Pierre Mollaret: Unterschied zwischen den Versionen

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[http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Mollaret Pierre Mollaret] (1898-1987) war ein französischer Neurologe, der sich besonders auf dem Gebiet der infektiösen Erkrankungen des Nervensystems verdient machte. 1944 beschrieb er eine wiederkehrende (rezidivierende) gutartige virale [https://de.wikipedia.org/wiki/Meningitis Meningitis], die als Mollaret-Meningitis seinen Namen trägt.
[http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Mollaret Pierre Mollaret] (1898-1987) war ein französischer Neurologe, der sich besonders auf dem Gebiet der infektiösen Erkrankungen des Nervensystems verdient machte. 1944 beschrieb er eine wiederkehrende (rezidivierende) gutartige virale [https://de.wikipedia.org/wiki/Meningitis Meningitis], die als Mollaret-Meningitis seinen Namen trägt.


Im Jahr 1959 veröffentlichten Pierre Mollaret und Michel Goulon auf der 23. Sitzung Internationale Neurology, später in der Zeitschrift "Revue Neurologique" ihre Beobachtungen an 23 Patienten einen Artikel.<ref>Mollaret P, Goulon M. Rev Neurol (Paris) 1959; 101: 3-15. Siehe:  
Im Jahr 1959 veröffentlichten Pierre Mollaret und [[Michel Goulon]] auf der 23. Sitzung Internationale Neurology, später in der Zeitschrift "Revue Neurologique" ihre Beobachtungen an 23 Patienten einen Artikel.<ref>Mollaret P, Goulon M. Rev Neurol (Paris) 1959; 101: 3-15. Siehe:  
* http://www.slate.fr/story/17919/greffes-scandale-donneurs-pas-morts-coma-depasse
* http://www.slate.fr/story/17919/greffes-scandale-donneurs-pas-morts-coma-depasse
* https://www.revmed.ch/RMS/2008/RMS-155/Maurice-Goulon-1919-2008-pere-du-concept-de-coma-depasse Zugriff am 1.4.2017.</ref> Bei dieser Patienten waren die Funktionen des Gehirns unwiederbringlich (irreversibel) ausgefallen. Gleichzeitig wies das [[EEG]] statt der Hirnstromkurve nur eine Null-Linie auf. Mollaret und Goulon bezeichneten diesen Zustand als "coma dépassé", als "jenseits des Komas". Weltweit beobachteten Ärzte in den darauf folgenden Jahren eine ganze Anzahl solcher Patienten, deren Gehirn keinerlei Aktivität mehr zeigte, deren Zustand sich nicht mehr besserte und die das Bewusstsein nicht wieder erlangten. Es kam daher zwangsläufig die Frage auf, ob diese Patienten noch als "lebend" anzusehen sind und die Fortsetzung der aufwändigen Intensivtherapie bis zum Eintreten des Herzstillstandes zu rechtfertigen ist. Die wissenschaftliche Diskussion in den Ländern mit einem entsprechend entwickelten Behandlungsstandard kam in den Folgejahren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der vollständige und endgültige Ausfall aller Hirnfunktionen das sichere innere Todeszeichen darstellt.<ref>BZgA: Kein Weg zurück ... 7. Aufl. Frankfurt 2012. Nach: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/HT_d_2012_Web.pdf Zugriff am 1.4.2017.</ref>
* https://www.revmed.ch/RMS/2008/RMS-155/Maurice-Goulon-1919-2008-pere-du-concept-de-coma-depasse Zugriff am 1.4.2017.</ref> Bei dieser Patienten waren die Funktionen des Gehirns unwiederbringlich (irreversibel) ausgefallen. Gleichzeitig wies das [[EEG]] statt der Hirnstromkurve nur eine Null-Linie auf. Mollaret und Goulon bezeichneten diesen Zustand als "coma dépassé", als "jenseits des Komas". Weltweit beobachteten Ärzte in den darauf folgenden Jahren eine ganze Anzahl solcher Patienten, deren Gehirn keinerlei Aktivität mehr zeigte, deren Zustand sich nicht mehr besserte und die das Bewusstsein nicht wieder erlangten. Es kam daher zwangsläufig die Frage auf, ob diese Patienten noch als "lebend" anzusehen sind und die Fortsetzung der aufwändigen Intensivtherapie bis zum Eintreten des Herzstillstandes zu rechtfertigen ist. Die wissenschaftliche Diskussion in den Ländern mit einem entsprechend entwickelten Behandlungsstandard kam in den Folgejahren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der vollständige und endgültige Ausfall aller Hirnfunktionen das sichere innere Todeszeichen darstellt.<ref>BZgA: Kein Weg zurück ... 7. Aufl. Frankfurt 2012. Nach: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/HT_d_2012_Web.pdf Zugriff am 1.4.2017.</ref>


