Entwicklung des TPG: Unterschied zwischen den Versionen

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1978 legte die Bundesregierung einen Entwurf zum TPG vor, doch es scheiterte am Gesetzgebungsverfahren.  
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Im Jahr 1973 beschloss die 42. Konferenz der Justizminister und -senatoren die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus Medizinern und Juristen, die eine gesetzliche Regelung der Organtransplantation ausarbeiten sollten. Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Gesetzentwurf mit der [[Widerspruchsregelung]] ein. Der Bundesrat sprach sich jedoch für eine [[Zustimmungsregelung]] aus. Es kam zu keiner Einigung.<ref>Regine Kiesecker: Die Schwangerschaft einer Toten. Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod – Der Erlanger und der Stuttgarter Baby-Fall. In: Erwin Deutsch, Adolf Laufs, Hans-Ludwig Schreiber (Hg.): Recht & Medizin. Bd. 34. Frankfurt 1996, 142.</ref>
Im Jahr 1973 beschloss die 42. Konferenz der Justizminister und -senatoren die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus Medizinern und Juristen, die eine gesetzliche Regelung der Organtransplantation ausarbeiten sollten. Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Gesetzentwurf mit der [[Widerspruchsregelung]] ein. Der Bundesrat sprach sich jedoch für eine [[Zustimmungsregelung]] aus. Es kam zu keiner Einigung.<ref>Regine Kiesecker: Die Schwangerschaft einer Toten. Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod – Der Erlanger und der Stuttgarter Baby-Fall. In: Erwin Deutsch, Adolf Laufs, Hans-Ludwig Schreiber (Hg.): Recht & Medizin. Bd. 34. Frankfurt 1996, 142.</ref>


Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines "Gesetzes über Eingriffe an Verstorbenen zu Transplantationszwecken (Transplantationsgesetz)" ein. Der Bundesjustizminister war hierfür federführend. Für diesen Entwurf haben sich in den Jahren 1974-1976 Mediziner und Juristen um Vorschläge bemüht.<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 25.</ref> "Die Minderheit der Arbeitsgruppe vertrat eine Informationslösung, die den Angehörigen vor Beginn der Explantation ein gewisses Mitspracherecht einräumte. ... Lösungsmodelle wie dieses waren zur damaligen Zeit bereits in den skandinavischen Ländern verwirklicht. Die Mehrheit in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte in diesem Informationsmodell einen der Gründe für die vergleichsweise hohen Transplantationszahlen in diesen Staaten gesehen."<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 26.<ref>  
Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines "Gesetzes über Eingriffe an Verstorbenen zu Transplantationszwecken (Transplantationsgesetz)" ein. Der Bundesjustizminister war hierfür federführend. Für diesen Entwurf haben sich in den Jahren 1974-1976 Mediziner und Juristen um Vorschläge bemüht.<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 25.</ref> "Die Minderheit der Arbeitsgruppe vertrat eine Informationslösung, die den Angehörigen vor Beginn der Explantation ein gewisses Mitspracherecht einräumte. ... Lösungsmodelle wie dieses waren zur damaligen Zeit bereits in den skandinavischen Ländern verwirklicht. Die Mehrheit in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte in diesem Informationsmodell einen der Gründe für die vergleichsweise hohen Transplantationszahlen in diesen Staaten gesehen."<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 26.</ref>  


