Altruismus der Tiere: Unterschied zwischen den Versionen

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"Vereinigung ist ihre Hauptwaffe im Kampf ums Leben, und der Mensch ist ihr Hauptfeind. Vor seiner wachsenden Zahl haben es die Vorfahren unserer Hauspferde (...) vorgezogen, sich in die wildesten und unzugänglichsten Pateaus an den Grenzen des Tibets zurückzuziehen, wo sie, umgeben von Raubtieren, unter einem Klima, das so böse ist wie in den Polargegenden, aber in einer Gegend, die dem Menschen unzugänglich ist, weiterleben." (42)
"Vereinigung ist ihre Hauptwaffe im Kampf ums Leben, und der Mensch ist ihr Hauptfeind. Vor seiner wachsenden Zahl haben es die Vorfahren unserer Hauspferde (...) vorgezogen, sich in die wildesten und unzugänglichsten Pateaus an den Grenzen des Tibets zurückzuziehen, wo sie, umgeben von Raubtieren, unter einem Klima, das so böse ist wie in den Polargegenden, aber in einer Gegend, die dem Menschen unzugänglich ist, weiterleben." (42)


"Viele vorzügliche Beispiele sozialen Lebens könnten dem Leben der Renntiere entnommen werden, und besonders aus der großen Abteilung der Wiederkäuer, die die Rehe, Damhirsche, Antilopen, Gazellen und Steinböcke und in der Tat die ganzen drei Familien der Antilopiden, Capriden und Oviden umfaßt. Ihre Wachsamkeit über die Sicherung ihrer Herden gegen Angriffe der Raubtiere; die Ängstlichkeit, die alle Individuen in eine Gemsenherde an den Tag legen, solange nicht alle eine schwierige Stelle über steile Felsklippen hinter sich haben; die Adoption von Waisen; die Verzweiflung der Gazelle, wenn ihr Gatte oder auch ein Genosse desselben Geschlechts getötet worden ist; die Spiele der Jungen, und viele andere Züge könnten erwähnt werden. Aber vielleicht das auffallendste Beispiel gegenseitiger Hilfe liegt in den Wanderungen der Hirsche vor, wie ich einst eine am Amur gesehen habe. ... Ich fand die Kosaken in den Dörfern der Schlucht in der größten Aufregung, weil Tausende und Abertausende von Hirschen über den Amur schwammen, wo er am engsten ist." (43)
Über Affen: "Sie leben in großen Herden und vereinigen sich sogar mit anderen Arten als ihrer eigenen. Die meisten von ihnen werden ganz unglücklich, wenn sie allein sind. Ertönt ein Notschrei eines von der Herde, so rottet sich sofort zusammen und sie stoßen kühn die Angriffe der Raubtiere und Raubvögel zurück. Selbst Adler wagen nicht sie anzugreifen. Sie plündern unsere Felder immer in Scharen, indem die Alten die Sorge für die Sicherheit der Gesamtheit übernehmen. Die kleinen Uistitis, deren kindliche, niedliche Gesichter auf Humboldt solchen Eindruck machten, umarmen und beschützen sich, wenn es regnet, indem sie ihre Schwänze über die Hälfte ihrer zitternden Kameraden rollen. Einige Arten entfalten die größte Besorgnis, wenn einer von ihren Kameraden verwundet ist und verlassen ihn nicht an der Zufluchtsstätte, bis sie sicher sind, daß er tot ist und sie unfähig sind, ihn zum Leben zurückzuholen. So erzählt James Forbes in seinen Oriental Memoirs, wie sie von seiner Jagdgesellschaft den Leichnam einer Äffin mit slcher Beharrlichkeit zurückgefordert hätten, daß man vollkommen begreift, warum 'die Zeugen dieser außerordentlichen Szene beschlossen, nie wieder auf einen vom Affenstamm zu schießen.'" (46)
"Wir sehen also, selbst aus dieser kurzen Übersicht, daß das Sesellschaftsleben in der Tierwelt keine Ausnahme ist; es ist die Regel, das Naturgesetz, und es erreicht seine höchste Stufe mit den höheren Wirbeltieren. Die Arten, denen Individuen isoliert oder nur in kleinen Familien leben, sind verhältnismäßig selten und die Zahl ihrer Glieder ist gering. Ja, es scheint sehr wahrscheinlich, daß, abgesehen von einigen Ausnahmen, die Vögel und Säugetiere, die sich jetzt nicht zusammenscharen, in Gesellschaften gelabt haben, ehe der Mensch sich auf der Erde vermehrte und einen fortwährenden Krieg gegen sie führte oder es ihnen unmöglich machte, wie früher ihre Nahrung zu finden." (47)
"... die Liebe zur Gesellschaft um der Gesellschaft willen, vereinigt mit der 'Lebensfreude', zieht erst jetzt die notwendige Aufmerksamkeit des Zoologen auf sich. Wir wissen jetzt, daß alle Tiere, zu beginnen mit den Ameisen, über die Vögel weg zu den höchsten Säugetieren, es liebe zu spielen, miteinander zu balgen, hintereinander herzurennen, einander zu haschen, einander zu necken usw. Und während manche Spiele sozusagen für die Jungen eine Vorschule für das richtige Benehmen im reiferen Lebensalter sind, gibt es wieder andere, die, abgesehen von ihren nützlichen Zwecken, zugleich mit Tanzen und Singen bloße Äußerungen überschüssiger Kraft sind - der 'Lebensfreude' und der Wunsch, auf eine oder die andere Weise mit anderen Individuen derselben oder anderer Arten zu verkehren - kurz, recht eigentlich eine Äußerung der Geselligkeit, die den Charakterzug der gesamten Tierwelt ist. Ob es das Gefühl der Furcht ist, etwa beim Herannahen eines Raubvogels, oder ein Strahl des Glückes, wenn die Tiere sich gesund und vor allem jung fühlen, oder bloß das Bedürfnis, einem Überschuß des Empfindens und der Lebenskraft Luft zu machen - die Notwendigkeit, Gefühle mitzuteilen, zu spielen, zu schwatzen oder einfach zu empfinden, daß andere befreundete Wesen in der Nähe sind, erfüllt die ganze Natur, und ist ebenso wie irgendeine andere physiologische Funktion ein notwendiger Bestandteil des Lebens und des Bewußtseins." (49)





