Ralf Stoecker

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Sonstiges

Ralf Stoecker lud Alan Shewmon als Referent zu einem Workshop ein. Von den Medizinern kamen Hartmut Schmidt und Eckhard Nagel, wenn auch nur kurz. Die übrigen Mediziner haben abgesagt.[Anm. 1] Dies bedauerte Ralf Stoecker ("was schade ist"). "Um so erfreuter sind wir, daß aus den Bereichen Philosophie und Recht sehr wichtige Vertreter gekommen waren."[1]

Schriften

Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland (2009)

2009 veröffentlichte Ralf Stoecker den Artikel "Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland".[2]

Der Verweis auf die ‚Lebendigkeit‘ legt allerdings eine andere Reaktion der Hirntodkritiker viel näher, nämlich zu bezweifeln, dass ein Mensch mit dem Verlust des personalen Lebens, sprich: aller mentalen Eigenschaften, notwendigerweise schon tot ist. (46)

Selbst im Großhirntod ist mit dem Hirntod mehr ausgefallen, als die "mentalen Eigenschaften". Nicht mit in den Blick genommen sind mit den "mentalen Eigenschaften" die Aufgaben und Funktionen des Hirnstamms. Diese sind beim Gesamthirntod auch erloschen.

Was dagegen spricht ist zum einen die Feststellung, dass auch manche nicht hirntote Menschen keine mentalen Eigenschaften haben (unwiderruflich bewusstlose Wachkomapatienten, anenzephale Säuglinge), so dass man diese ebenfalls als tot ansehen müsste, was absurd wäre. (46)

Bei Wachkomapatienten sind nicht alle Hirnstammreflexe erloschen, bei Hirntoten sehr wohl. - Anenzephalie hat unterschiedliche Ausprägungen. Nur ein Neugeborenes, das weder Großhirn, Kleinhirn noch Hirnstamm hat, entspricht dem pathophysiologischen Zustand von Hirntoten. Da diesem anenzephalen Neugeborenen sämtliche Hirnstammreflexe - darunter der lebenswichtige Atemreflex - fehlen, wird es als Totgeburt entbunden.

Das Gehirn ist zweifellos das wichtigste Organ für die Aufrechterhaltung des menschlichen biologischen Lebens, aber auch das Gehirn ist nicht unverzichtbar. (46)

Das Gehirn ist insofern verzichtbar, als heutige Intensivmedizin für einen begrenzten Zeitraum die ausgefallene Homöostase ersetzen kann. Doch das Wesen des Menschen besteht nicht in einem funktionierenden Blutkreislauf, sondern in der Wahrnehmung seiner Selbst und seiner Umwelt sowie der Interatktion mit diesen. Dies kann die Medizin nicht ersetzen.

Hirntote haben diese homöostatische Fertigkeit in viel geringerem Maße als ein gesunder Mensch, sie sind deshalb erheblich auf die Unterstützung der Intensivmedizin angewiesen, damit ihr Organismus nicht „entgleist“, zugleich haben sie aber noch eine ganze Reihe dieser Fähigkeiten, sonst wären die medizinischen Unterstützungsmaßnahmen, die sich nicht wesentlich von der intensivmedizinischen Betreuung nicht hirntoter Patienten unterscheiden, gar nicht möglich. Herztote Menschen haben hingegen alle homöostatischen Fähigkeiten verloren (selbst wenn noch eine Zeit lang in einzelnen Zellen ein Kreislauf erhalten bleibt). (47)

Der Aufwand, der für Hirntote betrieben werden muss, damit sie einen stabilen Blutkreislauf haben, ist enorm. Dagegen ist es mit einer ECMO sehr einfach, bei einem frischen Herztoten die Blutkreislauf weiterhin aufrecht zu erhalten.

Der Herztote, könnte man sagen, lebt biologisch gesehen gar nicht mehr, der Hirntote nur noch ein bisschen, wir dagegen voll und ganz. (47)

Herztote haben einen über Tagen erlöschenden Anteil intramediären Lebens. Hirntote haben einen maximalen Anteil intermediären Lebens, das über Tage und Wochen, bei jungen Hirntoten auch über wenige Monate aufrecht erhalten werden kann.

