Intermediäres Leben

Aus Organspende-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Patientenverfügung und Organspende Sterbeprozess Entscheidungshilfen Widerspruchsregelung Medien Religion
Vom Patienten zum Organspender Intermediäres Leben Zufriedenheit Risiken der TX Texte Zitate
Organhandel Verbesserungen Alternativen Organe Bücher
Organprotektive Intensivtherapie Organmangel [[]] Dank dem Spender Spenden Skandale
World Transplant Games korrekte Sprache Nachsorge Gesetzesänderungen Ausland Glossar


Hintergrund dieser Seite

Aussagen wie "Zunächst galt: Bei einem Toten zeigen sich keinerlei Reflexe, keine Bewegungen mehr. Inzwischen gelten 17 Bewegungen beim Mann und 14 Bewegungen bei der Frau als mit dem Status einer Leiche vereinbar."[1] führten dazu, dieses Thema ausführlicher zu behandeln.

Allgemeines

Definition

Intermediäres Leben[Anm. 1] beschreibt die Phase vom Individualtod[Anm. 2] (Hirntod) bis zum Absterben der letzten Körperzelle, dem biologischen Tod.
intermediär (lat. = dazwischenliegend)

Als intermediäres Leben bezeichnet man den Zeitraum zwischen Idividualtod und Absterben der letzten Zelle.

[2]

Sterben als Prozess

Sterben ist ein Prozess. D.h. dass mit dem Eintritt des Todes eines Menschen nicht gleichzeitig der Körper tot ist. Die Organe und Zellen des Körpers arbeiten noch Minuten bis Stunden ganz normal weiter. Sie weisen Stoffwechsel auf. Ihre Funktionalität bleibt für diese Zeitspanne noch erhalten.

Äußere Einflüsse haben großen Einfluss auf die Zeiten der zum intermediären Leben gehörenden Prozesse. Hierzu gehören:

  • Körpertemperatur[Anm. 3]
    Bei niederen Temperaturen verlaufen die Stoffwechselprozesse langsamer. Dies führt zu längeren Zeiten.
    Bei hohen Temperaturen verlaufen die Stoffwechselprozesse schneller. Dies führt zu kürzeren Zeiten.
  • Strahlung
    Hohe Strahlungswerte schädigen die Zellen. Dies führt zu einem schnelleren Zelltod und zu kürzeren Zeiten.
  • Chemische Stoffe
    Es gibt chemische Stoffe, die den körperlichen Zerfall des toten Körpers beschleunigen. Dies trifft z.B. bei einigen Medikamenten zu, die bei Chemotherapie gegeben werden.

Verlauf der Prozesse

Die Prozesse des Intermediären Lebens verlaufen nicht synchron. Somit besitzen die einen Körperzellen noch ihre volle Funktionalität, während andere Körperzellen bereits in die Verwesung übergegangen sind.

Herztod

Der Herztod ist eingetreten, wenn ein Mensch weder durch Herzdruckmassage noch durch elektrische Schläge (Defibrillation) wieder ins Leben zurückgeholt werden kann. Bei Umgebungstemperatur von ca. 20°C ist dies bei Erwachsenen bei ca. 30 Minuten, bei Kindern bei ca. 60 Minuten. Schlägt nach dieser Zeit das Herz nicht wieder selbständig, wird die Reanimation beendet.

Der Mensch gilt damit noch nicht als tot, denn der Hirntod ist damit noch nicht festgestellt. Die sicheren Todeszeichen (z.B. Todesstarre, Todesflecken) liegen noch nicht vor. Sie gelten neben der Hirntoddiagnostik als Nachweis für Hirntod.[Anm. 4] Erst nach diesem Nachweis wird der Totenschein vom Arzt unterschrieben.

Kreislaufstillstand mit Reanimation

Bereits 3 Minuten Kreislaufstillstand genügen für die Gefahr bleibender Hirnschädigung.[3] Ab 10 Minuten Kreislaufstillstand droht der Hirntod. - Da das Herz bis zu 30 Minuten reanimiert werden kann,[Anm. 5] besteht für das Zeitfenster zwischen 10 und 30 Minuten Kreislaufstillstand die Gefahr auf Hirntod.

