Scheintod: Unterschied zwischen den Versionen

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1792 wurde in Weimar das erster Leichenhaus vom Aufklärer Christoph Wilhelm Hufeland eröffnet, um den Hirntod zu entlarven. Hierüber gibt es eine detailgetreue Beschreibung: "In Weimar fand die Idee so allgemeinen Beifall, dass ohne Schwierigkeiten eine Subscription zur Eröffnung eines Leichenhauses zu Stande kam, die so gut ausfiel, dass ein Leichenhaus nach HUFELAND's [i. Orig. hervorgehoben] Angaben und unter seiner Aufsicht gebaut werden konnte. Es lag auf dem alten Gottesacker und enthielt ein grosses Zimmer, worin acht Leichen bequem liegen konnten. Es wurde durch Ofenröhren, welche unter dem Fußboden lagen, erwärmt und war mit Zugröhren versehen, um eine beständige Lufterneuerung hervorzubringen. Neben diesem grösseren Zimmer befand sich eine Stube für den Wächter mit einem Glasfenster in der Thür zur Beobachtung der Leichen. Diese Zimmer hatten eine Höhe von 12 Fuss, die Decke derselben war gewölbt. Eine Küche diente zur Bereitung der nötigen Hülfsmittel und namentlich warmer Bäder, wenn sich ja wiederkehrende Lebenszeichen darthun sollten. Damit keine, auch nicht die geringsten Zeichen des wiederkehrenden Lebens verloren gingen, bekamen die Wächter nicht allein eine sehr genaue Instruction, sondern es wurden auch Prämien für den ersten, der solche entdeckte, ausgesetzt. Um aber den Scheintodten es möglichst zu erleichtern, etwaige Zeichen von Leben von sich zu geben, wurden Hände und Füsse jedes Todten mit Fäden in Verbindung gesetzt, deren geringste Erschütterung sich durch eine damit verbundene Schelle hörbar machte."<ref name="n-f">http://www.n-fischer.de/tod_geschichte_3.html Zugriff am 2.9.2015.</ref>
Andere Städte zogen nach. Doch die Bevölkerung hielt lieber am Glauben an den Scheintod fest, als dass sie ihre Toten in die Leichenhallen brachten. So wurde 1885 in Frankfurt/Main etwa 5% der Toten von der Leichenhalle aus bestattet, im Jahr 1892 - nach Bau einer neuen Leichenhalle - bereits 60%.<ref name="n-f"></ref> Einige Städte verbanden die Aufbahrung in einer Leichenhalle auch mit einer Prämie für den ersten Fall eines Scheintoten.
Prof. Norbert Fischer schreibt in seiner Arbeit über "Tod und Bestattung" im Kapitel "Zwischen Vernunftdenken und emotionalem Pathos" über diese Erscheinung des 18. und 19.Jh.: "Wenn es auch kaum wirklich überprüfbare Fälle von wiederauferstandenen Scheintoten gab, so bemühte man sich von aufgeklärter Seite um 'Entdämonisierung'. Beruhigend wirkten hier behördliche Vorschriften über den zeitlichen Ablauf der Bestattung und geregelte Leichenschauen."<ref name="n-f"></ref>
Über ihren Zusammenhang mit der grassierenden Furcht vor dem Scheintod hieß es in einer zeitgenössischen Schrift von 1796: "Zur wahren Verbesserung und der einzig guten Anstalt in dieser wichtigen Sache war der erste Schritt der, dass man allzu frühe Beerdigungen auf das feierlichste verbot. Aber da die Kennzeichen des Todes so trüglich sind, ... so fiel man endlich auf das sicherste unfehlbarste Rettungsmittel, auf Leichenhäuser. Hier muss sich der gebundene Lebenszustand zum Erwachen oder zum wirklichen Tod auflösen; hier ist schlechterdings kein Mensch mehr der Gefahr ausgesetzt, lebendig eingescharrt zu werden; denn hier werden die Leichen in offenen Särgen, unter der Aufsicht unterrichteter und beeidigter Wächter, so lange hingestellt, bis über die Gewissheit des Todes bey den Aerzten kein Zweifel mehr übrig seyn kann."<ref name="n-f"></ref>


Der frz. Biologe Jean Rostand vertrat Mitte der 1960er Jahre die Auffassung: "Ein Mensch, der 1966 als tot gilt, wird vielleicht unter gleichen Umständen im Jahre 2000 noch nicht für tot erklärt."<ref name="sp">http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46196251.html Zugriff am 22.8.2015.</ref>
Der frz. Biologe Jean Rostand vertrat Mitte der 1960er Jahre die Auffassung: "Ein Mensch, der 1966 als tot gilt, wird vielleicht unter gleichen Umständen im Jahre 2000 noch nicht für tot erklärt."<ref name="sp">http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46196251.html Zugriff am 22.8.2015.</ref>