Aber auch wer nur ein bisschen lebt, lebt. (47)

Dann leben Herztote mit intramediärem Leben? Siehe: Sterbeprozess

Bleibt uns also nichts anderes übrig als am Ende doch noch in den sauren Apfel zu beißen und die Transplantationsmedizin als eine moralisch unhaltbare Opferung Sterbender zugunsten schwerkranker Dritter abzulehnen? (48)

Siehe: Diffamierung

Es werden längst nicht so viele Organe gespendet wie benötigt werden, und es ist auch nicht absehbar, dass sich diese Schere tendenziell schließen wird. Deshalb wird schon lange nach Abhilemaßnahmen gesucht. Eine dieser Möglichkeiten besteht nun aber darin, den Kreis der potentiellen Spenderinnen und Spender auszuweiten. In der Hirntoddebatte war im Zusammenhang mit so genannten "Großhirntod-Konzeptionen" gelegentlich geargwöhnt worden, dass man auch Wachkomapatienten als Spender nutzen wollte. Tatsächlich hat sich die Transplantationsmedizin aber einer anderen Spendergruppe zugewandt, Patienten mit Herzstillstand. (49)

In Deutschland ist keine Bemühung zu erkennen, von Gesamthirntod abzuweichen. In Deutschland sind die BÄK und andere medizinische Gesellschaften gegen die Einführung der DCD. Daher sind diese beiden Themen für Deutschland reine Panikmache.

Für aussichtslos halte ich alle Versuche, doch noch irgendwie festzustellen, dass die hirntoten Spender und die Spender mit Herzstillstand in Wirklichkeit tot sind. In meinen Augen hat Truog Recht, dass dies nur mit massiver Selbsttäuschung gelingen kann. (56)

Mit oberflächlichem Wissen über Hirntod ist wohl dieser von Truog vorgeschlagene Weg zu gehen. Sinnvoller ist jedoch, dass zumindest unter den gebildeten Menschen die Bemühung vorherrschen sollte, den pathophysiologischen Zustand des Hirntodes und seine anthropologische Tragweite besser zu verstehen.

Will man trotzdem daran festhalten, dass Transplantationen nützlich und sinnvoll sind, dann liegt es zunächst nahe, sich in das andere Horn des Dilemmas zu stürzen und beispielsweise mit Truog zu akzeptieren, dass man unter Umständen Organe entnehmen darf, auch wenn die Spender noch nicht tot sind, also die Dead Donor Rule aufzugeben. Das Problem für diesen Vorschlag liegt allerdings in der Gefahr, dass damit Tür und Tor für andere Formen der fremdnützigen Tötung geöffnet werden, z.B. von dauerhaft komatösen Menschen, hinsichtlich derer ebenfalls die Frage gestellt werden könnte, ob es nicht besser wäre, mit ihren Organen einen oder mehrere kranke Mitmenschen zu retten. (56)

Aus diesem Grund sollte man den Hirntod besser verstehen, um dann selbst zu erkennen, dass Hirntote Tote sind.

Wenn man sich aber auf keines der Hörner eines Dilemmas einlassen will, dann sollte man sich auch besser gar nicht erst hinein begeben. Diese Strategie scheint mir die aussichtsreichste zu sein. (56)

Damit wären Hirntote bis zum Herzstillstand intensivmedizinisch zu versorgen.

Diese moralische Grundannahme über den Tod konnte sich deshalb so lange halten, erstens weil die Menschen in der Regel so gestorben sind, dass sie innerhalb einer kurzen Frist alle diese Verluste durchlaufen haben, und zweitens weil es innerhalb dieser Spanne keinen Handlungsbedarf gab. (58)

Dies gilt bis Ende des 18. Jh. Seit den ersten erfolgreichen Reanimationen ist die Trennlinie zwischen Leben und Tod nicht mehr so klar.

.. man konnte es sich leicht erlauben, den Menschen in Ruhe zu Ende sterben zu lassen (und zudem die Scheintod-Gefahr zu bannen), denn es gab keinen Grund zur Eile. (58)

Bei Hirntoten stand zunächst die Rettung des Lebens und Wiederherstellung der Gesundheit im Fokus, als man mit den Maßnahmen der Intensivmedizin begann. Dies rettet auch vielen Menschen das Leben, aber bei einigen wenigen ist jedoch die Grunderkrankung so schwerwiegend, dass schließlich ein Hirntoter auf der Intensivstation liegt. Was ist nun mit ihm zu tun?

Wie steht es beispielsweise mit unseren Menschenrechten? Haben wir sie nur so lange wir leben, und wenn ja, warum? (59)

Mit dem Tod verliert der Mensch seine Menschenrechte, weil er mit Eintritt des Todes kein Mensch mehr ist, sondern ein Leichnam. Es ist zwar ein menschlicher Leichnam, aber eben ein Leichnam.

Kurz, ich plädiere dafür, die Hirntod-Debatte wieder aufzunehmen, allerdings in der Erwartung, dass wir dabei feststellen werden, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt zu entscheiden, ob hirntote Menschen oder Menschen unmittelbar nach dem Herzstillstand tot sind oder noch leben – auch wenn vieles für letztere Antwort spricht –, sondern dass es darauf ankommt, wie wir mit ihnen umgehen dürfen und sollten, gegeben, dass wir uns nicht mehr auf die moralische Grundannahme über den Tod verlassen dürfen. (59)

Ich plädiere dafür, dass wir uns den pathophysiologischen Zustand Hirntod und seine anthropologische Tragweite aneignen, insbesondere die Menschen, die über Hirntod publizieren.

Die Hirntod-Debatte aus philosophischer Sicht (2003)

2003 veröffentlichte Ralf Stoecker den Artikel "Die Hirntod-Debatte aus philosophischer Sicht".[3] Darin heißt es:

Diese zweite begriffliche Vorbemerkung, daß es genau genommen um das Totsein und nicht den Tod geht, ist deshalb wichtig, weil in der Debatte gelegentlich darauf hingewiesen wird, dass der Tod ein zeitlich ausgedehnter Prozeß sei, um daraus dann den Schluß zu ziehen, also ließe sich nicht genau bestimmen, wann ein Mensch tot ist. Die Prämisse stimmt, der Tod ist ein Prozeß, aber die Konklusion folgt daraus nicht, denn tot ist der Mensch erst dann, wenn er diesen Prozeß hinter sich hat, und inwiefern sich dieser Zeitpunkt genau lokalisieren läßt, hängt nicht von der Dauer des Todes-Prozesses ab, sondern davon, wie abrupt er endet. (51)

Sterben ist ein Prozess, Tod ist eine Definition. Siehe: Sterbeprozess

Was immer die Medizin an Wiederbelebungsmaßnahmen erfinden wird, so ist es doch undenkbar, daß sie die Toten wieder auferwecken wird, allenfalls kann sie noch mehr Zustände als Scheintod entlarven als heute bekannt sind. (51)
Es gibt traditionell eine Vielzahl von Vorschlägen für Merkmale, die ein Lebewesen von unbelebten Dingen auszeichnen: Stoffwechsel z.B., Wachstum und Reproduktion, Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit. Aber nicht alles, was zur Unterscheidung zwischen Lebewesen und dem Rest der Welt tauft, ist auch geeignet, zwischen lebenden und toten Lebewesen zu unterscheiden. Das ist vielleicht am deutlichsten bei der Fortpflanzungsfähigkeit. Auch wenn es stimmen mag, daß sie ein Kennzeichen für Lebewesen ist, so ist sie sicher untauglich, das Leben des einzelnen Wesens zu begrenzen. Man ist eben noch längst nicht tot, wenn man nicht mehr zeugungsfähig ist. (52)
Daran schließt sich unmittelbar als viertes Problem die Frage an, wie sich genau der Verlust der Regulationsfähigkeiten und der des Lebens zueinander verhalten. Ist das Wesen schon tot, wenn es irgendeine seiner Regulationsfähigkeit verloren hat? Das kann nicht sein, wie das Beispiel der künstlichen Beatmung zeigt. Oder ist es erst tot, wenn es alle diese Fähigkeiten verloren hat? Das kann es auch nicht sein, denn gerade auf zellulärer Ebene laufen diese Prozesse auch bei unzweifelhaft toten Lebewesen noch eine ganze Zeit lang weiter. Bei welchem Verlust ist das Wesen dann aber tot? (53)
Deshalb reagieren Verfechter der Hirntod-Konzeption gewöhnlich anders auf die genannten Probleme: erstens indem sie zwischen zentralen undn peripheren Steuerungsmechanismene unterscheiden und das Leben alleien an die Existenz der zentralen Mechanismen knüpfen, und zweitens indem sie davon ausgehen, daß ein Mensch erst dann tot ist, wenn er alle diese vitalen Fähigkeiten unwiderruflich verloren hat. Unter diesen Umständen kann man dann die Aufrechterhaltung einiger dieser Fähigkeiten, z.B. durch die künstliche Beatmung eines zweifellos lebenden Intensivpatienten, als Hilfe zur Selbstregulierung des Organismus betrachten, während eine Substitution aller vitalen Fähigkeiten als externe Erhaltung eines nicht mehr selbstregulierten Organismus gilt, z.B. beim Hirntoten. (54)
Was so suggestiv ist, ist die ganz einfach Überlegung:

