Arnd Focke: Unterschied zwischen den Versionen

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Darüber hinaus stellt sich Renate Focke auch diese Fragen: "Ich denke, mein Versagen hat noch mit etwas Anderem zu tun: „Organspende rettet Leben“, „Leben weitergeben“ und „Schenken Sie Leben“ sind zu stehenden Redewendungen und eingängigen Bildern geworden, die sich unmerklich eingegraben haben in unseren Wortschatz und unser Wertesystem. Auch die Kirchen haben bekräftigt, dass Organspende im Namen der Nächstenliebe erfolgen kann. Wie kann ich etwas, was so gut und segensreich zu sein scheint, in Frage stellen? Doch die Diskrepanz zwischen dem, was an Positivem mit der Organspende von Hirntoten verknüpft wird, und meinem eigenen Erleben ist unüberwindlich."<ref name="unb"></ref><ref group="Anm.">Diese Fragen hängen eng damit zusammen, wie Hirntote erlebt werden, als Komapatienten. Aus diesem Grunde bezeichnete sie [[Pierre Mollaret]] und [[Maurice Goulon]] 1959 diesen Zustand als "Coma dépassé". Da sie an diesen "Patienten" keine Hirnaktivitäten feststellen konnten und alle ihre 23 Hirntoten trotz aller Maßnahmen der Intensivmedizin binnen 8 Tagen einem Herzstillstand erlagen, war es für sie nicht nur einfach ein Koma, sondern ein überwundenes Koma, ein Zustand jenseits des Komas. Monate zuvor stellte [[Pierre Wertheimer]] seine 4 Hirntote in dem Artikel mit der Überschrift "sur la mort du système nerveux" (Der Tod des Nervensystems) vor, was schließlich zur Bezeichnung "Hirntod" führte. Im August 1987 erschien ein Artikel über 53 Hirntote, die alle trotz fortgesetzter intensivmedizinischer Behandlung innerhalb der ersten 8 Tage einen Herzstillstand erlitten, nur einer erst nach 17 Tagen.<br>
[[Hirntod]] ist kein [[Koma]], auch kein [[irreversibles Koma]]. Bei Komapatienten funktionieren noch Teile des [[Gehirns]], bei Hirntoten nicht mehr. Was Hirntote bräuchten, wäre ein neues Gehirn. Wäre die Medizin dazu in der Lage, würde mit dem neuen Gehirn ein völlig neuer Mensch in alten Körper heranwachsen, denn unser Gehirn verarbeitet nicht nur unsere Sinneswahrnehmungen und befähigt uns zum Denken, sondern ist auch die [[Datenbank unseres Lebens]], in dem alles Erlebte und Erlernte gespeichert ist. Mit dem Hirntod ist diese [[Datenbank unseres Lebens]] nicht nur gelöscht, sondern physiologisch zerstört. Daher sind für die Medizin Hirntote Tote, siehe: [[gemeinsame Erklärungen]].<br>
Das Problem beim Hirntod ist, dass es ein unsichtbarer Tod ist, den nur die [[HTD]] ans Tageslicht bringt. Daher schrieb [[Pierre Mollaret]] 1962 über Hirntote, es gilt "zu erkennen, daß der Tod – so maskiert er auch sein mag – bereits eingetreten ist." (MMW 104,2 (1962), 2197)<br>
Am besten lässt sich dies am geozentrischen und heliozentrischen Weltbild vergleichen: Unser aller Wahrnehmung lauter, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Doch in Wahrheit dreht sich die Erde um die Sonne.</ref>