Nach erfolgreicher Reanimation liegt oft ein Patient ohne Eigenatmung vor. Daher muss dieser künstlich beatmet werden. Um die Schädigung des Gehirns möglichst gering zu halten, werden dieses Patienten seit Jahrzehnten für 24 Stunden auf 33°C abgekühlt (Hypothermie). Es ist ein Versuch, keine Garantie.

Sind nach diesen Maßnahmen und Absetzung der sedierenden Medikamenten keine vom Gehirn stammende Reflexe (zerebrale Reflexe) feststellbar, wird eine Hirntoddiagnostik durchgeführt. Wird hierbei der Verdacht auf Hirntod bestätigt, ist der Mensch als Person gestorben. Der Individualtot ist nachgewiesen. Damit wird der Totenschein unterschrieben.

Der Hirntod ist der Tod des Menschen. Der Mensch als Individuum ist damit tot (Individualtod). Damit beginnt für seinen Körper das intermediäre Leben.

Kreislaufstillstand ohne Reanimation

Die meisten Menschen sterben ohne Versuch einer Reanimation. Da das Gehirn das "hungrigste" und empfindlichste Organ ist, stirbt es als erstes ab.

Ist das Gehirn abgestorben, ist der Hirntod eingetreten, auch wenn dieser noch nicht nachgewiesen ist. Der Mensch als Individuum ist damit tot (Individualtod). Damit beginnt nun für diesen Körper das intermediäre Leben.

Supravitale Reaktionen

Die supravitalen Reaktionen (lat. supra = "über", vitalis = "lebendig", => überlebend) sind die Reaktionen eines Körpers, die nach dem Tod eines Menschen (Individualtod} festgestellt werden können. Die in der Auflistung angegebenen Zeiten beziehen sich auf Eintritt des Blutkreislaufes.

h Aktivitäten nach ... h Herzstillstand
2,5 Durch Anschlagen des Oberschenkelmuskels im unteren Drittel mit einem Reflexhammer eine Aufwärtsbewegung der Kniescheibe ausgelöst werden entsprechend einer über den ganzen Muskel 'fortgeleiteten' Erregung (Zsakó’s Phänomen)
13 Auf den kräftiger Schlag auf einen großen Muskel bildet sich ein reversibler Wulst.[4]
22 Gesichtsmuskeln können durch gezielte elektrische Schläge zum Zucken angeregt werden.[5]
27 Augenringmuskulatur kann elektrisch gereizt werden.[6]
30 In die Haut wird Adrenalin injiziert, worauf die Haut an der Stelle Schweiß absondert.[7]
46 Pupillen können durch entsprechende Medikamente (z.B. Adrenalin) zu Reaktionen angeregt werden.[8]
64 Spermien sind noch 10 bis 64 Stunden funktionsfähig.[9]
72 Hornhaut des Auges hat nach 72 Stunden noch so guten Stoffwechsel, dass diese noch transplantiert werden kann.

Claus Henßge: Überleben von Geweben nach dem Tode

Kuriositäten

Bei einer 78 Jahre alt gewordenen Frau, Todesursache: spontane Hirnmassenblutung, sollen bis zwei Stunden nach der Todesfeststellung spontane koordinierte Bewegungen der rechten unteren Extremität einschließlich des Fußes aufgetreten sein. Die Autoren interpretieren diese Bewegungen als über das Rückenmark koordiniert. Als kurioser Beweis wird auf das dekapitierte Huhn verwiesen. Nach unserer Vermutung handelte es sich um vitale Spontanbewegungen einer fälschlicherweise für tot gehaltenen Frau. Aus dem Fallbericht ergibt sich kein sicheres Todeszeichen.[10]

Hirntod

Bei Hirntoten schlägt das Herz selbständig. Durch Erlöschen der Eigenatmung und Fähigkeit der selbständigen Ernährungsaufnahme erfolgen diese künstlich. Gestörte oder ausgefallene Funktionen der Selbstregulierung des Körpers (Homöostase)[Anm. 6] werden durch intensivmedizinische Maßnahmen ersetzt.[Anm. 7]

Durch diese intensivmedizinischen Maßnahmen kommt Sauerstoff über die Lunge ins Blut und das Kohlendioxyd (CO2) vom Blut in die Außenluft. Das Herz schlägt autonom, d.h. aus sich heraus. Damit ist es möglich, dass das sauerstoffreiche Blut über die Arterie in den Körper gelangt und das sauerstoffarme Blut über die Venen wieder zurück zu Herz und Lunge. Damit ist der Stoffwechsel des Körpers sichergestellt.

