Würde

Aus Organspende-Wiki
(Weitergeleitet von Würde des Organspenders)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Würde des Menschen

Die Würde des Menschen ist ein unveräußerliches Grundrecht jedes Menschen, das in Art. 1 Grundgesetz festgelegt ist:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.5.1993 heißt es:

Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu. Nicht entscheidend ist, ob sich der Träger dieser Würde bewusst ist oder sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen.

Dieser Urteilsspruch wurde auf dem Hintergrund der Diskussion um Schwangerschaftsabbruch gefällt. Dieses Urteilt betont deutlich, dass bereits das noch ungeborene Kind Würde besitzt.

Würde der Hirntoten

Der Würdeschutz zu Lebzeiten ende hingegen mit dem Absterben des Menschen als lebender Organismus, also mit dem Herztod.[1][Anm. 1]

Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod, sondern reicht darüber hinaus. Daher achtet der § 168 StGB auf die Totenruhe. Daneben betonen die meisten Bestattungsgesetze der Länder ausdrücklich die Würde der Toten. Man hat mit ihnen würdevoll bzw. ehrfurchtsvoll umzugehen.[2]

Das Strafgesetzbuch ahndet in § 168 StGB die Störung der Totenruhe.

Würde der Organspender

Würde der Organspender in Gesetzen und Schriften

Die Würde der Organspender wird vielfach genannt:

So heißt es in § 6 TPG (1997):

(1) Die Organ- oder Gewebeentnahme bei verstorbenen Personen und alle mit ihr zusammenhängenden Maßnahmen müssen unter Achtung der Würde des Organ- oder Gewebespenders in einer der ärztlichen Sorgfaltspflicht entsprechenden Weise durchgeführt werden.

(2) Der Leichnam des Organ- oder Gewebespenders muss in würdigem Zustand zur Bestattung übergeben werden. Zuvor ist dem nächsten Angehörigen Gelegenheit zu geben, den Leichnam zu sehen.

1990 schrieben der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz in ihrem ersten gemeinsamen Text mit dem Titel "Organtransplantationen" über die Würde der Organspender:[3]

Der Leichnam, in dem der Eigenwert und die Würde des Menschen nachwirken, ist durch das den Tod überdauernde sog. postmortale Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz geschützt. ...

Der Eingriff muß die Würde des Verstorbenen achten und darf die Empfindungen von Angehörigen nicht leichtfertig verletzen. ...
Eine sachgemäße Explantation von Geweben und Organen verletzt weder die Würde des Verstorbenen noch die Ruhe des Toten. ...
Die unantastbare Würde des Menschen bestimmt die Grenzen, die unbedingt zu achten und einzuhalten sind.

Die DTG verfasste einen "Transplantationskodex", in dem die Würde des Organspenders betont wird:[4]

WAHRUNG DER WÜRDE DES VERSTORBENEN

Die Würde des Verstorbenen ist bei allen Maßnahmen zur Organentnahme zu wahren. Der Leichnam ist achtungsvoll zu behandeln. Für die Wiederherstellung des Äußeren des Leichnams nach Organentnahme ist ein Arzt verantwortlich.

Unter dem Vorsitz von Rudolf Pichlmayr wurde am 7.11.1987 in Marburg die 1. Fassung des Transplantations-Kodexes von der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Transplantations-Zentren einstimmig verabschiedet.

Auch in den meisten Bestattungsgesetzen wird die Würde der Toten bzw. der würdevolle Umgang mit den Toten sehr deutlich eingefordert.[Anm. 2] Dies wissen die Berufsgruppen, die mit Toten zu tun haben, auch Ärzte. Damit ist eine grundsätzliche Haltung des würdevollen Umgangs mit Toten bereits vorhanden, was durch § 6 TPG für den Fall der Organspende vertieft wird.

Verletzung der Würde

Die Würde der Organspender wird heute kaum von Ärzten verletzt, sehr wohl aber von Kritiker der Organtransplantation. Da werden Organspender als "Ersatzteillager"[Anm. 3] bezeichnet. Dies ist noch die milde Form. Es geht noch härter, etwa mit "Biomasse"[Anm. 4] oder "Schlachtvieh",[Anm. 5] das in einem großen "Schlachtfest"[Anm. 6] "abgeschlachtet"[Anm. 7] wird. - Ob dies nach § 130 StGB den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, mögen Juristen entscheiden, eine Beleidigung ist es sicherlich.