Version vom 28. Februar 2019, 10:18 Uhr

Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt

Peter Kropotkin: Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt. Leipzig 1908.

"selbst an den wenigen Orten,, wo das Tierleben üppig gedieh, konnte ich, obwohl ich emsig darauf achtete, nicht jenen erbitterten Kampf um die Existenzmittel zwischen Tieren, die zur gleichen Art gehören, entdecken. Und es war dieser Kampf, der seitens der meisten Darwinisten - keinesweges aber ständig von Darwin selbst - als das typische Kennzeichen des Kampfes ums Dasein und als der Hauptfaktor der Entwicklung betrachtet wurde." (III)

"Auf der anderen Seite, wo ich auch immer das Tierleben in reicher Fülle auf engem Raum beobachtete, wie z.B. auf den Seen, wo unzählige Arten und Millionen von Individuen zusammenkamen, um ihre Nachkommenschaft aufzuziehen; wie in den Kolonien der Nagetiere; wie bei den Wanderungen von Vögeln, die zu jener Zeit in wahrhaft amerikanischem Maßstabe dem Usuri entlang erfolgten; wie namentlich bei einer Wanderung von Damhirschen, die ich am Amur beobachten konnte und während deren Tausende dieser intelligenten Tiere von einem unermeßlichen Gebiete sich sammelten, um dem drohenden Schnee zu entfliehen und den Amur an seiner schmalsten Stelle zu überschreiten - in all diesen Szenen des Tierlebens, die sich vor meinen Augen absprielten, sah ich gegenseitige Hilfe und gegenseitige Unterstützung sich in einem Maße betätigen, daß ich in ihnen einen Faktor von größter Wichtigkeit für die Erhaltung des Lebens und jeder Spezies, sowie ihrer Fortentwicklung zu ahnen begann." (IV)

Im Januar 1880 hielt Professor Keßler auf einem russischen Naturforscherkongress den Vortrag "Über das Gesetz der gegenseitigen Hilfe". Darin vertrat er die Ansicht, dass neben dem Gesetz des gegenseitigen Kampfes in der Natur auch das Gesetz der gegenseitigen Hilfe existiere und dieses für den Erfolg des Kampfes ums Leben und speziell für die fortschreitende Entwicklung der Arten bei weitem wichtiger sei als das Gesetz des gegenseitigen Streitens. (V)

Keßler erschien das "Elterngefühl" und die Sorge um die Nachkommenschaft als die Quelle der gegenseitigen Neigungen bei Tieren. Peter Kropotkin führte an, dass Beobachtungen fehlen um sicher sagen zu können, ob diese gegenseitige Hilfe dem Elterngefühl oder auf rein sozialen Trieb zurückzuführen ist. "Dieser hat offenbar seinen Ursprung in den frühesten Stadien der Entwicklung der Tierwelt, vielleicht schon im Stadium der 'Koloniebildung'. Ich richtete also mein Hauptaugenmerk darauf, vor allem die Bedeutung der gegenseitigen Hilfe als Entwicklungsfaktor nachzuweisen und überlasse es späterer Forschung, den Ursprung des Instinkts der gegenseitigen Hilfe aufzuklären." (VI)

Im Jahr 1827 erzählte Eckermann Goethe, dass ihm zwei kleine, flügge gewordene Zaunkönige davongeflogen seien und dass er sie am nächsten Tag im Nest eines Rotkehlchens gefunden habe, das die beiden mit seinen eigenen Jungen zusammen fütterte. Goethe regte hierauf Eckermann zu einer Spezialstudie an sagte: "Wäre es wirklich, daß dieses Füttern eines Fremden als etwas Allgemeingesetzliches durch die Natur ginge, so wären damit manches Rätsel gelöst." (VI)