Das intermediäre Leben wird somit dauerhaft auf diesen Stand angehalten. Das heißt, es erfolgt kein weiterer Zerfall des Körpers, wie er sonst beim intermediären Leben zu beobachten ist. Dadurch reagiert der Körper von Hirntoten wie bei lebenden Menschen.

  • Herzschlag
    Das Herz schlägt autonom, solange es mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoff im Blut versorgt ist. Die Folge dieses Herzschlags sind:
    • Puls
      Hirntote weisen einen Pulsschlag auf.
    • Blutdruck
      Hirntote weisen einen Blutdruck auf.
    • Körperwärme
      Soweit beim Hirntoten die Selbstregulierung der Körpertemperatur nicht gestört oder gar ausgefallen ist, besitzt der Hirntote normale Körpertemperatur. Diese Körpertemperatur entsteht wesentlich als Abwärme des Stoffwechsels im Körper.
  • Immunsystem

Fazit

Ein Hirntoter ist ein Leichnam mit maximalem intermediären Leben.

Anhang

Allgemeine Quellen

Anmerkungen

  1. Intermediäre = lat. medium, Mitte, dazuwischenliegend. (Pschyrembel, Seite 805)
  2. Tod des Individuums, d.h. hier dies Menschen. Was hernach noch an "Lebenszeichen" zu sehen ist, gehört nicht mehr zum Leben des Menschen, sondern zum intermediären Leben, zum Leben der Organe und Zellen.
  3. Die Körpertemperatur hängt sehr von der dem Herzstillstand vorausgegangenen Situation ab. So führen körperliche Aktivitäten und Fieber zu hohen Körpertemperaturen. Mit dem Stillstand des Blutkreislaufes nimmt der Körper immer mehr die Umgebungstemperatur an. Entscheidend für die Zeitangaben des intermediären Lebens ist die Temperatur des Körpers.
  4. In der "Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes" (1997) heißt es in Anmerkung 5: "Nach dem endgültigen, nicht behebbaren Stillstand von Herz und Kreislauf kann der Hirntod von jedem approbierten Arzt durch äußere sichere Todeszeichen (zum Beispiel Totenflecke, Totenstarre) indirekt nachgewiesen werden."
  5. Oft weiß man nicht, wann der Kreislaufstillstand eingesetzt hat. Man versucht es einfach mit der Reanimation. Für das Zeitfenster von 10 bis 30 Minuten Kreislaufstillstand droht jedoch der Hirntod. Zwei Faktoren sind über den Erfolg der Reanimation entscheidend:
    • Je länger der Kreislaufstillstand angehalten hat, desto sicherer haben wir Menschen mit schlagendem Herzen, aber abgestorbenem Gehirn (Hirntote).
    • Je wirkungsloser die Reanimation durchgeführt wurde, desto größer ist die Gefahr auf Hirntod. - Hinweis: Optimale Herzdruckmassage entspricht etwa 60% Pumpleistung des Herzens.
  6. Hypophyse und Hypothalamus sind in Kopf befindliche Hormondrüsen mit entscheidenden Funktionen für die Homöostase. Diese Hormondrüsen gehören nicht zum Gehirn.
  7. So z.B. Die ausgefallene Selbstregulierung der Körpertemperatur (nehmen dann die Werte der Umgebung an, wie wechselwarme Blütler) wird durch Wärmedecken auf 36°C gehalten. Puls und Blutdruck wird durch Gabe von entsprechenden Medikamenten in den üblichen Grenzen gehalten.

Einzelnachweise