Der Terminus "Hirntod" war im Text des Gesetzentwurfs nicht enthalten, nur in der Begründung. Es wurde nur vom "Verstorbenen" und "Tod" gesprochen.<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 28.</ref> Als Entnahmevoraussetzung nennt der Entwurf mind. 3 Stunden "endgültigen Stillstand des Kreislaufs" (§ 2 I Nr. 3 RegE) für die Durchblutung des Gehirns. Der Eingriff sei auch erlaubt, wenn "vor Ablauf von drei Stunden seit dem endgültigen Stillstand des Kreislaufs (...) zulässig, wenn dem Arzt vor Beginn des Eingriffs eine Bescheinigung vorgelegen hat, in der zwei Ärzte den Tod unter Angabe der ihrer Feststellung zugrunde liegenden Tatsachen bestätigt haben" (§ 2 V 1 RegE). "Die Entwurfsbegründung deutet den 'Eintritt des Gehirntodes' ersichtlich als besonderes Todeszeichen, das den Todeseintritt in medizinischer Hinsicht präziser feststellbar macht."<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 29.</ref>
Der Terminus "Hirntod" war im Text des Gesetzentwurfs nicht enthalten, nur in der Begründung. Es wurde nur vom "Verstorbenen" und "Tod" gesprochen.<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 28.</ref> Als Entnahmevoraussetzung nennt der Entwurf mind. 3 Stunden "endgültigen Stillstand des Kreislaufs" (§ 2 I Nr. 3 RegE) für die Durchblutung des Gehirns. Der Eingriff sei auch erlaubt, wenn "vor Ablauf von drei Stunden seit dem endgültigen Stillstand des Kreislaufs (...) zulässig, wenn dem Arzt vor Beginn des Eingriffs eine Bescheinigung vorgelegen hat, in der zwei Ärzte den Tod unter Angabe der ihrer Feststellung zugrunde liegenden Tatsachen bestätigt haben" (§ 2 V 1 RegE). "Die Entwurfsbegründung deutet den 'Eintritt des Gehirntodes' ersichtlich als besonderes Todeszeichen, das den Todeseintritt in medizinischer Hinsicht präziser feststellbar macht."<ref>Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 29.</ref>

Aktuelle Version vom 30. September 2022, 05:33 Uhr

Vor 25 Jahren: Der Bundestag verabschiedet das Transplantationsgesetz

1978 legte die Bundesregierung einen Entwurf zum TPG vor, doch es scheiterte am Gesetzgebungsverfahren.

In Ermangelung eines TPG verfasste im Jahr 1987 die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Transplantationszentren einen Transplantationskodex.[1]


Entstehung

1. Versuch

Im Jahr 1973 beschloss die 42. Konferenz der Justizminister und -senatoren die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus Medizinern und Juristen, die eine gesetzliche Regelung der Organtransplantation ausarbeiten sollten. Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Gesetzentwurf mit der Widerspruchsregelung ein. Der Bundesrat sprach sich jedoch für eine Zustimmungsregelung aus. Es kam zu keiner Einigung.[2]

Am 16.03.1979 brachte die Bundesregierung den Entwurf eines "Gesetzes über Eingriffe an Verstorbenen zu Transplantationszwecken (Transplantationsgesetz)" ein. Der Bundesjustizminister war hierfür federführend. Für diesen Entwurf haben sich in den Jahren 1974-1976 Mediziner und Juristen um Vorschläge bemüht.[3] "Die Minderheit der Arbeitsgruppe vertrat eine Informationslösung, die den Angehörigen vor Beginn der Explantation ein gewisses Mitspracherecht einräumte. ... Lösungsmodelle wie dieses waren zur damaligen Zeit bereits in den skandinavischen Ländern verwirklicht. Die Mehrheit in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte in diesem Informationsmodell einen der Gründe für die vergleichsweise hohen Transplantationszahlen in diesen Staaten gesehen."[4]

Der Terminus "Hirntod" war im Text des Gesetzentwurfs nicht enthalten, nur in der Begründung. Es wurde nur vom "Verstorbenen" und "Tod" gesprochen.[5] Als Entnahmevoraussetzung nennt der Entwurf mind. 3 Stunden "endgültigen Stillstand des Kreislaufs" (§ 2 I Nr. 3 RegE) für die Durchblutung des Gehirns. Der Eingriff sei auch erlaubt, wenn "vor Ablauf von drei Stunden seit dem endgültigen Stillstand des Kreislaufs (...) zulässig, wenn dem Arzt vor Beginn des Eingriffs eine Bescheinigung vorgelegen hat, in der zwei Ärzte den Tod unter Angabe der ihrer Feststellung zugrunde liegenden Tatsachen bestätigt haben" (§ 2 V 1 RegE). "Die Entwurfsbegründung deutet den 'Eintritt des Gehirntodes' ersichtlich als besonderes Todeszeichen, das den Todeseintritt in medizinischer Hinsicht präziser feststellbar macht."[6]

Im Jahr 1978 wurde von Justizminister Hans-Jochen Vogel der Versuch unternommen, in Deutschland ein TPG zu verabschieden. Dabei war die Widerspruchslösung vorgesehen. Der Gesetzentwurf scheiterte am Widerstand des Parlaments und des Bundesrates, der für die enge Zustimmungsregelung plädierte. Transplantationsmediziner plädierten jedoch für die Widerspruchslösung.[7]