"Es ist nicht Liebe zu meinem Nachbarn - den ich vielfach gar nicht kenne -, was mich treibt, den Wassereimer zu ergreifen und nach seinem brennenden Hause zu eilen; was mich treibt ist ein viel weiteres, wann auch unklares Gefühl, es ist ein menschlicher Solidaritäts- und Sozialtrieb. Ebenso ist es bei den Tieren. Es ist nicht Liebe oder etwa Sympathie (im eigentlichen Sinne), was eine Herde von Wiederkäuern oder Pferden einen Ring schließen läßt, um dem Angriff von Wölfen zu widerstehen, nicht Liebe, was die Wölfe sich zu Jagdzwecken zusammenrotten läßt, nicht Liebe, was Kätzchen oder Lämmer zum Spiel treibt oder ein Dutzend verschiedener Arten von Vögeln die Tage im Herbst gemeinschaftlich verleben heißt, und es ist weder Liebe noch persönliche Sympathie, was viele Tausende, über ein Gebiet von der Größe Frankreichs zerstreut lebende Damhirsche treibt, zahlreiche getrennte Herden zu bilden, die alle einem bestimmten Orte zueilen, um dort gemeinschaftlich den Fluß zu überschreiten. Es ist ein Gefühl, unendlich weiter als Liebe und persönliche Sympathie - ein Instinkt, der sich langsam bei Tieren und Menschen im Verlaufe einer außerordentlich langen Entwicklung ausgebildet hat und der Menschen und Tiere gelehrt hat, welche Stärke sie duch die Betätigung gegenseitiger Hilre gewinnen und welche Freuden sie im sozialen Leben finden können." (VIII)

Peter Kropotkin verweist in seinem Buch "Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt" (1908) auf seine zuvor erschienenen Artikel "Gegenseitige Hilfe bei den Tieren" (September und November 1890), "Gegenseitige Hilfe bei den Wilden" (April 1891), "Gegenseitige Hilfe bei den Barbaren" (Januar 1892), "Gegenseitige Hilfe in der Stadt des Mittelalters" (August und September 1894), "Gegenseitige Hilfe bei den Menschen unserer Zeit" (Januar und Juni 1896). (XII f)

In Verkennung zu Darwins Lehre entwickelte sich die Sicht vom Kampf ums Überleben. "Sie gelangten schließlich dazu, sich das Reich der Tiere als eine Welt fortwährenden Kampfes zwischen halbverhungerten Individuen vorzustellen, jedes nach des anderen Blut dürstend. Die moderne Literatur widerhallte von dem Kriegsruf: 'Wehe den Besiegten!' als ob das das letzte Wort moderner Biologie wäre. Sie erhoben den 'erbarmungslosen' Kampf um persönliche Vorteile zu der Höhe eines biologischen Prinzips, dem der Mensch sich ebenfalls unterwerfen müsse, aus Gefahr, andernfalls in einer Welt, die sich auf gegenseitige Vernichtung gründete, zu unterliegen." (3)

Um 1900 herrschte die Auffassung, dass "der Hobbesche Krieg aller gegen alle der normale Daseinszustand" sei. (4)

"Sobald wir die Tiere zu unserem Studium machen, nicht nur in Laboratorien und Museen, sondern in Wäldern und Prärien, in den Steppen und im Gebirge, bemerken wir sofort, daß trotz ungeheurer Vernichtungskriege zwischen den Arten und besonders zwischen den verschiedenen Klassen der Tiere, zugleich in ebenso hohem Maße, ja vielleicht noch mehr, gegenseitige Unterstützung, gegenseitige Hilfe und gegenseitige Verteidigung unter Tieren, die zu derselben Art oder wenigstens zur selben Gesellschaft gehören, zu finden ist." (5)

"Wenn wir die zahllosen Tatsachen, womit diese Ansicht gestützt werden könnte, in Betracht ziehen, so können wir ruhig sagen, daß gegenseitige Hilfe ebenso ein Gesetz in der Tierwelt ist als gegenseitiger Kampf". (5)

"Der erste unter den wissenschaftlichen Nachfolgern Darwins, der, soviel ich weiß, die ganze Tragweite der gegenseitigen Hilfe als eines Naturgesetzes und Hauptfaktor der Entwicklung begriff, war ein wohlbekannter russischer Zoologe, der verstorbene Dekan der Petersburger Universität, Prof. Keßler. Er stellte seine Ideen in einer Rede dar, die er auf einem Kongreß russischer Naturforscher im Jahre 1880, wenige Monate vor seinem Tode, hielt. Aber wie so manches Gute, das in russischer Sprache veröffentlicht wird, blieb diese merkwürdige Rede fast gänzlich unbekannt." (6)

"In sehr weiten Gebieten des Tierreiches ist gegenseitige Hilfe die Regel. Gegenseitige Hilfe wird selbst bei den niedersten Tieren angetroffen, und wir müssen darauf gefasst sein, eines Tages von den Mikroskopikern Tatsachen von unbewußter gegenseitiger Unterstützung selbst aus dem Leben der Mikroorganismen mitgeteilt zu bekommen." (9)

Der Totengräber (Necrophorus), ein Käfer, legt seine Eier in verwesende organische Materie. Damit der Verwesungsprozess nicht zu schnell erfolgt, gräbt er den Leichnam eines kleinen Tieres (z.B. einer Maus) oder eines Vogels ein. Totengräber leben als Einsiedler. Hat jedoch einer von ihnen einen Leichnam zu vergraben, ruft er Artgenossen herbei, die dann zusammen - bis zu einem Dutzend - den Leichnam vergraben. (9)