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'''Renate und Gebhard Focke'''
Renate und Gebhard Focke sind die Eltern des 1997 mit 29 Jahren bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Arnd Focke.
Der 29-jährige Arnd Focke kam nach einem schweren Verkehrsunfall mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma auf die Intensivstation eines Krankenhauses. Zwei Tage später stand die Frage um Organspende im Raum, noch vor der Feststellung des Hirntods. "Unsere Schwiegertochter sagte uns dann wenig später, Arnd hätte sich für Organspende ausgesprochen. Wir teilten das den Ärzten mit."<br>
Renate Focke berichtet weiter: "Den Gedanken an Organentnahme ließ ich nicht zu, denn er passte nicht zu meinem Erleben.<br>
Meine Tochter, die zwischenzeitlich zu Hause gewesen war und zwei Tage später in die Klinik zurückkam, protestierte heftig gegen unsere vorweggenommene Zustimmung zur Organentnahme und sagte erschüttert: 'Er ist doch keine Organbank!' Ich hörte ihren Protest, verstand sie, aber stand ihr nicht bei. Denn über allem stand seine mündliche Erklärung für die Organspende."
'''Rosemarie Körner'''
Rosemarie Körner beschreibt in der Broschüre "Organspende - die verschwiegene Seite" ihre "Erfahrungen mit dem sogenannten Hirntod": Ihr Mann wurde am Kropf operiert. In der darauf folgenden Nacht kam es zu einem Herzstillstand. Die Reanimation sei erfolglos gewesen. Hiervon wurde umgehend der Oberarzt verständigt, der 20 Minuten später in der Klinik war. Er hätte nun erfolgreich reanimiert und eine Notoperation durchgeführt.<ref group="Anm.">Dies klingt sehr unglaubwürdig: Eine Faustregel besagt, dass eine erfolglose Reanimation nach 30 Minuten abgebrochen wird. Dazu kommen die 20 Minuten, bis der Oberarzt gekommen ist und die Reanimation fortsetzt. 20 Minuten - selbst wenn diese, wie Rosemarie Körner angibt, im Kühlraum der Pathologie erfolgt sein sollen - ohne weitere Herztätigkeit, danach noch erfolgreich zu reanimieren, das klingt wie Gebrüder Grimm oder Hollywood.</ref>
Das Fazit von Rosemarie Körner zur Organspende lautet: "Sicher ist nur, dass der Organspender unwiederbringlich tot ist nach der Spende." Dies muss jedoch ergänzt werden mit den Worten: "Genauso sicher tot sind auch alle, denen nach Feststellung des Hirntods die künstliche Beatmung abgestellt wird."<ref group="Anm.">Wenn keine Schwangerschaft vorliegt und der Hirntod festgestellt ist, gibt es nur die Wahl zwischen Abschalten der künstlichen Beatmung binnen weniger Stunden (meist binnen 2 Stunden, je nach Klinik) oder Organentnahme, mit der bei rund 85% binnen 24 Stunden begonnen wird.</ref>
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== Anhang ==
== Anhang ==
=== Quellen ===
* http://www.initiative-kao.de/kao-organspende-die-verschwiegene-seite-2011.pdf Zugriff am 18.7.2015.
=== Anmerkungen ===
=== Anmerkungen ===
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Version vom 28. Juni 2020, 07:06 Uhr

Der Unfall

Arnd Focke (29) hatte Herbst 1997 "einen schweren Unfall und musste noch am Unfallort beatmet werden. In der Klinik, in der man ein schweres Schädel-Hirn-Trauma feststellte, wurde er gleich in der Nacht operiert."[1]

In der Klinik

Renate und Gebhard Focke, die Eltern von Arnd, erfuhren erst am nächsten Morgen von dem Unfall und besuchten ihn sofort in der Klinik. "Arnd lag auf der Intensivstation, zusammen mit fünf oder sechs anderen Patienten, er wurde beatmet, hatte einen Kopfverband von der Operation, war an viele Geräte angeschlossen und lag wie schlafend da. Er war in ein künstliches Koma versetzt worden. An seiner rechten Schulter, die bloß lag, hatte er eine Prellung und über der linken Augenbraue eine Schnittwunde."[1]

Am Nachmittag wurde der Ehefrau von Arnd, sowie Renate und Gebhard Focke von einer Ärztin mitgeteilt, dass seine Überlebenschancen sehr gering seien und die Diagnose Hirntod wahrscheinlich sei. Gebhard Focke sagte spontan, dass damit wohl die Frage um Organspende gestellt werden würde.[1]

Die Entscheidung zur Organspende

Renate Focke erzählt weiter: "Einen oder zwei Tage später sprach uns die Stationsleiterin an und beglückwünschte uns zu der Entscheidung für eine Organspende. Wir sagten, wir hätten noch nicht darüber gesprochen, bekamen aber den Eindruck, wir müssten uns so schnell wie möglich entscheiden. Unsere Schwiegertochter sagte uns dann wenig später, Arnd hätte sich für Organspende ausgesprochen. Wir teilten das den Ärzten mit. Somit waren die Weichen für eine Organentnahme gestellt, und zwar schon vor der Hirntodfeststellung."[1][Anm. 1]

Die Schwester von Arnd Focke kam nach dieser Entscheidung in die Klinik, "protestierte heftig gegen unsere vorweggenommene Zustimmung zur Organentnahme und sagte erschüttert: „Er ist doch keine Organbank!“ Ich hörte ihren Protest, verstand sie, aber stand ihr nicht bei. Denn über allem stand seine mündliche Erklärung für die Organspende."[1][Anm. 2]