Als Begründung der Ablehnung des Regierungsentwurfs gab der Bundesrat an:[8]

  • die über den Tod hinausreichende Würde des Menschen muss beachtet werden
  • das TPG muss das Totensorgerecht der Hinterbliebenen berücksichtigen
  • die vorgeschlagene Widerspruchsregelung wurde abgelehnt

"Die Hilfsbereitschaft gegenüber den kranken Mitmenschen kann weit eher durch eine Lösung geweckt werden, die darauf aufbaut, daß der Bürger aufgrund eigener Einsicht und Überzeugung in eine Organspende einwilligen kann."[9] Der Bundesrat schlug vor, die Entscheidung zur Frage zur Organspende auf dem Personalausweis einzutragen.[10] "Im übrigen erwähnt die Begründung des Bundesratsentwurfs das Wort 'Gehirntod' nicht einmal mehr, was auch ein Indiz für den Umstand ist, daß jedenfalls hinsichtlich der rechtlichen Unbedenklichkeit des Todeskriteriums die Sicht der Bundesregierung geteilt wird."[11]

"Die Öffentliche Anhörung hatte die in die Wurzeln persönlicher Überzeugungen reichenden Auffassungsunterschiede bei den einzelnen angehörten Personen verdeutlicht. Nicht zuletzt von ärztlicher Seite wurde davon abgeraten, eine Lösung gegen große Widerstände durchzusetzen; dies sei nicht im Sinne der Transplantationsmedizin. Dem schloß sich die Bundesärztekammer Anfang des Jahres 1980 in einer Stellungnahme an. Im März 1980 empfahl auch der Bundesjustizminister 'eine Besinnungs- und Überlegungspause'. Mit dem Ende dere achten Legislaturperiode am 4. November 1980 wurde der Regierungsentwurf ein Opfer des Diskontinuitätsgrundsatzes (§ 125 S. 1 GO-BTag); der Entwurf wurde nicht wieder aufgegriffen."[12]

2. Versuch

Zur deutschen Wiedervereinigung am 03.10.1990 brachte die ehemalige DDR zur Organtransplantation eine Widerspruchsregelung mit.[13] Diese konnte sich jedoch in den anschließenden Diskussionen nicht durchsetzen.

Fachlich und persönlich betroffene Organisationen legten Gesetzesentwürfe vor:[14]

  • die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Transplantationszentren e.V.
  • die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)
  • das Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.
  • der Interessenverband der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Deutschlands e.V.
  • die Arbeitsgruppe Organspende in der Interessengemeinschaft der Dialysepatienten und Nierentransplantierten in Bayern e.V.

Unter diesem Problemdruck brachte die SPD-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag in den Bundestag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen Entwurf für ein TPG vorzulegen.

1996 wurden von der Initiative "Ärzte für eine enge Zutimmungslösung" über 80.000 Unterschriften gesammelt. "Darin heißt es, daß die geltenden Kriterien des Hirntodes es nicht erlauben, den unumkehrbaren Ausfall aller Hirnfunktionen mit völliger Sicherheit festzustellen. Der menschliche Organismus sei auch bei intensivmedizinischem Ersatz der Hirnfunktionen lebendig im biologischen Sinne."[15] Kardinal Meisner sah es nicht als sicher erwiesen an, dass beim Hirntod die Leib-Seele-Einheit zerbrochen sei. Das Kirchenamt der EKD verwies darauf, dass Hirntote keine normale Todeszeichen zeigen (Reaktionslosigkeit, Muskelstarre, Totenflecken). Politiker brachten ein, den Hirntod als "spezifischen Sterbezustand" zu bezeichnen.[15]

7 Präsidenten von verschiedenen med. Gesellschaften

  • Dr. K. Vilmar (Bundesärztekammer)
  • Prof. Dr. J. Schulte am Esch (Anästhesiologie und Intensivmedizin)
  • Prof. Dr. H. Bauer (Chirurgie)
  • Prof. Dr. J. Köbberling (Innere Medizin)
  • Prof. Dr. M. Samii (Neurochirurgie)
  • Prof. Dr. Th. Brandt (Neurologie)
  • Prof. Dr. Chr. Pfeiffer (Physiologie)

sprachen sich am 7.3.1997 im Deutschen Ärzteblatt für einige, ihnen wichtigen Punkte aus:[15]
Es gab eine oftmals irreführende öffentlichen Diskussion, die zu Verunsicherung in der Bevölkerung geführt hat. Daher soll das TPG darüber Rechtsklarheit schaffen, dass

  • die Unterscheidung zwischen Leben und Tod den Ärzten überlassen wird,
  • Hirntote als Tote sind,
  • die erweiterte Zustimmungsregelung erhalten bliebt
  • die Organverteilung patientenorientiert erfolgen muss.