Peter Kropotkin verweist auf Werke von Romanes, L. Büchner und Sir John Lubbock, die bereits vor ihm die gegenseitige Hilfe von Termiten, Ameisen und Bienen beschrieben haben. (11)

Wenn zwei Ameisen einer Kolonie sich treffen, tauschen sie ein paar Bewegungen mit ihren Antennen aus, und wenn eine von den beiden hungrig oder durstig ist, besonders wenn sich eine von ihnen soeben gesättigt hatte, verlangt die andere sofort Nahrung. Die gesättigte Ameise erbricht einen Teil ihrer Nahrung, damit die andere sich daran sättigen kann. (11)

"Wenn wir nichts anderes vom Tierleben kennten, als was wir über die Ameisen und Termiten wissen, dann könnten wir doch schon sicher vermuten, daß gegenseitige Hilfe (die zu gegenseitigem Vertrauen, der ersten Bedingung für Tapferkeit, führt) und individuelle Initiative (die erste Bedingung für den Fortschritt des Intellekts) zwei unendlich wertvollere Faktren in der Entwicklung des Tierreiches sind, als gegenseitiger Kampf." (13)

"Als Forel einen Sack voll Ameisen auf eine Wiese schüttete, sah er, daß 'die Grillen entflohen und ihre Löcher verließen, die von den Ameisen geplündert wurden; die Grashüpfer und Grillen flohen nach allen Richtungen; die Spinnen und Käfer ließen ihre Beute, um nicht selbst zur Beute zu werden;' selbst die Wespennester wurden nach einer Schlacht, in der viele Ameisen für das Gemeinwohl untergingen, von den Ameisen erobert. Selbst die schnellsten Insekten können ihnen nicht entrinnen, und Forel sah oft Schmetterlinge, Mücken, Fliegen und dergleichen von den Ameisen gefangen und getötet werden. Ihre Stärke beruht in gegenseitigem Beistand und Vertrauen. Und wenn die Ameisen mit ihren intellektuellen Gaben an der Spitze der ganze Klasse der Insekten stehen; wenn ihre Tapferkeit nur von den tapfersten Wirbeltieren erreicht wird; wenn ihr Hirn - mit Darwin zu sprechen - 'zu den wunderbarsten Teilen der Materie in der Welt gehört, vielleicht noch mehr als das des Menschen' - ist dem nicht so dank der Tatsache, daß die gegenseitige Hilfe in den Gemeinschaften der Ameisen völlig an Stelle des gegenseitigen Kopfes getreten ist?" (14)

"Wenn unsere Ernten eingeführt sind und auf unseren Wiesen und Feldern nur noch wenig zu sammeln ist, dann trifft man die Räuberbienen häufiger; während andererseits in der Nähe der Zuckerpflanzungen Westindiens und der Zuckerfabriken Europas Räuberei, Trägheit und sehr oft Trunksucht bei den Bienen ganz gewöhnlich werden. Wir sehen also, dia antisozialen Instinkte existieren immer noch bei den Bienen; aber die natürliche Auslese muß sie immer mehr austilgen, weil sich schließlich die Praxis der Solidarität als viel vorteilhafter für die Art erweist, als die Entwicklung von Individuen, die räuberische Neigungen haben. Der Schlaueste und der Gefährlichste werden zugunsten von denen ausgerottet, die die Vorteile des geselligen Lebens und der gegenseitigen Hilfe verstehen." (16)

"Es wäre ganz unmöglich, hier die verschiedenen Jagdgenossenschaften der Vögel aufzuzählen; aber die Fischereigenossenschaften der Pelikane sind sicher um der bemerkenswerten Ordnung und der Intelligenz willen, die von diesen plumpen Vögeln entwickelt wird, erwähnenswert. Sie gehen immer in großen Scharen zum Fischen, und nachdem sie eine geeignete Bucht ausgesucht haben, bilden sie einen großen Halbkreis gegenüber dem Ufer und machen ihn enger, indem sie dem Ufer zuwaten, und so fangen sie alle Fische, die gerade in dem Kreis eingeschlossen sind. An einigen Flüssen und Kanälen teilen sie sich sogar in zwei Partien, von denen jede einen Halbkreis bildet, und beide waten so weit, bis sie einander treffen, gerade wie wenn zwei Partien von Menschen, die zwei große Netze ausgeworfen haben, vorrücken, um alle Fische, die zwischen den Netzen sind, dadurch wegzufangen. Wenn die Nacht kommt, fliegen sie zu ihren Ruheplätzen - immer derselbe für jeden Zug - und niemand hat sie je um den Besitz einer Bucht oder des Ruheplatzes kämpfen sehen. In Südamerika versammeln sie sich in Zügen von vierzig- bis fünfzigtausend, von denen ein Teil sich des Schlafes erfreut, während die anderen Wache halten und andere wieder ans Fischen gehen." (21)