Die Organentnahme

Renate Focke erzählt weiter: "Am nächsten Tag brach bei mir dasselbe Entsetzen aus. Wir redeten und kamen zu der Entscheidung, dass wir die Zustimmung zur Organentnahme zurücknehmen würden, wenn sie nicht noch an diesem Tag erfolgte. Damit haben wir den Ärzten die Verantwortung übergeben und sie unter Zeitdruck gesetzt. Unser sterbender Sohn wurde noch schutzloser."[1][Anm. 3]

Die Alternative

Die Alternative zur Organentnahme beschreibt Renate Focke so: "Wenn wir nach der Hirntodfeststellung eine Organentnahme abgelehnt hätten, wäre kurz danach die Beatmung abgestellt worden. Sein Herz hätte noch stundenlang weiterschlagen können, so sagte man uns nach der Todesnachricht, und er wäre erstickt – das ist, wie wir später hörten, eine Lüge. In Berichten von Ärzten und Pflegern finde ich Beschreibungen von einem heftigen Todeskampf, bei dem viele meinen, es sei den Angehörigen nicht zumutbar, dabei zu sein. Ich frage mich, ob nicht erst die Spenderkonditionierung (d.h. intensive medizinische Behandlung zur Erhaltung der Organe), die einen hirntoten Sterbenden mit allen Mitteln bis zur Organentnahme im Leben hält, diesen qualvollen Todeskampf herbeiführt."[1][Anm. 4]

Die Zeit danach

Renate Focke beklagt: "„Sich informieren und dann entscheiden!“, so lautet eine Aufforderung in der Broschüre „Wie ein zweites Leben“ von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Informieren konnten wir uns in dieser Situation nicht. Wir bekamen im Krankenhaus auch keine Hinweise darüber, wie eine Organentnahme abläuft und dass eine Sterbebegleitung nicht möglich Wenn wir alle, auch unser Sohn, uns aber vorher informiert hätten mit Hilfe des von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfohlenen Informationsmaterials, wären wir wahrscheinlich zu keiner anderen Entscheidung gekommen. Denn was Organentnahme für den hirntoten Organspender und seine Angehörigen wirklich bedeutet, geht aus den Informationen und dem Organspendeausweis nicht hervor."[1][Anm. 5]

Einige Zeit nach dem Tod von Arnd Focke hatte seine Mutter Renate Albträume.[Anm. 6] Sie träumte, dass seine Leiche in einem Aquarium trieb, dass sein Leichnam aus dem Grab verschwunden sei. Zur Trauer um Arnd kamen noch Schuldgefühle, dass sie ihren Sohn "nicht davor beschützt hatte".[Anm. 7]

Renate Focke sah ihren Sohn "aufgebahrt im Sarg, sein Mund klein und verkrampft. Er hatte keinen friedvollen, gelösten oder ernsten Gesichtsausdruck wie andere Tote, die ich gesehen habe, sondern sah aus, als wäre er unter Schmerzen gestorben."[Anm. 8]

"Zu spät habe ich gemerkt, worauf wir verzichten mussten", sagt Renate Focke, "unser Sohn musste auf ein geschütztes Sterben, auf liebevolle Begleitung bis zum Tod und darüber hinaus und auf körperliche Unversehrtheit verzichten. Und wir auf einen ungestörten Abschied, der uns die Trauer leichter gemacht hätte."[2]
Siehe: Sterbebegleitung

Darüber hinaus stellt sich Renate Focke auch diese Fragen: "Ich denke, mein Versagen hat noch mit etwas Anderem zu tun: „Organspende rettet Leben“, „Leben weitergeben“ und „Schenken Sie Leben“ sind zu stehenden Redewendungen und eingängigen Bildern geworden, die sich unmerklich eingegraben haben in unseren Wortschatz und unser Wertesystem. Auch die Kirchen haben bekräftigt, dass Organspende im Namen der Nächstenliebe erfolgen kann. Wie kann ich etwas, was so gut und segensreich zu sein scheint, in Frage stellen? Doch die Diskrepanz zwischen dem, was an Positivem mit der Organspende von Hirntoten verknüpft wird, und meinem eigenen Erleben ist unüberwindlich."[1][Anm. 9]


