SAMW 1969

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Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes (25.01.1969)

Am 25.01.1969 beschloss die SAMW die "Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes".[1]

Seite 2 und 3 lautet:

  1. Die Entwicklung der Reanimationstechnik hat es notwendig gemacht, die biologischen Kriterien des menschlichen Todes neu festzulegen.
  2. Es ist möglich, beim Menschen den Ausfall der Atemfunktion durch künstliche Beatmung und den der Herztätigkeit durch Herzmassage und Pumpsysteme zu kompensieren.
  3. Es ist nicht möglich, die gesamthaften Auswirkungen des vollständigen irreversiblen Funktionsausfalls des Gehirns durch irgendwelche Maßnahmen zu beheben.
    Ein solcher Funktionsausfall ist dem Tod des Gehirns gleichzusetzen. Er führt zwangsläufig zum Absterben des übrigen Organismus.
  4. Ein Mensch ist als tot zu betrachten, wenn eine oder beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
    a) Irreversibler Herzstillstand mit der dadurch unterbrochenen Blutzirkulation im Organismus und damit auch im Gehirn: Herz-Kreislauf-Tod.
    b) Vollständiger, irreversibler zentraler Funktionsausfall oder Tod des Gehirns: zerebraler Tod.
  5. Der vollständige, irreversible zerebrale Funktionsausfalll trotz vorhandener Herzaktion ist beim normo- hyper- oder höchstens geringgradig hypothermen (Körpertemperatur nicht unter 34°C) nicht narkotisierten und nicht im Zustand einer akuten Vergiftung sich befindenden menschlichen Organismus anzunehmen, wenn bei mehrfacher Untersuchung die fünf folgenden Symptome zusammentreffen:
    1. Kein Ansprechen auf irgendwelche sensorischen und sensiblen Reize.
    2. Keine spontane Atmung und keine anderen spontanen zentralgesteuerten motorischen Erscheinungen im Bereich der Augen, des Gesichts, des Gaumens und des Rachens, des Stammes und der Extremitäten.
    3. Extremitäten schlaff und reflexlos.
    4. Beide Pupillen weit und lichtstarr.
    5. Rascher Blutdruckabfall gegebenfalls nach dem Absetzen der künstlichen Stützung des Kreislaufes.
      Dieser vollständige zerebrale Funktionsausfall ist der Tod des Gehirns gleichzusetzen. Ein Elektrozephalogramm kann ihn bestätigen und Dokumenntieren.
      Beim Kleinkind müssen die besserenn Restitutionsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
  6. Das Gehirn ist ebenfalls als tot zu betrachten,
    - wenn bei normo-, hyper- oder geringgradig hypothermen (Körpertemperatur nicht unter 34°C) menschlichen Organismus während mindestens 20 Minuten kein zerebraler Stoffwechsel mehr festzustellen ist oder
    - wenn im Karotisangiogramm eindeutig nachgewiesen wird, daß kein Blut mehr ins Gehirn gelangt.
  7. Der Zeitpunkt des Todes ist derjenige des Hirntodes. Es ist dies
    a) beim primären irreversiblen Herz- und Kreislaufstillstand der Zeitpunkt des Auftretens von weiten und lichtstarren Pupillen;
    beim primär zerebralen Tod der Zeitpunkt des Auftretens alle Symptome des vollständigen irreversiblen zerebralen Funktionsausfalls.
  8. Zur Feststellung des Todes ist nur ein Arzt (der behandelnde oder der nach dem Tod beigezogene) berechtigt.
  9. Nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Todes oder des zerebralen Todes ist
    a) das endgültige Absetzen der eventuell eingeleiteten künstlichen Beatmung oder einer eventuell eingeführten Kreislaufunterstützung durch den Arzt gerechtfertigt,
    b) die Entnahme überlebender Organe zulässig.
  10. a) Sofern nicht eine eindeutige, vollständige Zerstörung des Gehirns vorliegt, muß vor der Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantationszwecken der zerebrale Tod durch elektroenzephalographische Untersuchungen oder durch den Nachweis des fehlenden zerebralen Stoffwechsels bzw. der fehlenden zerebralen Blutzirkulation (z.B. Karotisangiogramm) dokumentiert sein.
    b) Ist bei primär zerebralem Tod die Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantatioinszwecken vorgesehen, so hat der behandelnde Arzt zur Feststellung des zerebralen Todes einen Neurologen oder Neurochirurgen und zur Beurteilung des Elektroenzephalogramms einen in dieser Hilfsmethode erfahrenen Spezialisten beizuziehen.
    c) Die den zerebralen Tod feststellenden Ärzte müssen von Transplantationsteam unabhänigig sein.