"Zusammen jagen und gemeinsam Nahrung suchen, ist in der gefiederten Welt so sehr Gewohnheit, daß weitere Belege kaum mehr nötig sein dürften: die Tatsache muß als feststehend gelten. Was die Stärke angeht, die aus solchen Vereinigungen hervorgeht, so leuchtet das ohne weiteres ein. Die stärksten Raubvögel sind gegenüber den Vereinigungen unserer kleinsten Vögelchen machtlos. Selbst Adler - selbst der mächtige und schreckliche Steinadler und der Königsadler, der stark genug ist, einen Hasen oder eine junge Antilope in seinen Krallen wegzutragen - selbst sie müssen ihre Beute den Scharen dieser armseligen Weihen überlassen, die den Adler förmlich verfolgen, sowie sie sehen, daß er im Besitz einer guten Beute ist. Die Weihen verfolgen ebenso den schnellen Fischadler und rauben ihm den Fisch, den er gefangen hat; aber niemand hat je gesehen, daß die Weihen unter sich um den Besitz der so gestohlenen Beute gekämpft hätten." (22)

"Die kleinen, aber äußerst schnellen Kiebitze (Vanellus cristaltus) greifen die Raubvögel kühn an. 'Es ist ein höchst anzeiehendes Schauspiel, Kiebitze zu beobachten, die einen Bussard, eine Weihe, einen nach den Eiern lüsternen Raben oder einen Adler anfallen: man glaub ihnen die Siegesgewißheit, und dem Räuber den Ärger anzumerken. Einer unterstützt dabei den anderen, und der Mut steigert sich, je mehr Angreifer durch den Lärm herbeigezogen werden.' Der Kiebitz hat den Namen 'Gute Mutter', den ihm die Griechen gaben, wohlverdient, denn er unterläßt nie, andere Wasservögel vor den Angriffen ihrer Feinde zu schützen." (22f)

"Was für ein ungeheurer Unterschied zwischen der Kraft einer Weihe, eines Bussard oder eines Habichts und so kleinen Vögeln wie die Wiesenbachstelze: und doch zeigen sich diese Vögelchen durch ihr gemeinsames tapferes Vorgehen den starkbeschwingten und bewaffneten Räubern überlegen! In Europa verfolgen die Bachstelzen nicht nur die Raubvögel, die ihnen gefährlich werden könnten, sondern sie verfolgen auch den Fischadler, 'eher zum Spaß als weil er ihnen Schaden zufügt". (23)

"Die auffallendsten Wirkungen des Gemeinschaftslebens jedoch für die Sicherheit des Individuums, seinen Genuß des Lebens und für die Entwicklung seiner geistigen Fähigkeiten, werden bei zwei großen Familien der Vögel beobachtet, bei den Kranichen und den Papageien. Die Kraniche sind äußerst gesellig und leben in guter Freundschaft nicht bloß mit ihren Verwandten, sondern ebenso mit den meisten Wasservögeln. Ihre Vorsicht ist in der Tat erstaunlich, und so auch ihr Verstand; sie erfassen die neuen Umstände im Augenblick und handeln entsprechend. Ihre Posten halten immer Wache um eine Gruppe, die frißt oder schläft, und die Jäger wissen sehr gut, wie schwer es ist, sich ihnen zu nähern. Wenn es einem Menschen geglückt ist, sie zu überraschen, dann kehren sie nie auf denselben Platz zurück, ohne zuerst einen einzelnen und dann mehrere Kundschafter auszusenden; und wenn die Rekognoszierungstruppe zurückkehrt und berichtet, daß es keine Gefahr hat, wird eine zweite Truppe ausgeschickt, um den ersten Bericht zu erhärten, bevor das ganze Korps vorwärts rückt. Mit verwandten Arten halten die Kraniche wirkliche Freundschaft; und in der Gefangenschaft gibt es keinen Vogel, außer dem ebenso geselligen und hochintelligenten Papagei, der eine so echte Freundschaft mit dem Menschen schließt." (24)

"Der Kranich ist von früh morgens bis in die späte Nacht hinein fortwährend in Bewegung; aber er verwendet nur ein paar Vormittagsstunden für die Arbeit, seine Nahrung zu suchen, die hauptsächlich aus Pflanzen besteht. Der ganze Rest des Tages ist dem Gesellschaftsleben gewidmet. ... Da er in Gesellschaft lebt, hat er fast keinen Feinde, und obzwar Brehm einmal sah, wie einer von ihnen von einem Krokodil gefangen wurde, so betonte er doch, daß er außer dem Krokodil keine Feinde des Kranichs kenne. Er meidet sie alle dank seiner sprichwörtlichen Vorsicht; und er erreicht in der Regel ein sehr hohes Alter. Kein Wunder, daß der Kranich für die Erhaltung der ARt keine zahlreichen Nachkommen aufzuziehen hat; er brütet gewöhnlich nur zwei Eier aus. Was seine überlegene Intelligenz angeht, so genügt es, zu sagen, daß alle Beobachter einstimmig versichern, seine intellektuellen Gaben erinnerten einen sehr an die des Menschen." (25)

"Der andere, äußerst gesellige Vogel, der Papagei, steht wie bekannt, mit der Entwicklung seiner Intelligenz durchaus an der Spitze des Vogelreiches." (25)

