Gesa Lindemann

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[https://de.wikipedia.org/wiki/Gesa_Lindemann Gesa Lindemann (* 1956) ist eine deutsche Professorin der Soziologie.

Die Grenzen des Sozialen

Gesa Lindemann veröffentlichte im Jahr 2001 das Buch: "Die Grenzen des Sozialen".[1] Darin schreibt sie:

Die Bedingung für das gehäufte Auftreten des Zustandes, der heute als Hirntod bezeichnet wird, waren die Erfolge der Reanimation und der sich etablierenden Intensivmedizin. (106)

Vor Einführung der künstlichen Beatmung durch Björn Ibsen gab es keine Hirntote, da jeder Hirntote für die Aufrechterhaltung seines Blutkreislauf zwingend eine künstliche Beatmung benötigen, denn ein Kennzeichen des Hirntodes ist der irreversible Ausfall der Eigenatmung. Daher kann nicht von "gehäuften Auftreten" die Rede sein.
Es waren auch nicht "die Erfolge der Reanimation", die zu den Hirntoten geführt haben, sondern die Einführung der künstlichen Beatmung.

Die Einführung des Hirntodkonzepts trifft also nicht auf eine Situation, in der die jahrhundertealte Tradition gegolten hätte, die jetzt umgestürzt würde, eher wurde eine vertrauenserweckende Unsicherheit durch eine neue Sicherheit ersetzt. (107)

Die sicheren Todeszeichen (Totenflecken und Todesstarre) wurden erst um das Jahr 1900 allgemein als sichere Todeszeichen anerkannt. Der Herz-Lungen-Tod musste durch die ersten erfolgreichen Reanimationen Ende des 18. Jh. als sicheres Todeszeichen aufgegeben werden. Es gibt keine "jahrhundertealte Tradition" der Todesfeststellung.

Bestimmte Erscheinungsformen menschlicher Körper galten in den letzten 300 Jahren relativ konstant als Zeichen des Todes wie einsetzende Verwesung, Leichenflecken und Leichenstarre. (109)

Diese sichere Todeszeichen wurden erst Ende des 19. Jh. allgemein als sichere Todeszeichen anerkannt.

Durch die Intensivmedizin und die Reanimationsforschung wurde die Unsicherheit hinsichtlich des Todeseintritts auf die Spitze getrieben. (110)

Der Reanimationsforscher Vladimir Negovsky schrieb Mitte der 1940-er Jahre, dass eine Reanimation nur so lange erfolgreich sein kann, solange das Gehirn noch funktioniert. Das ist keine Verunsicherung, sondern eine klare Erkenntnis, die zudem um Jahre vor Einführung der künstlichen Beatmung festgestellt wurde.

Das Hirntodkonzept war zunächst ein Mittel, das es erlaubte, die Sinnlosigkeit einer weiteren Behandlung zu begründen, ... (110)

Im Jahr 1959 veröffentlichte Pierre Wertheimer einen Artikel, in dem er 4 Hirntote beschrieb, deren Blutkkreislauf trotz aller Bemühungen binnen 8 Tagen zusammenbrach. Monate später bestätigte Pierre Mollaret diese Zeitdauer mit 23 Hirntoten. Die Sinnlosigkeit der Weiterbehandlung wurde nicht begründet, sondern festgestellt.

Konkret lautete diese Frage: Wie lange ist es sinnvoll, die 'Vitalfunktionen' bei bewußtlosen Patienten künstlich aufrechtzuerhalten. (110)

Diese "bewusstlose Patienten", an denen sich diese Frage gestellt hat, waren Hirntote, auch wenn man sie damals noch nicht so bezeichnete.

Erst in dem Maße, wie es gelang, an diesen Orten die körpereigene Atmung, den körpereigenen Herzschlag und Blutdruck sowie die körpereigene Temperaturregelung dauerhaft künstlich zu ersetzen, ... (111)

Bei Hirntoten muss nur die Eigenatmung dauerhaft künstlich ersetzt werden. Herzschlag und Blutdruck sind nach wie vor vorhanden, werden jedoch durch Medikamente in den Grenzen der Normwerte gehalten, um eine Schädigung der Organe durch Minderdurchblutung zu verhindern. Die Körpertemperatur wird durch eine Wärmedecke auf 36°C gehalten.