Pierre Mollaret und Maurice Goulon behandelten diese 23 Hirntoten bis zur [[Asystolie]] weiter. Dabei war der späteste Kreislaufzusammenbruch nach 8 Tage.<ref>Dag Moskopp: Hirntod, 76.</ref>
Pierre Mollaret und [[Maurice Goulon]] behandelten diese 23 Hirntoten bis zur [[Asystolie]] weiter. Dabei war der späteste Kreislaufzusammenbruch nach 8 Tage.<ref>Dag Moskopp: Hirntod, 76.</ref>


{{Zitat|Die Entwicklung der Hirntoddefinition stand insofern anfänglich im Zeichen einer gänzlich anderen Fragestellung: Es ging ausschließlich um die medizinische Behandlung und das Schicksal einer durch die Intensivmedizin neuartigentstandenen Gattung von Komapatienten. Ab welchem Zeitpunkt befindet sich ein künstlich beatmeter Komapatient unwiederbringlich im Sterben, sodaß Wiederbelebungsmaßnahmen im Sinne des Patienten unsinnig würden? Es ist also wichtig festzuhalten, dass der Hirntod ursprünglich von der Intensivmedizin als Problem aufgeworfen wurde, um die Grenze zu ermitteln, ab wann therapeutische Bemühungen gegenüber einem hirnsterbenden Menschen beendet werden dürfen.<ref> Ulrike Baureithel und Anna Bergmann, Herzloser Tod: das Dilemma der Organspende. Stuttgart 1999,71, Anna Bergmann, Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in der Transplantationsmedizin. in: Psychoanalyse, Texte zur Sozialforschung 127-150, 6 (2000). Vgl. auch Anna Bergmann, Der entseelte Patient: Die moderne Medizin und der Tod. Berlin 2004. Vgl. hierzu auch Sebastian Schellong, Die künstliche Beatmung und die Entstehung des Hirntodkonzeptes. in: Hirntod: zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung, Schlich, Frankfurt am Main 2001. Zitiert nach: Raphael E. Bexten. Erkenntnis von Personsein. Einige Überlegungen zum Mysterium 'Person'. Mayerling 2012. Nach: https://de.scribd.com/document/97824775/Erkenntnis-von-Personsein-Einige-Uberlegungen-zum-Mysterium-Person Zugriff am 1.4.2017.</ref>}}
{{Zitat|Die Entwicklung der Hirntoddefinition stand insofern anfänglich im Zeichen einer gänzlich anderen Fragestellung: Es ging ausschließlich um die medizinische Behandlung und das Schicksal einer durch die Intensivmedizin neuartigentstandenen Gattung von Komapatienten. Ab welchem Zeitpunkt befindet sich ein künstlich beatmeter Komapatient unwiederbringlich im Sterben, sodaß Wiederbelebungsmaßnahmen im Sinne des Patienten unsinnig würden? Es ist also wichtig festzuhalten, dass der Hirntod ursprünglich von der Intensivmedizin als Problem aufgeworfen wurde, um die Grenze zu ermitteln, ab wann therapeutische Bemühungen gegenüber einem hirnsterbenden Menschen beendet werden dürfen.<ref> Ulrike Baureithel und Anna Bergmann, Herzloser Tod: das Dilemma der Organspende. Stuttgart 1999,71, Anna Bergmann, Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in der Transplantationsmedizin. in: Psychoanalyse, Texte zur Sozialforschung 127-150, 6 (2000). Vgl. auch Anna Bergmann, Der entseelte Patient: Die moderne Medizin und der Tod. Berlin 2004. Vgl. hierzu auch Sebastian Schellong, Die künstliche Beatmung und die Entstehung des Hirntodkonzeptes. in: Hirntod: zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung, Schlich, Frankfurt am Main 2001. Zitiert nach: Raphael E. Bexten. Erkenntnis von Personsein. Einige Überlegungen zum Mysterium 'Person'. Mayerling 2012. Nach: https://de.scribd.com/document/97824775/Erkenntnis-von-Personsein-Einige-Uberlegungen-zum-Mysterium-Person Zugriff am 1.4.2017.</ref>}}
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"Mit anderen Worten, wenn ich nicht mehr denke, dann bin ich nicht mehr", rekapitulierte ein Stationsarzt, "Absetzung des Herzens und Inthronisation des Gehirns - ein symbolischer Staatsstreich, eine Revolution." Das Herz wurde in der Romantik noch metaphorisch gegen die Maschinen ins Feld geführt; heute befasst die Poesie sich mit Maschinen, entsteht am Computer - und auch das Herz ist manchmal auf Maschinen angewiesen.<ref>http://www.spiegel.de/kultur/literatur/maylis-de-kerangal-ueber-organspende-die-lebenden-reparieren-a-1032141.html Zugriff am 1.4.2017.</ref>
"Mit anderen Worten, wenn ich nicht mehr denke, dann bin ich nicht mehr", rekapitulierte ein Stationsarzt, "Absetzung des Herzens und Inthronisation des Gehirns - ein symbolischer Staatsstreich, eine Revolution." Das Herz wurde in der Romantik noch metaphorisch gegen die Maschinen ins Feld geführt; heute befasst die Poesie sich mit Maschinen, entsteht am Computer - und auch das Herz ist manchmal auf Maschinen angewiesen.<ref>http://www.spiegel.de/kultur/literatur/maylis-de-kerangal-ueber-organspende-die-lebenden-reparieren-a-1032141.html Zugriff am 1.4.2017.</ref>