Anhang

Anmerkungen

  1. Dieses Beispiel zeigt deutlich auf, wie wichtig es ist, zuerst im Kreis mit der Verwandtschaft über das Thema zu sprechen, wenn vom Hirntoten keine schriftliche Erklärung vorliegt. Es sollte nicht vorkommen, dass ein Teil der Familie von einer Entscheidung weiß und der andere Teil es von den Ärzten erfährt.
  2. Weil es innerhalb der Familie sehr unterschiedliche Positionen zur Frage der Organspende geben kann, ist es sehr hilfreich, dass man miteinander darüber spricht. Jeder sollte von der Haltung des Anderen wissen und diese Haltung respektieren. Dies erspart später evtl. die Auseinandersetzung in der Klinik.
  3. Das war im Herbst 1997. Damals war die DSO noch nicht gesetzlich verpflichtet in jede Organtransplantation eingebunden, denn das TPG trat erst im November 1997 in Kraft. Seither erfolgen die Organentnahmen sehr zeitnah nach der Feststellung des Hirntods: Bei 2,7% der Organentnahmen betrug die Zeit zwischen Feststellung des Hirntods und dem Ende der Organentnahme weniger als 7 Stunden; bei 24,8% betrug sie 7 bis 12 Stunden; bei 42,6% betrug sie 12 bis 18 Stunden; bei 15,4% betrug sie 18 bis 24 Stunden; bei 14,5% betrug sie mehr als 24 Stunden. Quelle: DSO: Jahresbericht 2012, Seite 19.
  4. Nach dem Bericht von Renate Focke ist unklar, ob eine HTD bei Arnd Focke durchgeführt und der Hirntod festgestellt wurde. Es soll daher auf beide Möglichkeiten eingegangen werden:
    • Arnd Focke war zu diesem Zeitpunkt nicht hirntod
      Wenn Arnd Focke zu diesem Zeitpunkt nicht hirntot war, hätte ein Abschalten der künstlichen Beatmung sein Herz durchaus noch für einige Stunden schlagen können. Zu einem Todeskampf wäre es nicht gekommen, da man in diesen Situationen (meist nach PV) den Patienten ausreichen Schmerzmittel gibt. Es hätte aber bei einer Organentnahme eine Zuwiderhandlung gegen die Entscheidungshilfe BÄK 1991 oder bereits BÄK 1997 bedeutet.
    • Arnd Focke war zu diesen Zeitpunkt hirntot
      Wenn Arnd Focke zu diesem Zeitpunkt bereits hirntot war, wäre sein Herz nach dem Abstellen der künstlichen Beatmung nach wenigen Minuten zum Stillstand gekommen. Es wäre dann zu keinem Todeskampf gekommen, da Hirntote kein Schmerzempfinden haben.
  5. Die BZgA erhielt erst mit der Verabschiedung des TPG im Jahr 1997 den gesetzlichen Auftrag, zu Hirntod und Organspende aufzuklären. Arnd Focke starb jedoch im Herbst 1997.
    Die Bedürfnisse der Menschen sind sehr unterschiedlich. Es ist kaum möglich, mit einer Broschüre die Bedürfnisse aller Hinterbliebenen zu erfüllen. Während die Einen nur einen allgemeinen Überblick haben wollen, interessiert die Anderen peinlich genau, wie die Organentnahme erfolgt, dass z.B. der Oberkörper vom Halsansatz bis zum Schambein aufgeschnitten wird. - Um den verschiedenen Bedürfnissen annähernd zu entsprechen, wurde dieses Organspende-Wiki erstellt.
  6. Es ist nicht gesagt, dass diese Albträume von der Zustimmung zur Organspende gekommen sind. Andere Eltern haben nach dem plötzlichen Tod ihres Kindes auch Albträume, obwohl dort Organspende gar kein Thema war, weil kein Hirntod vorlag. Der plötzliche Tod eines Kindes ist ein so gewaltiger Eingriff in das Leben, der zu Albträumen führen kann.
  7. Arnd Focke war bei seinem Unfall 29 Jahre alt. Er war damit volljährig. Seine Eltern hatten bezüglich seines Lebens wie auch der Frage um Organspende somit gar kein Mitspracherecht (Selbstbestimmungsrecht). Damit kommt den Eltern auch keinerlei Schuld zu, weder am Unfall noch an der Organentnahme.
    Wenn auch Arnd Focke seine Bereitschaft zur Organspende nie schriftlich festgehalten hat, so war seine Ehefrau über diesen seinen Wunsch informiert. Dieser sein Wunsch wurde der Klinik mitgeteilt und umgesetzt. - Dies zeigt deutlich, dass es nicht nur getan ist, seine Entscheidung mündlich mitzuteilen, man sollte sie auch schriftlich festhalten, damit alle Hinterbliebene es nachlesen können. Dies entlastet die Hinterbliebenen enorm.