Version vom 31. August 2015, 14:50 Uhr

1792 wurde in Weimar das erster Leichenhaus vom Aufklärer Christoph Wilhelm Hufeland eröffnet, um den Hirntod zu entlarven. Hierüber gibt es eine detailgetreue Beschreibung: "In Weimar fand die Idee so allgemeinen Beifall, dass ohne Schwierigkeiten eine Subscription zur Eröffnung eines Leichenhauses zu Stande kam, die so gut ausfiel, dass ein Leichenhaus nach HUFELAND's [i. Orig. hervorgehoben] Angaben und unter seiner Aufsicht gebaut werden konnte. Es lag auf dem alten Gottesacker und enthielt ein grosses Zimmer, worin acht Leichen bequem liegen konnten. Es wurde durch Ofenröhren, welche unter dem Fußboden lagen, erwärmt und war mit Zugröhren versehen, um eine beständige Lufterneuerung hervorzubringen. Neben diesem grösseren Zimmer befand sich eine Stube für den Wächter mit einem Glasfenster in der Thür zur Beobachtung der Leichen. Diese Zimmer hatten eine Höhe von 12 Fuss, die Decke derselben war gewölbt. Eine Küche diente zur Bereitung der nötigen Hülfsmittel und namentlich warmer Bäder, wenn sich ja wiederkehrende Lebenszeichen darthun sollten. Damit keine, auch nicht die geringsten Zeichen des wiederkehrenden Lebens verloren gingen, bekamen die Wächter nicht allein eine sehr genaue Instruction, sondern es wurden auch Prämien für den ersten, der solche entdeckte, ausgesetzt. Um aber den Scheintodten es möglichst zu erleichtern, etwaige Zeichen von Leben von sich zu geben, wurden Hände und Füsse jedes Todten mit Fäden in Verbindung gesetzt, deren geringste Erschütterung sich durch eine damit verbundene Schelle hörbar machte."[1]

Andere Städte zogen nach. Doch die Bevölkerung hielt lieber am Glauben an den Scheintod fest, als dass sie ihre Toten in die Leichenhallen brachten. So wurde 1885 in Frankfurt/Main etwa 5% der Toten von der Leichenhalle aus bestattet, im Jahr 1892 - nach Bau einer neuen Leichenhalle - bereits 60%.[1] Einige Städte verbanden die Aufbahrung in einer Leichenhalle auch mit einer Prämie für den ersten Fall eines Scheintoten.

Prof. Norbert Fischer schreibt in seiner Arbeit über "Tod und Bestattung" im Kapitel "Zwischen Vernunftdenken und emotionalem Pathos" über diese Erscheinung des 18. und 19.Jh.: "Wenn es auch kaum wirklich überprüfbare Fälle von wiederauferstandenen Scheintoten gab, so bemühte man sich von aufgeklärter Seite um 'Entdämonisierung'. Beruhigend wirkten hier behördliche Vorschriften über den zeitlichen Ablauf der Bestattung und geregelte Leichenschauen."[1]

Über ihren Zusammenhang mit der grassierenden Furcht vor dem Scheintod hieß es in einer zeitgenössischen Schrift von 1796: "Zur wahren Verbesserung und der einzig guten Anstalt in dieser wichtigen Sache war der erste Schritt der, dass man allzu frühe Beerdigungen auf das feierlichste verbot. Aber da die Kennzeichen des Todes so trüglich sind, ... so fiel man endlich auf das sicherste unfehlbarste Rettungsmittel, auf Leichenhäuser. Hier muss sich der gebundene Lebenszustand zum Erwachen oder zum wirklichen Tod auflösen; hier ist schlechterdings kein Mensch mehr der Gefahr ausgesetzt, lebendig eingescharrt zu werden; denn hier werden die Leichen in offenen Särgen, unter der Aufsicht unterrichteter und beeidigter Wächter, so lange hingestellt, bis über die Gewissheit des Todes bey den Aerzten kein Zweifel mehr übrig seyn kann."[1]


Der frz. Biologe Jean Rostand vertrat Mitte der 1960er Jahre die Auffassung: "Ein Mensch, der 1966 als tot gilt, wird vielleicht unter gleichen Umständen im Jahre 2000 noch nicht für tot erklärt."[2]


Scheintote im 20. Jh.

1964 wurde in England der Fall John Higgins gemeldet. Er soll 10 Mal für tot gehalten worden ein. 3 Mal wachte Higgins erst wieder in der Leichenhalle auf.[2]

1966 wurde an der 71-jährigen New Yorker Krankenschwester Henrietta Landau der Totenschein ausgefüllt. Im Beerdigungsinstitut kam sie wieder zu sich.[2]

Am 26.7.1967 trat der 22-jährige US-Soldat Jacky Bayne im Vietnamkrieg auf eine Mine. Im Lazarett versuchten die Ärzte, ihn am Leben zu halten. Nach 45 Minuten gaben sie auf. Das EKG zeigte keinen Ausschlag. Jacky Bayne kam in die Leichenhalle. Später wollte ihn ein Wärter einbalsamieren und stellte schwache Pulsschläge am Oberschenkel fest. Sofort wurden alle Reanimationsmaßnahmen wieder aufgenommen. Nach 3 Wochen Bewusstlosigkeit kam Jacky Bayne wieder ins Leben zurück. Er trug nur leichte Sprachstörungen davon. Sein zerfetztes rechtes Bein musste hingegen amputiert werden.[2]


Scheintote im 21. Jh.

März 2015 stellte in einem Gelsenkirchener Pflegeheim die Pflegefachkraft an einer 92-jährigen Bewohnerin weder Atmung noch Puls fest. Hierauf rief sie einen Arzt, der schließlich den Totenschein ausfüllte. Die 92-Jährige wurde vom Bestatter abgeholt und schlug bei ihm plötzlich die Augen auf. Es war vom Arzt die Leichenschau nicht ordentlich durchgeführt worden. 2 Tage später starb die Oma im Krankenhaus.[3]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise