Therapieende

Aus Organspende-Wiki
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Herz 91.jpg

Das Therapieende bei Hirntoten, bei denen keine Organentnahme möglich ist, erfolgt durch Ausschalten der künstlichen Beatmung. Damit bekommt das Herz immer weniger Sauerstoff und bleibt nach wenigen Minuten für immer stehen.

Das Therapieende bei Patienten, die für die vorliegende Situation per Patientenverfügung das Therapieende wünschen, kann in einer diesen Möglichkeiten erfolgen:

  • Beibehaltung der Situation
    Hierbei wird an der Therapie nichts verändert. Die Verabreichung der Medikamente bleibt wie bislang, aber wenn sie leer sind, werden keine neuen Medikamente eingesetzt. Bei einer angeschlossenen Dialyse wird ähnlich verfahren. Bei künstlicher Beatmung wird der Patient mit dem bisherigen Sauerstoffwert (z.B. 40%) weiterbeatmet.
    Der Tod tritt nach vielen Stunden völlig unkalkulierbar ein.
  • Reduzierung der Therapie
    Bis aus Schmerzmittel werden alle anderen Medikamente ausgeschaltet. Eine angeschlossene Dialyse wird ausgeschaltet. Bei künstlicher Beatmung wird der Patient mit Raumluft (ca. 21% Sauerstoff) weiterbeatmet.
    Der Tod tritt meist binnen Minuten bis wenigen Stunden ein.[Anm. 1]

kurze geschichtliche Entwicklung

Die geschichtliche Entwicklung des Therapeendes begann 1952 mit der Einführung der Überdruckbeatmung:

  • 1952: Erfindung der Überdruck-Beatmung
    Björn Ibsen (1915-2007) erfand 1952 die Überdruck-Beatmung und schuf damit eine neue und wirksamere Behandlungsweise. Zunächst wurde dies manuell durchgeführt, bald jedoch maschinell. Damit konnten Menschen mit sehr großen Atembeschwerden oder ausgefallener Eigenatmung im Grunde unbegrenzt künstlich beatmet werden. Dies führte zu einem völlig neuen Zustand, dem Hirntod.
  • 1957: Papst Pius XII. lehnte eine Verpflichtung ab der Weiterbehandlung ab.
    Deutsche Anästhesisten fragten bei Papst Pius XII. (1876/1939-1958) nach, ob man bei Hirntoten die Therapie bis zum Herzstillstand fortführen muss oder ob man nach Feststellung des Hirntodes die Therapie beenden darf. Papst Pius XII. lehnte die Verpflichtung ab, auch bei aussichtslosen Patienten die Therapie der künstlichen Beatmung unbedingt fortzusetzen. Gleichzeitig hielt er fest, dass es den Ärzten obliege, den Zeitpunkt des Todes festzulegen.
  • 1959: Pierre Wertheimer et al. veröffentlichte den Artikel "sur la mort du système nerveux"
    Pierre Wertheimer (1892-1982) und seine Arbeitsgruppe veröffentlichten den Bericht von 4 Fällen von Hirntod unter der Überschrift "sur la mort du système nerveux" (Der Tod des Nervensystems).[1][2]
  • 1959: Hirntod wurde als "Coma dépassé" klar beschrieben
    Pierre Mollaret (1898-1987) und Maurice Goulon (1919-2008) beschrieben 1959 erstmals unter dem Begriff "Coma depassé" (jenseits des Komas, überschrittenes Koma) einen Zustand, welcher bei künstlicher Beatmung keinerlei Lebenszeichen des Gehirns erkennen ließ, der nicht umkehrbar war und binnen 8 Tagen zum Herz-Lungen-Tod führte. Der Begriff "Hirntod" von Bichat wurde von ihnen nicht aufgegriffen.[Anm. 2] Sie haben dies an 23 Hirntoten festgestellt.[3]
  • 1960: Beendigung einer künstlichen Beatmung
    Pierre Wertheimer, Jacques de Rougemont, Michel Jouvet und Jacques Descotes veröffentlichten in einem Artikel, dass sie an einem 13-Jährigen die künstliche Beatmung beendet haben. Als Kriterien für ihr Handeln nannten sie: Nachweis der völligen Areflexie, keine Eigenatmung, das EEG weist eine Nulllinie auf und eine angiographische Darstellung der Hirndurchblutung.[4]

Damit wurden 3 Jahre vor der ersten TX mit Organen aus einem Hirntoten - einer (Niere) - nachweislich nach Feststellung des Hirntodes die Therapie beendet.[5] Dies war 7 Jahre vor der 1. Herz-TX (1967).