Über Papageien: "Sie freuen sich ebenso auch der Gesellschaft anderer Vögel. In Indien kommen die Häher und Krähen aus meilenweiter Entfernung zusammen, um die Nacht in der Gesellschaft der Papageien in den Bambusgebüschen zu verbringen. Wenn die Papageien zur Jagd aufbrechen, entfalten sie eine erstaunliche Intelligenz, Vorsicht und Fähigkeit, sich den Umständen anzupassen. Man nehme z.B. eine Bande weiße Papageien in Australien. Bevor sie aufbrechen, um ein Kornfeld zu plündern, schicken sie zuerst eine Rekognoszierungstruppe aus, die die höchsten Bäume in der Nachbarschaft des Feldes besetzt, während andere Posten oben auf den zwischen Feld und Wald gelegenen Bäumen sitzen und die Signale übermitteln. Wenn der Bericht lautet: 'Alles in Ordnung', dann trennen sich ein paar Kakadus vom Gros der Bande, machen einen Flug in die Luft und fliegen dann auf die Bäume zu, die dem Feld am nächsten liegen. Auch sie untersuchen die Nachbarschaft lange Zeit, und erste dann geben sie das Signal zum allgemeinen Vorrücken, worauf die ganze Bande auf einmal aufbricht und das Feld im Augenblick plündert. Die australischen Ansiedler haben die größten Schwierigkeiten, die Vorsicht der Papageien zu überlisten; aber wenn es dem Menschen mit all seiner List und seinen Waffen gelungen ist, einige von ihnen zu töten, dann werden die Kakadus so vorsichtig und wachsam, daß sie von da ab alle anschläge vereiteln." (26)

"Es kann kein Zweifel sein, daß es die Gewohnheit, in Gesellschaft zu leben, ist, die die Papageien befähigt, diese außerordentlich hohe Stufe von fast menschlicher Intelligenz und auch fast menschlichen Fühlens, wie wir es an ihnen kennen, zu erreichen." (26f)

"Ihre hohe Intelligenz hat die besten Naturforscher dazu gebracht, einige Arten, namtenlich den grauen Papagei, als den 'Vogelmenschen' zu bezeichnen. Was ihre Anhänglichkeit aneinander angeht, so ist es bekannt, daß, wenn ein Papagei von einem Jäger getötet worden ist, die anderen mit klagenden Schreien über den Leichnam ihres Genossen fliegen und 'als Opfer ihrer Freundschaft selbst zu Boden fallen', wie Audobon sagte; und wenn zwei gefangene Papageien, auch wenn sie zu verschiedenen Arten gehören, Freundschaft miteinander geschlossen haben, so ist dem einen der beiden Freunde manchmall der andere im Tode gefolgt vor Kummer und Schmerz über den gestorbenen Freund." (27)

"Nehmen wir z.B. einen von den zahllosen Seen der russischen und sibirischen Steppen. Seine Ufer sind mit Myriaden von Wasservögeln bevölkert, die mindestens zu zwanzig verschiedenen Arten gehören und doch alle in völligem Frieden beisammenleben - alle einander beschützend." (29)

"Und da sind die Raubtiere - die stärksten, ,die listigsten, die 'die idealsten Organe für Räuberei haben'. Und man hört ihre hungrigen, wütenden, gräßlichen Schreie, wie sie Stunden hintereinander auf die Gelegenheit warten, aus diesen Massen von Lebewesen ein einziges ungeschütztes Individuum zu erpacken. Aber sowie sie sich nähern, wird ihre Gegenwart von Dutzenden freiwilliger Posten signalisiert, und Hunderte von Möwen und Seeschwalben machen sich dran, den Räuber zu verfolgen. Toll vor Hunger vergißt der Räuber bald seine gewöhnliche Vorsicht: er stürzt plötzlich unter die lebende Masse; aber von allen Seiten angegriffen, wird er wieder in die Flucht geschlagen. Aus purer Verzweiflung fällt er unter die Wildenten; aber die verständigen, geselligen Vögel sammeln sich sofort zu einem Zug und fliegen davon, falls der Räuber ein Seeadler ist; sie tauchen unter, wenn er ein Falke ist, oder sie wirbeln Wasser in die Höhe und erschrecken den Angreifer, wenn er eine Weihe ist. Und während das Leben an dem See weiterschwärmt, fliegt der Räuber mit wütendem Geschrei davon und hält Umschau nach einem Stück Aas oder einem jungen Vogel oder jungen Feldmaus, die noch nicht gewohnt sind, zur rechten Zeit auf die Warnung ihrer Genossen zu hören. Angesichts überreichen Lebens, muß der ideal bewaffnete Räuber sich mit dem Abfall dieses Lebens zufrieden geben." (30)

"Der Austerfischer ist berühmt dafür, daß er die Raubvögel angreift. Der Sumpfläufer ist für seine Wachsamkeit bekannt, und er wird leicht der Führer von friedlicheren Vögeln. Der Morinell überläßt es, wenn er von Genossen umgeben ist, die zu energischeren Arten gehören, ihnen die Gesellschaft zu verteidigen, und ist sogar ein fast furchtsamer Vogel, aber wenn er von kleineren Vögeln umgeben ist, nimmt er es auf sich, für die Sicherheit der Gemeinschaft Wache zu halten und fordert von ihnen Gehorsam. Hier habt ihr die herrischen Schwäne, dort die äußerst friedlichen isländischen Möwen, unter denen Streitigkeiten selten und kurz sind, die reizenden Polarlummen, die fortwährend zärtlich zueinander sind, die egoistische Gans, die die Waisen seines getöteten Genossen zurückgewiesen hat, und ihr zur Seite ein anderes Weibchen, das jedermanns Waisen adoptiert und nun, von fünfzig oder sechzig Jungen umgeben, dahinplätschert, die sie führt und hegt, als ob sie alle ihre eigene Brut wären." (31)