Basel, den 25. Januar 1969

Die Mitglieder der für die Ausarbeitung tätigen Kommission waren:

  • Prof. Dr. A. Werthemann, Präsident der SAMW, Basel, Vorsitz
  • Prof. Dr. M. Allgöwer, Direktor der Chir. Klinik der Universität Basel
  • Prof. Dr. J. Bernheim, Directeur de l´Institut de médecine légale de l´Université de Genève
  • Prof. Dr. O. Bucher, Directeur de l´Institut d´histologie et d´embryologie de l´Université de Lausanne
  • Prof. Dr. A. Gigon, Generalsekretär der SAMW, Basel
  • Prof. Dr. R. Hess, Leiter der Elektroencephalographischen Abteilung der Neurochir. Klinik der Universität Zürich
  • Prof. Dr. W. Hügin, Leiter des Instituts für Anästhesiologie am Bürgerspital Basel
  • Prof. Dr. P. Kielholz, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel
  • Prof. Dr. M. Klingler, Forschungsabteilung der F. Hoffmann-La Roche & Co AG Basel
  • Dr. F. König, Präsident der Verbindung der Schweizer Ärzte, Bern/Lyß
  • PD Dr. F. Largiadèr, Chirurgische Universitätsklinik A, Zürich
  • Prof. Dr. W. Löffler, Zürich, Vizepräsident der SAMW
  • Prof. Dr. R. Nicole, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung der Universitätskinderklinik Basel
  • Prof. Dr. R. Nissen, Emeritierter ordinarius für Chirurgie und ehem. Direktroe der Chir. Klinik der Universität Basel
  • Prof. Dr. F. Reubi, Direktor der medizinischen Poliklinik Bern
  • Prof. Dr. A. Senning, Direktor der Chri. Klinik A der Universität Zürich
  • PD Dr. R. Siebenmann, Direktor des Pathologischen Institutes des Kantonsspintals St. Gallen
  • Prof. Dr. G. Weber, Oberarzt an der Neurochir. Klinik der Universität Zürich
  • Prof. Dr. E. Zander, Médecin-chef du Service de neurochir. de l´Hôpital cantonal universitaire Lausanne

als Juristen haben mitgearbeitet:

  • Prof. Dr. E. Bucher, Extraordianrius für Privat- und Handelsrecht einschl. Rechtsvergleichungen an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften St. Gallen und PD für Zivielrecht an der Universität Zürich
  • Dr. H. Egli, Leter des Generalsekretariates der Schweizerischen Ärzteorganisation, Bern
  • Prof. Dr. J. Graven, Professeur ordinaire de droit pénal et de droit pénal inernational à l´Université de Genève
  • Prof. Dr. H. Hinderling, Ordinarius für Privatrecht an der Universität Basel
  • Prof. Dr. P. Piotet, Professeur ordinaire de droit civil à l´Université der Lausanne
  • Prof. Dr. H. Schultz, Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bern
  • Prof. Dr. G. Stratenwerth, Ordinarius für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Basel

Quellen wurden keine angegeben.

W. Hügin (1972)

W. Hügin gibt den Beschluss der SAMW wie folgt an:[2]

Stellungnahme der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (April 1969):

Richtlinien fur die Definition und die Diagnose des Todes.