Es wurde mit "der Ratifizierung dieses Gesetzes aber auch ein formaler Schlussstrich unter eine fast jahrzehntelange, oft polemisch geführte Gesetzgebungsdebatte gesetzt, welche 1978 mit einem ersten Gesetzgebungsvorhaben der damaligen Regierung unter Einbeziehung der 'Widerspruchslösung' begonnen hatte, nach erster Lesung im Bundstag (26.04.79) und massiver Ablehnung im Bundesrat aber als politisch nicht durchsetzbar fallen gelassen wurde."[16]

Entwicklung

"Einzige Regelung im Bereich der Organtransplantation bildet der Transplantationskodes der Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin / West vom 7.1.1987. Der Transplantationskodex ist eine berufsständische Richtlinie, die eine Zusammenfassung wichtiger medizinischer, ärztlich-ethischer und juristischer Grundsätze darstellt, welche bei Organtransplantationen beachtet werden sollen. Die Frage nach der Verbindlichkeit dieses Kodexes ist im Zusammenhang mit dem Rechtscharakter von Richtlinien zu sehen."[17]

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die auf Beschluss der 42. Konferenz der Justizminister und -senatoren beim Bundesministerium der Justiz gebildet worden war, legte 1975 einen Arbeitsentwurf für ein TPG mit einer Widerspruchsregelung vor. Dieser wurde der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz. 1976 stellte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Alternativmodell mit einer Informationsregelung vor.[Anm. 1] Die Bundesregierung legte 1978 einen Entwurf mit einer Widerspruchsregelung vor, der wegen der damals fehlenden Bundeskompetenz für gesundheitsrechtliche Regelungen als strafrechtliches Nebengesetz konzipiert war. Der Bundesrat sprach sich für eine erweiterte Zustimmungsregelung aus. Wegen des Diskontinuitätsprinzipes verfiel der Gesetzentwurf durch Neuwahlen.[18]

Im Oktober 1991 erteilten die Gesundheitsministerkonferenz der Länder der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten (AGLMB) den Auftrag, eine gesetzliche Regelung für die TX vorzubereiten. Deren Entwurf lag im September 1993 vor und wurde im November 1993 gebilligt. Am 30.06.1994 brachten die Länder Hessen und Bremen auf dieser Grundlage einen überarbeiteten Gesetzesantrag mit einer Informationsregelung im Bundesrat ein.[19]

Im BMG wurde seit Anfang 1994 ein Referentenentwurf für ein TPG vorbereitet. Dem Diskussionsentwurf vom 17.03.1995 sah eine erweiterte Zustimmungsregelung vor. Als Todeskriterium wurde der Hirntod und der irreversible Herzstillstand vorgesehen. Ansonsten entsprach er weitestgehend dem verabschiedeten TPG. In BT-Drs. 13/4114 wurde der Hirntod dem Beginn der irreversiblen Sterbephase zugeordnet, also noch dem Leben. Nach BT-Drs. 13/6591 sollten die Hinterbliebenen nur über die Organentnahme entscheiden dürfen, wenn der Hirntote kein schriftliches Zeugnis hinterlassen hatte, sich aber zu Lebzeiten mündlich geäußert hatte.[20] Zwischen dem 25.09. und 09.10.1996 war die Anhörung von Experten und Verbänden. Am 29.09.1996 sprachen sich Dörner, Rixen, Höfling, Klein, Geisler und Sachs gegen eine gesetzliche Verankerung des Hirntodes als Todeszeichen aus. Dem gegenüber sahen Angstwurm, Beckmann, Gubernatis, Heun, Kirste, Kluth, Link, Schreiber und Spittler sowie die BÄK den Hirntod als sicheres Todeszeichen an (Protokoll 64).[21] Am 15.01.1997 wurden Gallwas, Gröschner, Höfling, Sachs und Tröndle wieder zur Stellung des Hirntodes gehört. Sie erhoben verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Antrag.[22] Der Bundesrat stimmte am 26.09.1997 dem vom Bundestag verabschiedeten TPG zu.[23]