  8. Dies ist eine Interpretation. In D/A/CH können Hirntote keine Schmerzen haben. Das unterstreichen auch offizielle Schreiben der Schweiz, in dem Land, in dem zur Organentnahme eine Vollnarkose vorgeschrieben ist. Diese Vollnarkose wird gegeben, um die spinalen Reflexe (vom Rückenmark ausgehend) zu unterbinden. So heißt es in diesen offiziellen Papieren.
    Bei der HTD wird auch der Trigeminus-Nerv gereizt. Damit löst man einen Schmerzreiz aus, der größer ist als das Öffnen das Körpers bei der Organentnahme. Dabei darf der Hirntote keine Regung zeigen. Andernfalls ist der Hirntod widerlegt.
    In D/A/CH müssen beim Hirntod Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm abgestorben sein. Die Medizin kennt genau das Areal im Großhirn, in dem Schmerzreize verarbeitet und der Schmerz wahrgenommen wird. Patienten, bei denen dieses Areal im Großhirn geschädigt ist, besitzen ein vermindertes oder kein Schmerzempfinden.
    Wenn nun beim Hirntod in D/A/CH Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm abgestorben ist, kann kein Hirntoter irgendwelche Schmerzen haben. Arnd Focke kann somit als Hirntoter die Organentnahme keinesfalls "unter Schmerzen" erlitten haben. Siehe: Schmerzempfinden
  9. Diese Fragen hängen eng damit zusammen, wie Hirntote erlebt werden, als Komapatienten. Aus diesem Grunde bezeichnete sie Pierre Mollaret und Maurice Goulon 1959 diesen Zustand als "Coma dépassé". Da sie an diesen "Patienten" keine Hirnaktivitäten feststellen konnten und alle ihre 23 Hirntoten trotz aller Maßnahmen der Intensivmedizin binnen 8 Tagen einem Herzstillstand erlagen, war es für sie nicht nur einfach ein Koma, sondern ein überwundenes Koma, ein Zustand jenseits des Komas. Monate zuvor stellte Pierre Wertheimer seine 4 Hirntote in dem Artikel mit der Überschrift "sur la mort du système nerveux" (Der Tod des Nervensystems) vor, was schließlich zur Bezeichnung "Hirntod" führte. Im August 1987 erschien ein Artikel über 53 Hirntote, die alle trotz fortgesetzter intensivmedizinischer Behandlung innerhalb der ersten 8 Tage einen Herzstillstand erlitten, nur einer erst nach 17 Tagen.
    Hirntod ist kein Koma, auch kein irreversibles Koma. Bei Komapatienten funktionieren noch Teile des Gehirns, bei Hirntoten nicht mehr. Was Hirntote bräuchten, wäre ein neues Gehirn. Wäre die Medizin dazu in der Lage, würde mit dem neuen Gehirn ein völlig neuer Mensch in alten Körper heranwachsen, denn unser Gehirn verarbeitet nicht nur unsere Sinneswahrnehmungen und befähigt uns zum Denken, sondern ist auch die Datenbank unseres Lebens, in dem alles Erlebte und Erlernte gespeichert ist. Mit dem Hirntod ist diese Datenbank unseres Lebens nicht nur gelöscht, sondern physiologisch zerstört. Daher sind für die Medizin Hirntote Tote, siehe: gemeinsame Erklärungen.
    Das Problem beim Hirntod ist, dass es ein unsichtbarer Tod ist, den nur die HTD ans Tageslicht bringt. Daher schrieb Pierre Mollaret 1962 über Hirntote, es gilt "zu erkennen, daß der Tod – so maskiert er auch sein mag – bereits eingetreten ist." (MMW 104,2 (1962), 2197)
    Am besten lässt sich dies am geozentrischen und heliozentrischen Weltbild vergleichen: Unser aller Wahrnehmung lauter, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Doch in Wahrheit dreht sich die Erde um die Sonne.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Renate Focke: Operation Explantation: ein unbarmherziger Tod. Nach: https://initiative-kao.de/operation-explantation-ein-unbarmherziger-tod Zugriff am 27.06.2020.
  2. Doris Michel-Schmidt: Das letzte Tabu. In: TagesWoche (26.01.2012) Nach: https://tageswoche.ch/gesellschaft/das-letzte-tabu Zugriff am 02.06.2020.