Im Vergleich dazu: Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Aktenzeichen: 1 BvR 2243/02) vom vom 26. August 2003 steht fest, dass man in Deutschland nicht sagen darf, dass der Bundeskanzler gefärbte Haare hat.[5]
Dabei besagt Artikel 3 des Grundgesetzes: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." - Ist der Bundeskanzler oder sind die Organspender keine Menschen, dass hier solche Unterschiede gemacht werden?

Würde und WSR

Einige Gegner der WSR geben an, dass die WSR gegen die Würde des Organspenders verstoßen würde.
Wenn die WSR gegen die Würde des Menschen verstoßen würde (Artikel 1 GG), dann dürfen wir keine Organe aus Staaten mit WSR einführen. Alle Staaten im ET-Verbund haben die WSR, nur Deutschland nicht. Daher importieren wir seit Jahren jährlich ca. 600 Organe aus Nationen mit WSR. Wenn die WSR gegen die Würde des Menschen verstoßen würde, müsste Deutschland wir aus dem ET-Verbund aussteigen. Im Grunde akzeptieren wir seit Jahren die WSR in unseren Nachbarländer, aber nicht bei uns. Dieses Argument ist daher Doppelmoral. Die Einführung der WSR würde dieser Doppelmoral ein Ende setzen.

Weil einige Gegner der WSR ihre Würde durch die WSR gefährdet sehen,
dürfen die Organpatienten in Würde sterben.

Würde der Patienten

Das Dtsch Ärztbl veröffentlichte am 15.05.1992 von Karl Volz-Siegemund einen Leserbrief mit den Worten: "Polemik ersten Grades Welche Würde meint der Kollege, wenn er von der zu schützenden Würde spricht? Ist hiermit vielleicht die Würde eines Dialysepatienten gemeint, der sich dreimal pro Woche an der künstlichen Niere quält, ist es die Würde eines herzinsuffizienten Patienten, der keine Luft mehr bekommt, oder ist es die Würde eines Leberkranken, der ohne Organspende nur noch wenige Tage zu leben hätte? Weit gefehlt, es ist die Würde der Toten, die seines Erachtens diese verlieren, wenn sie ihre Organe spenden. Ich betone bewußt spenden, denn jeder hat nach der neuen Gesetzesvorlage die Möglichkeit, zu Lebzeiten nein zur Organspende zu sagen (Widerspruchslösung!).
In diesem Zusammenhang von 'ausschlachten' zu sprechen, ist Polemik ersten Grades. Sogar die Kirchen setzen sich in zunehmendem Maße für die Organspende als letztem Akte der Nächstenliebe ein.
Es ist ein Faustschlag in das Gesicht eines jeden betroffenen Patienten, hier von einer 'ethisch verwerflichen Regelung' zu sprechen."[6]