"Allerdings hat der Bund erst im November 1994 durch eine Ergänzung des Grundgesetzes die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für eine umfassende Regelung des Transplantationsrechts erhalten."[24]


Aussagen zum deutschen TPG

"Das Transplantationsgesetz stellt ausdrücklich klar, daß über die Aufgabe in der Warteliste für eine Organtransplantation sowie über die Organverteilung an geeignete Patienten nach Regeln zu entschheiden ist, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Notwendigkeit, Erfolgsaussicht und Dringlichkeit. Für die Organverteilung sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln. Die Regelungen dienen dem Ziel, für die Patienten gleiche Behandlungschancen auf eine unter Umständen lebensrettende Organübertragung zu wahren. Finanzielle, soziale oder andere nichtmedizinische Gesichtspunkte sind damit als Aufnahme- oder Vermittlungskriterien ausgeschlossen."[25]

"Wir haben mit dem Transplantationsgesetz die beste Voraussetzung dafür geschaffen, bei den Menschen in unserem Land die Bereitschaft zur Organspende weiter zu erhöhen. Das ist auch ein Beitrag zur Stärkung von Solidarität und Nächstenliebe in unserer Gesellschaft.[26]

Stationen der Entwicklung

Stellungnahme von Wissenschaftler (20.06.1995)

Am 20.06.1995 veröffentlichte die taz von Wissenschaftlern eine Stellungnahme zum anstehenden TPG. Unterzeichnet wurde diese Stellungnahme von Prof. Dr. Hans-U. Gallwas, (Verfassungsrechtler, Uni München), Prof. Dr. Gerd Geilen (Lehrstuhl für Strafrecht, Uni Bochum), Prof. Dr. Linus Geisler (Chefarzt, Gladbeck), Dr. Inge Gorynia ( Neurophysiologin, Berlin), Prof. Dr. Wolfram Höfling (Staatsrechtler, Uni Gießen), Johannes Hoff (Theologe), M.A., Dr. Martin Klein (Neurologe), Prof. Dr. Dietmar Mieth (Moraltheologe, Uni Tübingen), cand. jur. Stephan Rixen, Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth (Direktor des Institut für Hirnforschung, Bremen), Jürgen in der Schmitten (Allgemeinmdediziner, Uni Düsseldorf) und Dr. habil. Jean-Pierre Wils (Moraltheologe; Uni Tübingen. Darin heißt es:

Zur Rechtfertigung der Hirntod-Konzeption wird behauptet, das „eigentlich“ Menschliche, die menschliche „Seele“ oder der „Geist“ des Menschen hätten ihren alleinigen Ort im Gehirn. Diese Reduktion menschlichen Lebens auf Leistungen des menschlichen Gehirns ist anthropologisch fragwürdig.

Es ist naturwissenschftlich belegt: Der Geist entspringt alleine dem Gehirn. Ohne Gehirn ist Geist unmöglich. - Naturwissenschaftlich ist die Existenz einer Seele (im theologischen Sinn) unmöglich.

Wenn nach dem Ausfall des Gehirns keine Bewußtseinsäußerungen mehr beobachtet werden können, kann daraus noch nicht auf das Ende der Existenz eines Menschen geschlossen werden.

Es sind bei Hirntoten nicht nur keine Bewusstseinsäußerungen zu beobachten, sondern auch keine Hirnstammreflexe. Das Gehirn befindet sich im Prozess der Autolyse. Die Datenbank unseres Lebens ist zerstört. Medizinisch betrachtet bräuchten Hirntote eine Gehirn-TX.

Ob und was ein (komatöser) Mensch empfindet, ist objektiv nicht zu beantworten, denn die Frage betrifft sein subjektives Erleben.

Gleiches gilt für einen Leichnam in der Phase des intermediären Lebens. - Da Wahrnehmung ein funktionierendes Gehirn - insbesondere der Formatio reticularis - erforderlich macht, und dieses per Definition ohne Funktion ist, ist Wahrnehmung bei Hirntoten unmöglich.