In den Jahren 1954 bis 1959 trugen Pierre Mollaret und [[Maurice Goulon]] die Erkenntnisse von 23 Hirntoten zusammen. Die Ergebnisse stellen sie beim Internationalen Neurologischen Treffen im Jahr 1959 vor.<ref>Solange Grosbuis: Mort cérébrale et relation avec les familles. In: Médecine de L´Homme Nr. 210, S.23. Nach: http://www.ccmf.fr/User/docs/210_txt_74261.pdf Zugriff am 1.4.2017.</ref>


== Anhang ==
== Anhang ==

Version vom 2. April 2017, 22:33 Uhr

Pierre Mollaret (1898-1987) war ein französischer Neurologe, der sich besonders auf dem Gebiet der infektiösen Erkrankungen des Nervensystems verdient machte. 1944 beschrieb er eine wiederkehrende (rezidivierende) gutartige virale Meningitis, die als Mollaret-Meningitis seinen Namen trägt.

Im Jahr 1959 veröffentlichten Pierre Mollaret und Michel Goulon auf der 23. Sitzung Internationale Neurology, später in der Zeitschrift "Revue Neurologique" ihre Beobachtungen an 23 Patienten einen Artikel.[1] Bei dieser Patienten waren die Funktionen des Gehirns unwiederbringlich (irreversibel) ausgefallen. Gleichzeitig wies das EEG statt der Hirnstromkurve nur eine Null-Linie auf. Mollaret und Goulon bezeichneten diesen Zustand als "coma dépassé", als "jenseits des Komas". Weltweit beobachteten Ärzte in den darauf folgenden Jahren eine ganze Anzahl solcher Patienten, deren Gehirn keinerlei Aktivität mehr zeigte, deren Zustand sich nicht mehr besserte und die das Bewusstsein nicht wieder erlangten. Es kam daher zwangsläufig die Frage auf, ob diese Patienten noch als "lebend" anzusehen sind und die Fortsetzung der aufwändigen Intensivtherapie bis zum Eintreten des Herzstillstandes zu rechtfertigen ist. Die wissenschaftliche Diskussion in den Ländern mit einem entsprechend entwickelten Behandlungsstandard kam in den Folgejahren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der vollständige und endgültige Ausfall aller Hirnfunktionen das sichere innere Todeszeichen darstellt.[2]