Es gab also nur noch einzelne Funktionen und die entsprechenden Normwerte, aber nicht mehr das Leben eines Individuums. (111f)

Man blickte auf diese einzelnen Funktionen, um das Individuum Mensch am Leben zu erhalten.

Zum einen verlor die Intensivbehandlung, die die Aufrechterhaltung der Funktionswerte in den Mittelpunkt stellte, jeden Bezug auf das Subjekt des Todes - nämlich den lebendigen menschlichen Organismus, zum anderen konnte kein Kriterium mehr angegeben werden, um zwischen Leben und Tod unterscheiden. (112)

Hier wird aus einem Menschen (Leib-Seele-Einheit; psychosomatische Einheit) ein menschlicher Organismus gemacht. Es geht nicht mehr um den Menschen als geistiges Wesen, sondern nur noch um seinen Organismus.
Bereits 1960 hat Pierre Wertheimer mit seinem Therapieende an einem 13-jährigen Hirntoten bewiesen, dass er ein Kriterium zwischen Leben und Tod hatte.

Die wichtigste Frage, die im Zusammenhang von Todesfeststellung und Transplantationsmedizin geklärt werden mußte, war die, ob die Entnahme eines Organs aus einem Körper mit schlagendem Herzen juristisch als Todschlag oder gar als Mord gewertet werden würde. (123)

Bereits im Jahr 1957 beantwortete Papst Pius XII. die Frage nach der Einschätzung der Beendigung der künstlichen Beatmung bei Hirntoten damit, dass dies erlaubt sei. Er sagte auch, dass es Aufgabe der Ärzte sei, den Tod des Menschen festzustellen. Daher kann hier schlecht von Mord gesprochen werden.
Die Formulierung "aus einem Körper mit schlagendem Herzen" ist eine sachlich korrekte, aber dennoch irreführende Formulierung. Es handelt sich hierbei um Hirntote.

Das war im Falle eines toten Hirntoten, der künstlich beatmet wurde, ... (126)

Hirntote müssen ständig künstlich beatmet werden, andernfalls bleibt ihr Herz stehen.
Gibt es neben toten Hirntoten auch lebende Hirntote?

Die Prognose von Patientinnen mit einem irreversiblen Funktions-verlust des zentralen Nervensystems war so schlecht, daß die behandelnden Ärzte sich berechtigt fühlten, die Behandlung, einschließlich der künstlichen Beatmung abzubrechen. (128)

Keinem Hirntoten konnte damals nach Feststellung des Hirntodes der Blutkreislauf noch länger als 8 Tage aufrecht erhalten werden, siehe die Artikel von Pierre Wertheimer (4 Hirntote) und Pierre Mollaret (23 Hirntote) im Jahr 1959. Hinzu kommt, dass Papst Pius XII. im Jahr 1957 in solchen Fällen die Beendigung der künstlichen Beatmung erlaubte.
Das zentrale Nervensystem (ZNS) umfasst Gehirn und Rückenmark. Bei Hirntoten ist nur das Gehirn ohne Funktion. Das Rückenmark besitzt noch volle Funktion.

In der vorläufig letzten Fortschreibung der 'Entscheidungshilfen' findet sich nur eine kleine Variation desselben Gedanken: ... (Bundesärztekammer 1997: B 1038) (130f)

1997 erschien die letzte "Entscheidungshilfe", doch 1998 die darauf beruhende "Richtlinie". In einem 2001 erschienen Buch hätte das so genannt werden müssen.

Das Wissen, daß eine bestimmte Gestalt bedeutet, dieser Patient ist tot, ist ein Wissen, das im Konjunktiv existiert. (132)

Todesfeststellungen erfolgen nie im Konjunktiv, denn sie stellen einen Zustand fest, der bereits vorliegt.

Die Tests, die das Vorliegen des Kriteriums belegen sollten, waren die Ableitung eines EEG, das eine Null-Linie aufweisen sollte, das Auslösen verschiedener Reflexe und das Zufügen von Schmerz, d.h. das Setzen von Schmerzreizen. (132)

Dies sind zwar Komponenten der HTD, aber damit ist nicht das Wesen der HTD beschrieben. Sie umfasst 1. die Klärung der Voraussetzungen, 2. die klinische Diagnostik und 3. der Nachweis auf Irreversibilität.