So können wir zum Beispiel normalerweise bestimmte, sinnlich erfaßbare Zustände des Körpers eines Menschen als Zeichen für das subjektive Empfinden von „Schmerz“ deuten.
Die Beantwortung der Frage, ob die Schmerzreflexe von hirntoten Patienten noch von irgendeiner Form subjektiven Empfindens begleitet werden oder nicht, entzieht sich im letzten dem Zugriff objektiv beschreibender Naturwissenschaften.

Es gilt zwischen Schmerzreaktion und Schmerzempfinden zu unterscheiden. Siehe: Schmerz

Eine grundsätzliche Unterscheidung des Geisteszustands hirntoter Menschen von demjenigen anderer tief komatöser (zum Beispiel anenzephaler oder apallischer) Patienten läßt sich schwerlich begründen. Die Unsicherheit, die hinsichtlich solcher Komapatienten geltend gemacht werden kann, besteht daher im Prinzip auch für hirntote Komapatienten.

Siehe: Koma, apallisches Syndrom, Anenzephalie und Hirntod

Dies sollte in besonderem Maße auch bei der Sterbebegleitung von Komapatienten berücksichtigt werden.

Nach ca. 10 Sekunden Nicht-Durchblutung des Gehirns tritt Bewusstlosigkeit ein. Bei Hirntoten besteht die Nicht-Durchblutung des Gehirns seit Stunden oder gar Tagen.

Falsch ist es jedoch, wenn weiter behauptet wird, die Existenz des Organismus als eines integrativen Ganzen ende dort, wo der eigenständige Beitrag des Gehirns – genauer: des vegetativen Hirnstamms – dazu entfalle.

Siehe: Ausfall des Hirnstamms

Nichts berechtigt dazu, dem intensivmedizinischen Ersatz lebensnotwendiger (vegetativer) Funktionen des Organs „Gehirn“ (zum Beispiel Atemantrieb, Hormonsteuerung) eine grundsätzlich andere Bedeutung beizumessen als dem Ersatz vegetativer Funktionen anderer Organe (zum Beispiel Herzschrittmacher, Hormonsteuerung, Stoffwechselsteuerung).

Bei ersterem ist das Bewusstsein und die Datenbank unseres Lebens erloschen, bei letzterem ist Bewusstsein vorhanden oder wird wieder erreicht und die Datenbank unseres Lebens wurde nicht (vollständig) zerstört.

Das Gehirn ist mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen eines Organismus im Prinzip ersetzbar.

Warum kommt es bei Hirntoten trotz Hightech-Medizin - hier ist weniger die künstliche Beatmung und künstliche Ernährung gedacht - meist nach Tagen und Wochen zum irreversiblen Herzstillstand?

Eine spezifisch medizinische Begründung des Hirntodkriteriums gibt es nicht, da die Bewertung des medizinischen Zustands „Hirntod“ als Tod des Menschen nicht in die spezifische Kompetenz der Medizin fällt.

Siehe: Todesverständnis

Ob eine Organfunktion „natürlich“, also vom Körper selbst ausgeübt oder aber intensivmedizinisch unterstützt beziehungsweise durch künstliche „Prothesen“ ersetzt wird, spielt hinsichtlich der Beurteilung eines Menschen als lebend oder tot keine Rolle. ... Solange durch solche Prothesen gewährleistet bleibt, daß der Organismus als eine selbständige Einheit erhalten bleibt, ist dies mit dem Leben eines Menschen vereinbar – das gilt für hirntote Patienten ebenso wie für andere schwerstkranke Patienten.

Siehe: Sterben mit Hightech-Medizin

Zwar ist der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen mit den derzeit etablierten Methoden nicht sicher diagnostizierbar.

Siehe: gemeinsame Erklärungen

Die Feststellung des Hirntods gemäß geltender Kriterien erlaubt jedoch die eindeutige Prognose, daß der oder die Betreffende nie wieder in einen Wachzustand zurückkehren wird und nur mit intensivmedizinischen Mitteln am Leben erhalten werden kann.

Unsere Persönlichkeit ist an das Gehirn gebunden. Siehe: Gehirn-TX

Eine verfassungsrechtlich eigenständige Überprüfung der anthropologischen Grundannahmen des Hirntodkriteriums ergibt jedoch, daß es grundrechtsdogmatisch irrig ist, „menschliches Leben“ im Sinne des Art.2 Abs.2 S.1 Grundgesetz vom Nachweis der kognitiven („geistigen“) Leistungsfähigkeit des Menschen abhängig zu machen. ... Angesichts des Organismusbegriffs der modernen Biologie und im Lichte der vom Bundesverfassungsgericht betonten Notwendigkeit, den Lebensschutz in Grenzfällen extensiv zu garantieren („in dubio pro vita“), muß man einen hirntoten Menschen als lebend qualifizieren. Der hirntote Mensch wird daher durch das Lebensgrundrecht vor ungerechtfertigten Eingriffen in seine letzte Lebensphase, das Sterben, geschützt.