Kleine Uferschwalben haben keine Angst, in der Nähe eines Präriefalken (Palco polyargus) zu nisten. "Die kleinen friedlichen Vögel hatten keine Furcht vor ihrem räuberischen Nachbar; sie ließen ihn nie an ihre Kolonie herankommen. Sie umringten ihn sofort und verfolgten ihn, so daß er schleunig ablassen mußte." (32)

"Als die Europäer anfingen, sich in Amerika niederzulassen, fanden sie es so dicht mit Büffeln bevölkert, daß die Vorschreitenden ihren Marsch unterbrechen mussten, wenn eine Schar reisender Büffel den Weg, den sie gingen, kreuzten; es dauerte manchmal zwei oder drei Tage, bis der Marsch des gedrängten Zuges vorüber war. Und als die Russen von Sibirien Besitz ergriffen, fanden sie es so dicht mit Rotwild, Antilopen, Eichhörnchen und anderen geselligen Tieren bevölkert, daß die eigentliche Eroberung Sibiriens eine Jagdexpidition war, die zweihundert Jahre dauerte; und die Grasebene von Ostafrika sind noch mit Herden von Zebras, Hartebeestern und anderen Antilopen bedeckt." (35)

"All diese Säugetiere leben in Gesellschaften und Völkern, die manchmal Hunderte oder Tausende Individuen umfassen, obwohl wir jetzt nach drei Jahrhunderten Schießpulverkultur nur noch die Trümmer der ungeheuren Scharen von einst vorfinden. Wie winzig ist im Vergleich mit ihnen die Zahl der fleischfresser! Und wie falsch ist daher die Ansicht derer, die von der Tierwelt so sprechen, als ob in ihr nichts zu sehen wäre als Löwen und Hyänen, die ihre blutigen Zähne ins Fleisch ihrer Opfer bohren! Man könnte ebenso fabeln, das ganze menschliche Leben sei von Anfang bis zu Ende nichts als Kriegsgemetzel." (36)

Wilde Hunde Asiens (Kholsums oder Dholes) jagen in großen Rudel, dass sie außer Elefanten und Rhinozerosse alles angreifen. Sogar Bären und Tiger haben sie schon erlegt. (37)

Der Polarfuchs soll vor über 100 Jahren, als er noch zahlreicher war, "eines der geselligsten Tiere" gewesen sein. Ihre außergewöhnliche Intelligenz und die gegenseitige Hilfe war berühmt. Sie gruben Nahrung aus, die Menschen unter Steinhügeln versteckten. War die Nahrung auf Pfeilern untergebracht, so kletterte einer der Füchse hinauf und warf die Nahrung seinen Genossen hinunter. (37f)

"Die schwarzen Eichhörnchen des fernen Westens sind äußerst gesellig. Abgesehen von den paar Stunden täglich, die sie zum Nahrungssuchen verwenden, verbringen sie ihr Leben in zahlreichen Spielgesellschaften. Und wenn sie sich in einer Gegend zu schnell vermehren, dann versammeln sie sich in Abteilungen, die fast so zahlreich sind, wie die der Heuschrecken, und reisen südwärts, wobei sie Wälder, Felder und Gärten verwüsten; Füchse, Iltisse, Falken und Nachtraubvögel folgen ihren dichten Scharen und leben von den Vereinzelten, die zurückbleiben." (38)

Eichhörnchen und Erdhörnchen: "Das Erdhörnchen ... ist noch geselliger. Es ist dem Sammeln ergeben und stapelt in seinen unterirdischen Hallen große Massen eßbarer Wurzeln und Nüsse auf, die gewöhnlich im Herbst von Menschen geplündert werden. Nach einigen Beobachtern muss es die Freuden des Geizes kennen. Und doch bleibt es gesellig. Es liebt immer in großen Kolonien, undn Audubon, der einige seiner Wohnungen im Winter öffnete, fand mehrere Individuen im selben Raum; sie müssen ihre Vorräte mit gemeinsamen Anstrengungen gesammelt haben." (38f.)