Nachdem der Tod diagnostiziert worden war, konnten nach einiger Zeit wieder Reflexe auftreten. Die hirntoten Toten wurden den Herz-Keislauf-Toten wieder unähnlich. (133)

Diese Reflexe sind spinale Reflexe, d.h. vom Rückenmark ausgehend.
"Die hirntoten Toten" sind ein Pleonasmus

Es wurde nicht ein bestimmter Zustand des Körpers als Kriterium festgelegt, dessen Auftreten bedeutet, daß der Körper 'tot' ist. Sondern: Es wurde ein Kriterium festgelegt, dessen Vorliegen besagt, daß der Tod notwendig eintreten wird. (133f)

Es geht nicht um den Tod eines Körpers, sondern um den Tod eines Menschen. Hierfür hat man mit dem Hirntod ein Kriterium gefunden, das man medizinisch einwandfrei nachweisen kann.
Mit dem Hirntod wurde in der Medizingeschichte erstmals der Zusammenhang von Körper und Geist des Menschen deutlich.

Auf diese Weise gelang es, eine stimmige gestalthafte Erscheinung festzulegen, deren Vorliegen bedeutet, dieser Körper ist tot. (135)

Es geht bei der Todesfeststellung nicht um den Körper, sondern um den Menschen.

Die apparative Darstellung der Nichtdurchblutung des Gehirns machte potentiell für jedermann sichtbar: Hier verläuft die entscheidende Grenze zwischen den Körpern, die in den Bereich des Sozialen gehören und den Körpern, bei denen das nicht der Fall ist. (136)

Es geht bei der Todesfeststellung nicht um den Körper, sondern um den Menschen.

Auf keinen Fall sollten Lebende zu den Toten gerechnet werden, aber ebenso sollten auf keinen Fall Tote zu den Lebenden gezählt werden. (137)
Als ou-topisches Gegenüber existierte der Patient in der Medizin; Zugleich war der Patient aber als lebendiger Körper, der sterben kann auch eine verkörperte Person, die ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. (139)

Wenn es Gesa Lindemann um den Hirntod geht, hat sie nur den Körper im Blick, geht es um Leben und Tod, nimmt sie den ganzen Menschen in den Blick, nicht nur seinen Körper.

Dies Bedingungen sind zivilrechtlicher Art, insofern ein Behandlungsvertrag zwischen den Patienten und der Klinik besteht. Dieser Vertrag regelt die Behandlungspflichen der Ärzte und die Zahlungspflchten des Patienten. (145)

Dass mit dem festgestelltem Hirntod der Tod des Menschen festgestellt ist, ist auch ein Schutz für die Hinterbliebenen, die den Hirntod nicht als Tod des Menschen anerkennen und daher auf eine Weiterbehandlung bis zum Kreislaufstillstands pochen. Besonders bei Kindern ist es besonders schwer, den Tod zu akzeptieren. Kindern kann nach Feststellung des Hirntodes noch mehreren Monaten der Blutkreislauf aufrecht erhalten werden. Dies kann zu erheblichen Behandlungskosten führen. Mit dem Hirntod als Tod des Menschen, ist hier eine klare Zensur, die Behandlung einzustellen.

Nur solange sie lebt hat eine Patientin einen Anspruch auf Behandlung. (146)

Haben Patienten diesen Anspruch nicht auch?

Für die Formen der Unterscheidung von Leben und Tod heißt das nicht zuletzt, daß ich die Beobachtungen an Orten durchgeführt habe, an denen das Konzept des Hirntodes gut eingeführt ist. Die Ärzte sind zumeist jung und kennen dieses Todeskonzept seit ihrem Studium gut. Eine weitere Besonderheit dieser Situation besteht, darin, daß an ihnen Forschungen betrieben wird. Zumindet einige der Ärztinnen verstehen sich selbst explizit auch als Wissenschaftler. (147)

Ich habe im Jahr 2011, mit 53 Jahren begonnen, mich eingehender mit Hirntod zu beschäftigen. Dabei orientierte ich mich zunächst an den Argumenten der Kritiker, die ich schlecht nachvollziehen konnte und daher nach Antworten suchte. Meine autodidaktischen Studien führten mich schließlich dahin, dass ich im Jahr 2017, mit 59 Jahren, das medizinische Fachbuch "Vom Koma zum Hirntod"[Anm. 1] herausgebracht habe. Ich kam zu der Erkenntnis, dass Hirntote Tote sind, obwohl ich in dieses Thema über die Argumente der Kritiker eingestiegen bin. Sie waren und sind für mich nicht schlüssig. - Es liegt somit nicht immer am medizinischen Studium, sondern auch an nüchternen Überlegungen und sachlich korrekten Informationen, dass man den Hirntod als Tod des Menschen ansieht.