Siehe: Todesverständnis

Eine gesetzliche Regelung der Transplantation, die den Hirntod nicht als Todes-, sondern als Entnahmekriterium ansieht, birgt folglich keinerlei Zugeständnisse an verfassungsrechtlich und ethisch bedenkliche Forderungen nach einer Legalisierung der „aktiven Euthanasie“.

In gewisser Weise wurde das TPG so beschlossen, siehe: § 3 TPG


Anhang

Anmerkungen

  1. Wenn der Hirntote selbst zu Lebzeiten für sich keine Entscheidung getroffen hatte, werden die Hinterbliebene über eine geplante Organentnahme informiert. Widerspruch ist dann noch möglich.

Einzelnachweise

  1. BZgA: Was ist der Hirntod? Fallbeispiel - Informationen - Erklärungen zum unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod). Köln 2017. Nach: https://www.organspende-info.de/articles/3030 Zugriff am 31.12.2018.
  2. Regine Kiesecker: Die Schwangerschaft einer Toten. Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod – Der Erlanger und der Stuttgarter Baby-Fall. In: Erwin Deutsch, Adolf Laufs, Hans-Ludwig Schreiber (Hg.): Recht & Medizin. Bd. 34. Frankfurt 1996, 142.
  3. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 25.
  4. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 26.
  5. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 28.
  6. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 29.
  7. Johannes Hoff, Jürgen in der Schmitten: Organspende – nur über meine Leiche? In: Zeit (12.02.1993) Nach: http://www.zeit.de/1993/07/organspende-nur-ueber-meine-leiche/komplettansicht Zugriff am 4.4.2017.
  8. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 30f.
  9. Antwort des Bundesrates. Zitiert nach: Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 31.
  10. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 31.
  11. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 32.
  12. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 33.
  13. Regine Kiesecker: Die Schwangerschaft einer Toten. Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod – Der Erlanger und der Stuttgarter Baby-Fall. In: Erwin Deutsch, Adolf Laufs, Hans-Ludwig Schreiber (Hg.): Recht & Medizin. Bd. 34. Frankfurt 1996, 142f. Fußnote 386.
  14. Wolfram Höfling, Stephan Rixen: Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin. Hirntodkriteriumm und Transplantationsgesetz in der Diskussion. Tübingen 1996, 35f.
  15. Hans-Peter Schlake, Klaus Roosen: Der Hirntod als der Tod des Menschen. 2. Auflage. Neu-Isenburg 2001, 48.
  16. Regine Kiesecker: Die Schwangerschaft einer Toten. Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod – Der Erlanger und der Stuttgarter Baby-Fall. In: Erwin Deutsch, Adolf Laufs, Hans-Ludwig Schreiber (Hg.): Recht & Medizin. Bd. 34. Frankfurt 1996, 143.
  17. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 18f.
  18. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 19.
  19. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 21.
  20. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 22.
  21. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 23.
  22. Lars Christoph Nickel, Angelika Schmidt-Preisigke, Helmut Sengler: Transplantationsgesetz. Kommentar. Stuttgart 2001, S. 25.
  23. Horst Seehofer: Transplantationsgesetz und gesundheitspolitische Aspekte der Organtransplantation. In: Konrad-Adenauer-Stiftung: Organtransplantation - Ethik, Recht und Akzeptanz. (Interne Studie Nr. 175/1998), 10.
  24. Horst Seehofer: Transplantationsgesetz und gesundheitspolitische Aspekte der Organtransplantation. In: Konrad-Adenauer-Stiftung: Organtransplantation - Ethik, Recht und Akzeptanz. (Interne Studie Nr. 175/1998), 17.
  25. Horst Seehofer: Transplantationsgesetz und gesundheitspolitische Aspekte der Organtransplantation. In: Konrad-Adenauer-Stiftung: Organtransplantation - Ethik, Recht und Akzeptanz. (Interne Studie Nr. 175/1998), 23.