Pierre Mollaret und Maurice Goulon behandelten diese 23 Hirntoten bis zur Asystolie weiter. Dabei war der späteste Kreislaufzusammenbruch nach 8 Tage.[3]

Die Entwicklung der Hirntoddefinition stand insofern anfänglich im Zeichen einer gänzlich anderen Fragestellung: Es ging ausschließlich um die medizinische Behandlung und das Schicksal einer durch die Intensivmedizin neuartigentstandenen Gattung von Komapatienten. Ab welchem Zeitpunkt befindet sich ein künstlich beatmeter Komapatient unwiederbringlich im Sterben, sodaß Wiederbelebungsmaßnahmen im Sinne des Patienten unsinnig würden? Es ist also wichtig festzuhalten, dass der Hirntod ursprünglich von der Intensivmedizin als Problem aufgeworfen wurde, um die Grenze zu ermitteln, ab wann therapeutische Bemühungen gegenüber einem hirnsterbenden Menschen beendet werden dürfen.[4]

"Mit anderen Worten, wenn ich nicht mehr denke, dann bin ich nicht mehr", rekapitulierte ein Stationsarzt, "Absetzung des Herzens und Inthronisation des Gehirns - ein symbolischer Staatsstreich, eine Revolution." Das Herz wurde in der Romantik noch metaphorisch gegen die Maschinen ins Feld geführt; heute befasst die Poesie sich mit Maschinen, entsteht am Computer - und auch das Herz ist manchmal auf Maschinen angewiesen.[5]

In den Jahren 1954 bis 1959 trugen Pierre Mollaret und Maurice Goulon die Erkenntnisse von 23 Hirntoten zusammen. Die Ergebnisse stellen sie beim Internationalen Neurologischen Treffen im Jahr 1959 vor.[6]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Mollaret P, Goulon M. Rev Neurol (Paris) 1959; 101: 3-15. Siehe:
  2. BZgA: Kein Weg zurück ... 7. Aufl. Frankfurt 2012. Nach: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/HT_d_2012_Web.pdf Zugriff am 1.4.2017.
  3. Dag Moskopp: Hirntod, 76.
  4. Ulrike Baureithel und Anna Bergmann, Herzloser Tod: das Dilemma der Organspende. Stuttgart 1999,71, Anna Bergmann, Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in der Transplantationsmedizin. in: Psychoanalyse, Texte zur Sozialforschung 127-150, 6 (2000). Vgl. auch Anna Bergmann, Der entseelte Patient: Die moderne Medizin und der Tod. Berlin 2004. Vgl. hierzu auch Sebastian Schellong, Die künstliche Beatmung und die Entstehung des Hirntodkonzeptes. in: Hirntod: zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung, Schlich, Frankfurt am Main 2001. Zitiert nach: Raphael E. Bexten. Erkenntnis von Personsein. Einige Überlegungen zum Mysterium 'Person'. Mayerling 2012. Nach: https://de.scribd.com/document/97824775/Erkenntnis-von-Personsein-Einige-Uberlegungen-zum-Mysterium-Person Zugriff am 1.4.2017.
  5. http://www.spiegel.de/kultur/literatur/maylis-de-kerangal-ueber-organspende-die-lebenden-reparieren-a-1032141.html Zugriff am 1.4.2017.
  6. Solange Grosbuis: Mort cérébrale et relation avec les familles. In: Médecine de L´Homme Nr. 210, S.23. Nach: http://www.ccmf.fr/User/docs/210_txt_74261.pdf Zugriff am 1.4.2017.