Fazit
Aus diesem Buch geht deutlich hervor, dass Gesa Lindemann entweder bewusst tendenziell schreibt und alles weglässt, was ihrer These vom Mord an Hirntoten widerspricht, oder sie sich nicht die Mühe gemacht hat, den pathopysiologischen Zustand Hirntod und seine Tragweite für das Menschsein zu verstehen. So fehlen z.B. diese Angaben:

  • Pierre Wertheimer schrieb im Jahr 1959 einen Artikel über 4 Hirntote, deren Zustand er als "sur la mort du système nerveux" (Der Tod des Nervensystems) bezeichnete, die trotz aller medizinischen Bemühungen binnen 8 Tagen einen Herzstillstand erlitten.
  • Pierre Mollaret bestätigte wenige Monate später anhand von 23 Hirntoten, dass der Herzstillstand binnen 8 Tagen unweigerlich eintritt.
  • Gesa Lindemann nennt zwar den von Pierre Mollaret gewählte Begriff "coma depassé" (überschrittenes Koma), geht aber nicht näher auf diesen Begriff und dessen Tragweite für das Menschsein ein. Statt dessen bezeichnet sie Hirntote als "bewußtlose Patienten" (110), als "lebendigen menschlichen Organismus" (112) oder als "Körper mit schlagendem Herzen" (123).
  • Pierre Wertheimer veröffentlichte im Jahr 1960 einen Artikel, in dem er das Therapieende an einem 13-jährigen Hirntoten beschrieb.
  • Gesa Lindemann nennt zwar Vladidmir Negovsky, nennt aber nicht, dass er in den 1940-er Jahren schrieb, dass Menschen so lange erfolgreich reanimiert werden können, solange noch ihr Gehirn funktioniert.
  • Gesa Lindemann geht mit keinem Wort darauf ein, dass Hirntoten Wahrnehmung, Denken und selbst die Datenbank ihres Lebens erloschen ist.
  • Hirntoten ist nicht das "zentrale Nervensystem" (u.a. 128, 132) ohne Funktion, sondern das Gehirn. Das zum ZNS gehörende Rückenmark funktioniert noch bei Hirntoten. Es wäre angebracht, wenn man wissenschaftlich über einen medizinischen Zustand schreibt, diesen genauer kennenzulernen.

Gesa Lindemann hat zum Thema Hirntod gründlich recherchiert, aber sie nennt nur das in ihrem Buch, was sie in ihrer Auffassung vom Mord an Hirntoten unterstützt.
Das Buch ist in einer Art verfasst, als würde man schreiben, dass Deutsche von deutschen Gerichten zu lebenlänglicher Haft oder lebenslänglicher Verwahrung in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen verurteilt werden. Faktisch stimmt das, aber ist ist nicht der Grund genannt, warum dies gemacht wird.
Die Tatsache, dass sie stellenweise von "Medizinerinnen" und "Ärztinnen", von "Spenderin" und "Juristinnen" schreibt (124), lässt den Eindruck aufkommen, dass Gesa Lindemann eine Feministin ist.

"hirntote Patienten" ist ein Oxymoron (scharfsinnig dumm), einander widersprechende Begriffe zusammenbringend, wie z.B. "alter Knabe". "tote Hirntote" ist ein Pleonasmus (Übertreibung, Überfluss)

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Anhang

Anmerkungen

  1. Rezensionen von Fachärzten können hier nachgelesen werden: http://schaefer-sac.de/wiki/index.php?title=Buch/17a#Rezensionen Zugriff am 02.02.2019.

Einzelnachweise

  1. Gesa Lindemann: Die Grenzen des Sozialen. Zur sozio-technischen Konstruktion von Leben und Tod in der Intensivmedizin. Frankfurt 2001.