vermutlich auf Tonusschwankungen der Gefäße mit aktiver Vasodilatation zurückzuführen. Unmittelbar über die Gewebsatmung zu verstehen sind die Vorgänge beim hypoglykämischen Anfall, während weder im Schlaganfall noch im affektiven Tonusverlust der Narkolepsie Durchblutungs- oder Atmungsstörungen nachgewiesen werden können. Eine ferngesteuerte Vasokonstriktion der Hirngefäße wird nach neueren Untersuchungen immer unwahrscheinlicher. Es ist eine der Schutzeinrichtungen der Hirndurchblutung im Dienst der ausreichenden Sauerstoffversorgung des Gehirns, daß das zerebrale Gefäßgebiet aus der nervalen Regulationen ausgenommen ist."[3]

Nicht-Durchblutung bei Hirntoten

Nach GROS et al. (1959) entspricht der Hirntod einem Zustand nach Eintreten eines ausschließlich intrakraniellen Zirkulationsstillstandes, wobei beide Gefäßsystem (Stromgebiete der Carotiden und Vertebralarterien) betroffen sind. Hierbei kann es jedoch zu einer Zeitdifferenz zwischen supratentoriellem und verspätetem infratentoriellem Zirkulaltionsstopp kommen (HEISKANEN 1964). Als mögliche Ursache für die Zeitdifferenz diskutiert HEISKANEN (1964) einen unterschiedlichen Kompressionsgrad beider Gefäßsysteme.[4]


Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Benedikt Walter Burkhardt: Stellenwert der apparativen Zusatzuntersuchungen im Rahmen der Hirntoddiagnostik. Eine retrospektive Analyse an der Universitätsmedizin Mainz und der Region Mitte der Deutschen Stiftung Organtransplantation. (med. Diss.) Mainz 2012, 5.
  2. G. Settergren: Brain death: an important paradigm shift in the 20th century. In: Acta Anaesthesiologica ScandinavicaVolume 47, Issue 9. Nach: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1034/j.1399-6576.2003.00227.x Zugriff am 22.07.2019.
  3. Med. Klinik 57,1 (1962), 1035.
  4. Annette Hoenes: Morphometrische Untersuchungen intracerebraler Gefäße der Medulla oblongata beim Hirntod. (med. Diss.) Köln 1989, 35.