  • 1963: Tönnis und Frowein beendeten bei einem Hirntoten die Therapie
    Tönnis und Frowein beendeten bei einem Hirntoten die Therapie.[6]
  • 1963: Zerebraler Tod = Tod des Menschen
    Der "zerebrale Tod" wurde erstmals im Jahr 1963 mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt.[7] Tönnis und Frowein sprachen sich für das Hirntodkonzept aus.[8]
  • 1966: Franzosen definieren Hirntote als Tote
    Am 10.5.1966 stellte die Kommission der frz. "Académie Nationale de Médicine" das Ergebnis ihrer Arbeit vor: Der irreversible Funktionsverlust des Gehirns wurde als neues Todeskriterium eingeführt.[9][10][Anm. 3]
  • 1968: Deutsche definieren Hirntote als Tote
    April 1968 stellte diese Kommission der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie das Ergebnis ihrer Arbeit unter dem Titel "Todeszeichen und Todeszeitbestimmung" vor. Nach der frz. medizinischen Akademie bejaht auch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie das Hirntodkonzept. Menschen mit irreversiblen Funktionsverlust des Gehirns werden als Tote angesehen.[11]

Anhang

Anmerkungen

  1. Dieses Vorgehen ist gut mit einem abgebrochenen Versuch einer Reanimation vergleichbar. Wird bei Erwachsenen nach ca. 30 Minuten Herzdruckmassage erkannt, dass das Herz nicht mehr selbständig schlagen wird, wird dies akzeptiert und nicht bis zur eigenen körperlichen Erschöpfung weitergemacht. Beim Fall der Patientenverfügung wird erkannt, dass jetzt ein Zustand erreicht wurde, den der Patient für sich nicht für lebenswert erachtet und daher lieber sterben möchte. Mit der Reduzierung der Therapie wird dass Sterben nicht unnötig hinausgeschoben (siehe: Beibehaltung der Situation), sondern ein möglichst natürlichen Verlauf gegeben.
  2. Mollarte und Goulon haben den Hirntod "durch die innere Leichenschau bestimmter Patienten erwiesen: Die dem Tod folgende Auflösung und Zersetzung war am Gehirn weiter als am übrigen Körper fortgeschritten. Dieser Unterschied zwischen dem Gehirn und den anderen Organen war umso deutlicher, je länger über den Hirnausfall hinaus intensivmedizinisch die Herztätigkeit und somit die Blutversorgung und die Tätigkeit der anderen Organe aufrechterhalten worden waren." (Heinz Angstwurm: Hirntod - Bedingung von Organspenden nach dem Tod. In: In: Arnd T. May, Hartmut Kreß, Tosten Verrel, Till Wagner (Hg.): Patientenverfügungen. Handbuch für Berater, Ärzte und Betreuer. Heidelberg 2015, 283.
  3. Das EEG müsse für mindestens 48 Stunden eine "Null-Linie" zeigen, erst dann sei der Tod des Patienten festgestellt. (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46196251.html Zugriff am 18.12.2017.)

Einzelnachweise

  1. Dag Moskopp: Hirntod, 75.
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4166875 Zugriff am 12.4.2017.
  3. S. Robert Snodgrass: The Evolution of Brain Death. In: Pediatric Neurology 51 (2014), 478.
  4. Dag Moskopp: Hirntod, 75f.
  5. Dag Moskopp: Hirntod, 77.
  6. Gesa Lindemann: Die Interpretation 'hirntot'. In: Thomas Schlich, Claudia Wiesemann: Hirntod. Zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung. Frankfurt 2001, 321.
  7. H.C. Hopf, G. Deuschl, H.C. Diener, H. Reichmann (Hg.): Neurologie in Praxis und Klinik. Band 1. 3. Auflage. Stuttgart 1999, 94.
  8. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Höfer59 wurde kein Text angegeben.
  9. Siehe: Gesa Lindemann: Beunruhigende Sicherheiten, 99.
  10. Giovanni Maio: Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Stuttgart 2012, 282.
  11. Gesa Lindemann: Beunruhigende Sicherheiten, 113f.