1. Prämisse (Ebene 1): Ein Mensch ist tot,wenn er endgültig das Bewußtsein verliert.
2. Prämisse (Ebene 2): Hirntote Menschen haben endgültig das Bewusstsein veroren.
Konklusion: Sie sind tot.
Wie suggestiv diese Überlegung ist, zeigt sich nicht nur bei den Befürwortern der Hirntod-Konzeption, sondern auch auf Seiten ihrer Gegner, nämlich in dem großen Stellenwert, den Zweifel an der zweiten Prämisse in der Debatte einnehmen, also Zweifel daran, ob man nicht ohne funktionnstüchtiges Gehirn möglicherweise doch noch etwas empfinden kann. (57)

Hirntoten ist alle Wahrnehmung für immer erloschen.

Nach dieser Antwort, die ursprünglich auf John Locke zurückgeht, gibt es so etwas wie ein mentales Band, eine Abfolge von Erlebnissen, Gefühlen und Gedenken von meinem daligen zu meinem heutigen und weiter zu meinem künftigen Ich. Dieses biiographische Band stellt die Identität her. (59)
Dieses sogenannte 'ontologische' Argument für die Hirntod-Konzeption ist, wie gesagt, eher etwas für Philosophen als für Praktiker, es findet aber seine Entsprechung in einer Reaktion von Angehörigen schwer hirnverletzter Menschen, von der häufig berichtet wird, daß die Angehörigen nämlich einen Unterschied machen zwischen dem eigentlichen und dem erst später eintretenden medizinischen Tod der Patienten. (60)
Diesseits bestimmter religiöser Überzeugungen gibt es keinen Grund zu bezweifeln, daß ein Mensch so lange existiert, wie sein Körper noch nicht zerstört ist, und das tritt gewöhnlich erst einige Zeit nach seinem Tod ein. Es gibt deshalb aus ontologischer Sicht keinen Grund für die Gleichsetzung des Todes mti dem Ausfall des Gehirns oder gar nur eines Teils des Gehirns. Damit komme ich zu dem Schluß, daß es überhaupt keine überzeugende begriffliche Verknüpfung zwischen Leben und Bewußtsein gibt, abgesehen von der selbstverständlichen Feststellung, daß jemand, der bei Bewußtsein ist, natürlich auch lebt. Auf diesem Weg findet sich also keine Antwort auf die Frage, wann ein Mensch tot ist. (61)

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Anhang

Anmerkungen

  1. Es darf angenommen werden, dass den Medizinern bei diesem Referenten die Zeit zu schade war, weil sie seine Position nicht teilen.

Einzelnachweise

  1. http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/report/m0ri0022.html Zugriff am 08.08.2019.
  2. Ralf Stoecker: Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland. In: D. Preuß, N. Knoepffler, K.-M. Kodalle (Hg.): Körperteile - Körper teilen. Kritisches Jahrbuch der Philosophie. Beiheft 8/2009, 41,52. Nach: https://aerzte-fuer-das-leben.de/pdftexte/stoecker-reanimation-der-hirntod-debatte.pdf Zugriff am 08.08.2019.
  3. Ralf Stoecker: Die Hirntod-Debatte aus philosophischer Sicht. In: Alberto Bondolfi, Ulrike Kostka, Kurt Seelmann (Hg.): Hirntod und Organspende. Basel 2003, 49-70.