"Vereinigung ist ihre Hauptwaffe im Kampf ums Leben, und der Mensch ist ihr Hauptfeind. Vor seiner wachsenden Zahl haben es die Vorfahren unserer Hauspferde (...) vorgezogen, sich in die wildesten und unzugänglichsten Pateaus an den Grenzen des Tibets zurückzuziehen, wo sie, umgeben von Raubtieren, unter einem Klima, das so böse ist wie in den Polargegenden, aber in einer Gegend, die dem Menschen unzugänglich ist, weiterleben." (42)

"Viele vorzügliche Beispiele sozialen Lebens könnten dem Leben der Renntiere entnommen werden, und besonders aus der großen Abteilung der Wiederkäuer, die die Rehe, Damhirsche, Antilopen, Gazellen und Steinböcke und in der Tat die ganzen drei Familien der Antilopiden, Capriden und Oviden umfaßt. Ihre Wachsamkeit über die Sicherung ihrer Herden gegen Angriffe der Raubtiere; die Ängstlichkeit, die alle Individuen in eine Gemsenherde an den Tag legen, solange nicht alle eine schwierige Stelle über steile Felsklippen hinter sich haben; die Adoption von Waisen; die Verzweiflung der Gazelle, wenn ihr Gatte oder auch ein Genosse desselben Geschlechts getötet worden ist; die Spiele der Jungen, und viele andere Züge könnten erwähnt werden. Aber vielleicht das auffallendste Beispiel gegenseitiger Hilfe liegt in den Wanderungen der Hirsche vor, wie ich einst eine am Amur gesehen habe. ... Ich fand die Kosaken in den Dörfern der Schlucht in der größten Aufregung, weil Tausende und Abertausende von Hirschen über den Amur schwammen, wo er am engsten ist." (43)

Über Affen: "Sie leben in großen Herden und vereinigen sich sogar mit anderen Arten als ihrer eigenen. Die meisten von ihnen werden ganz unglücklich, wenn sie allein sind. Ertönt ein Notschrei eines von der Herde, so rottet sich sofort zusammen und sie stoßen kühn die Angriffe der Raubtiere und Raubvögel zurück. Selbst Adler wagen nicht sie anzugreifen. Sie plündern unsere Felder immer in Scharen, indem die Alten die Sorge für die Sicherheit der Gesamtheit übernehmen. Die kleinen Uistitis, deren kindliche, niedliche Gesichter auf Humboldt solchen Eindruck machten, umarmen und beschützen sich, wenn es regnet, indem sie ihre Schwänze über die Hälfte ihrer zitternden Kameraden rollen. Einige Arten entfalten die größte Besorgnis, wenn einer von ihren Kameraden verwundet ist und verlassen ihn nicht an der Zufluchtsstätte, bis sie sicher sind, daß er tot ist und sie unfähig sind, ihn zum Leben zurückzuholen. So erzählt James Forbes in seinen Oriental Memoirs, wie sie von seiner Jagdgesellschaft den Leichnam einer Äffin mit slcher Beharrlichkeit zurückgefordert hätten, daß man vollkommen begreift, warum 'die Zeugen dieser außerordentlichen Szene beschlossen, nie wieder auf einen vom Affenstamm zu schießen.'" (46)

"Wir sehen also, selbst aus dieser kurzen Übersicht, daß das Sesellschaftsleben in der Tierwelt keine Ausnahme ist; es ist die Regel, das Naturgesetz, und es erreicht seine höchste Stufe mit den höheren Wirbeltieren. Die Arten, denen Individuen isoliert oder nur in kleinen Familien leben, sind verhältnismäßig selten und die Zahl ihrer Glieder ist gering. Ja, es scheint sehr wahrscheinlich, daß, abgesehen von einigen Ausnahmen, die Vögel und Säugetiere, die sich jetzt nicht zusammenscharen, in Gesellschaften gelabt haben, ehe der Mensch sich auf der Erde vermehrte und einen fortwährenden Krieg gegen sie führte oder es ihnen unmöglich machte, wie früher ihre Nahrung zu finden." (47)

"... die Liebe zur Gesellschaft um der Gesellschaft willen, vereinigt mit der 'Lebensfreude', zieht erst jetzt die notwendige Aufmerksamkeit des Zoologen auf sich. Wir wissen jetzt, daß alle Tiere, zu beginnen mit den Ameisen, über die Vögel weg zu den höchsten Säugetieren, es liebe zu spielen, miteinander zu balgen, hintereinander herzurennen, einander zu haschen, einander zu necken usw. Und während manche Spiele sozusagen für die Jungen eine Vorschule für das richtige Benehmen im reiferen Lebensalter sind, gibt es wieder andere, die, abgesehen von ihren nützlichen Zwecken, zugleich mit Tanzen und Singen bloße Äußerungen überschüssiger Kraft sind - der 'Lebensfreude' und der Wunsch, auf eine oder die andere Weise mit anderen Individuen derselben oder anderer Arten zu verkehren - kurz, recht eigentlich eine Äußerung der Geselligkeit, die den Charakterzug der gesamten Tierwelt ist. Ob es das Gefühl der Furcht ist, etwa beim Herannahen eines Raubvogels, oder ein Strahl des Glückes, wenn die Tiere sich gesund und vor allem jung fühlen, oder bloß das Bedürfnis, einem Überschuß des Empfindens und der Lebenskraft Luft zu machen - die Notwendigkeit, Gefühle mitzuteilen, zu spielen, zu schwatzen oder einfach zu empfinden, daß andere befreundete Wesen in der Nähe sind, erfüllt die ganze Natur, und ist ebenso wie irgendeine andere physiologische Funktion ein notwendiger Bestandteil des Lebens und des Bewußtseins." (49)



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Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Peter Kropotkin: Gegenseitige Hilfe in Tier- und Menschenwelt. Leipzig 1908,