Anhang

Anmerkungen

  1. So stand es bis zum 1.10.2016 bei Wikipedia. Dies wurde von mir ergänzt mit nachfolgendem Hinweis.
  2. Baden-Württemberg § 25
    Mit Verstorbenen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen.
    Bayern Art. 5
    Mit Leichen ... darf nur so verfahren werden, daß ... die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt werden.
    Brandenburg § 1
    Mit Leichen ... darf nur so verfahren werden, dass ... die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt werden.
    Hessen § 9
    Leichen sind so zu behandeln ..., dass ... die Würde der Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt werden ...
    NRW § 7
    Jede Frau und jeder Mann haben die Ehrfurcht vor den Toten zu wahren und die Totenwürde zu achten.
    Rheinland-Pfalz § 8
    Die Würde des Toten und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit sind zu achten.
    Saarland § 12
    Die Würde des Menschen besteht über den Tod hinaus. Wer mit Leichen oder Leichenteilen umgeht, hat dabei die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren. Gleiches gilt für den Umgang mit Fehlgeburten.
    Sachsen-Anhalt § 1
    Der Umgang mit Leichen und mit der Asche Verstorbener hat mit der gebotenen Würde und mit der Achtung vor den Verstorbenen zu erfolgen.
    Schleswig-Holstein § 1
    Der Umgang mit Leichen und mit der Asche Verstorbener hat mit der gebotenen Würde und mit Achtung vor den Verstorbenen zu erfolgen.
    Thüringen § 1
    Ziele des Gesetzes sind insbesondere die Wahrung der Ehrfurcht vor den Toten, die Achtung der Totenwürde sowie der Schutz der Totenruhe und der Totenehrung.
    (Stand: April 2015)
  3. Am 20.7.2015 ergab eine Suche bei Google für "Hirntote" + "Ersatzteillager" 8.490 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+ersatzteillager&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
    Für "Organspender" und "Ersatzteillager" gab es 7.670 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+ersatzteillager&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
  4. Am 20.7.2015 ergab eine Suche bei Google für "Hirntote" + "Biomasse" 8.810 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+biomasse&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
    Für "Organspender" und "Biomasse" gab es 8.710 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=organspender+biomasse&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
  5. Am 20.7.2015 ergab eine Suche bei Google für "Hirntote" + "Schlachtvieh" 2.190 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+schlachtvieh&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
    Für "Organspender" und "Schlachtvieh" gab es 306.000 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=organspender+schlachtvieh&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
  6. Am 20.7.2015 ergab eine Suche bei Google für "Hirntote" + "Schlachtfest" 13.000 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+schlachtfest&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
    Für "Organspender" und "Schlachtfest" gab es 5.560 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=organspender+schlachtfest&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
  7. Am 20.7.2015 ergab eine Suche bei Google für "Hirntote" + "abgeschlachtet" 17.3000 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=hirntote+abgeschlachtet&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1
    Für "Organspender" und "abgeschlachtet" gab es 2.300 Fundstellen:
    https://www.google.de/search?q=organspender+abgeschlachtet&btnG=Suche&num=30&newwindow=1&hl=de&gbv=1

Einzelnachweise

  1. Herdegen in Maunz/Dürig Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 56 2014.
  2. Zugriff aller dieser Gesetzestexte am 1.10.2016:
    Baden-Württemberg: § 25 Allgemeines = "Mit Verstorbenen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen."
    Berlin: § 2 Ehrfurcht vor den Toten = "die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren"
    Brandenburg: § 1 Grundsätze = "die Würde des Verstorbenen"
    Bremen: § 2 Ehrfurcht vor den Toten = "die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren"
    Mecklenburg-Vorpommern: § 2 Ehrfurcht vor den Toten = "die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren"
    Niedersachsen: § 1 Grundsatz = "dass die gebotene Ehrfurcht vor dem Tod gewahrt wird"
    Nordrhein-Westfalen: § 7 Totenwürde, Gesundheitsschutz = "haben die Ehrfurcht vor den Toten zu wahren"
    Reinland-Pfalz: § 8 Bestattung = "Die Würde des Toten ... sind zu achten."
    Saarland: § 12 allgemeine Bestimmungen = "Die Würde des Menschen besteht über den Tod hinaus."
    Sachsen: § 18 Allgemeine Vorschriften zur Bestattung = "sind die Würde ... des Verstorbenen ... zu achten"
    Sachsen-Anhalt: § 1 Grundsätze = "hat mit der gebotenen Würde und mit der Achtung vor den Verstorbenen zu erfolgen"
    Schleswig-Holstein: § 1 Grundsätze = "hat mit der gebotenen Würde und mit Achtung vor den Verstorbenen zu erfolgen"
    Thürungen: § 1 Grundsätze = "Ziele des Gesetzes sind insbesondere die Wahrung der Ehrfurcht vor den Toten, die Achtung der Totenwürde sowie der Schutz der Totenruhe und der Totenehrung."
  3. http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/gem-texte/GT_01.pdf Zugriff am 12.2.2014.
  4. http://d-t-g-online.de/index.php/ueber-uns/transplantationskodex Zugriff am 21.2.2015.
  5. http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2003/08/rk20030826_1bvr224302.html
  6. Karl Volz-Siegemund: Polemik ersten Grades. In: Dtsch Ärzteblatt 89(20). A 1806. (15.05.1992) Zitiert nach: http://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=95052 Zugriff am 28.01.2017.