  1. Die Entwicklung der Reanimationstechnik hat es notwendig gemacht, die biologischen Kriterien des menschlichen Todes neu festzulegen.
  2. Es ist möglich, beim Menschen den Ausfall der Atemfunktion durch künstliche Beatmung und den der Herztätigkeit durch Herzmassage und Pumpensysteme zu kompensieren.
  3. Es ist nicht möglich, die gesamthaften Auswirkungen des vollständigen irreversiblen Funktionsausfalls des Gehirns durch irgendwelche Maßnahmen zu beheben.
    Ein solcher Funktionsausfall ist dem Tod des Gehirns gleichzusetzen. Er führt zwangsläufig zum Absterben des übrigen Organismus.
  4. Ein Mensch ist als tot zu betrachten, wenn eine oder beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
    a) Irreversibler Herzstillstand mit der dadurch unterbrochenen Blutzirkulation im Organismus und damit auch im Gehirn: Herz-Kreislauf-Tod.
    b) Vollständiger, irreversibler cerebraler FunktionsausfaII oder Tod des Gehirns: cerebraler Tod.
  5. Der voIIständige, irreversible cerebrale FunktionsausfaII trotz vorhandener Herzaktion ist beim normo-, hyper- oder höchstens geringgradig hypothermen (Körpertemperatur nicht unter 34° C), nicht narkotisierten und nicht im Zustand einer akuten Vergiftung sich befindenden menschlichen Organismus anzunehmen, wenn bei mehrfaeher Untersuchung die fünf folgenden Symptome zusammentreffen:
    1. Kein Ansprechen auf irgendwelche sensorischen und sensiblen Reize.
    2. Keine spontane Atmung und keine anderen spontanen zentralgesteuerten motorischen Erscheinungen im Bereich der Augen, des Gesichts, des Gaumens und des Rachens, des Stammes und der Extremitaten.
    3. Extremitäten schlaff und reflexlos.
    4. Beide PupiIIen weit und lichtstarr.
    5. Rascher Blutdruckabfall gegebenenfalls nach dem Absetzen der künstlichen Stützung des Kreislaufes.
      Dieser vollständige cerebrale Funktionsausfall ist dem Tod des Gehirns gleichzusetzen. Ein Elektroencephalogramm kann ihn bestätigen und dokumentieren.
      Beim Kleinkind müssen die besseren Restitutionsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
  6. Das Gehirn ist ebenfalls als tot zu betrachten,
    a) wenn beim normo-, hyper- oder geringgradig hypothermen (Körpertemperatur nicht unter 34° C) menschlichen Organismus während mindestens 20 min kein cerebraler Stoffwechsel mehr festzustellen ist oder
    b) wenn im Carotisangiogramm eindeutig nachgewiesen wird, daß kein Blut mehr ins Gehirn gelangt.
  7. Der Zeitpunkt des Todes ist derjenige des Hirntodes. Es ist dies
    a) beim primären irreversiblen Herz- und Kreislaufstillstand der Zeitpunkt des Auftretens von weiten und lichtstarren Pupillen;
    b) beim primär cerebralen Tod der Zeitpunkt des Auftretens aller Symptome des vollständigen irreversiblen cerebralen Funktionsausfalls.
  8. Zur Feststellung des Todes ist nur ein Arzt (der behandelnde oder der nach dem Tod beigezogene) berechtigt.
  9. Nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Todes oder des cerebralen Todes ist
    a) das endgütige Absetzen der evtl. eingeleiteten künstlichen Beatmung oder einer evtl. eingeführten Kreislaufstützung durch den Arzt gerechtfertigt.
    b) die Entnahme überlebender Organe zulässig.
  10. a) Sofern nicht eine eindeutige, vollständige Zerstörung des Gehirns vorliegt, muß vor der Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantationszwecken der cerebrale Tod durch elektroencephalographische Untersuchungen oder durch den Nachweis des fehlenden cerebralen Stoffwechsels bzw. der fehlenden Blutzirkulation (z. B. Carotisangiogramm) dokumentiert sein.
    b) 1st bei primär cerebralem Tod die Entnahme von überlebenden Organen zu Transplantationszwecken vorgesehen, so hat der behandelnde Arzt zur Feststellung des cerebralen Todes einen Neurologen oder Neurochirurgen und zur Beurteilung des Elektrencephalogramms einen in dieser Hilfsmethode erfahrenen Spezialisten beizuziehen.
    c) Die den ccrebralen Tod feststellenden Ärzte müssen vom Transplantationsteam unabhangig sein.

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. SAMW: Richtlinie für die Definition und die Diagnose des Todes. (25.01.1969) Nach: https://www.assm.ch/dam/jcr:cca44176-545f-4598-82a7-f9175603789c/richtlinien_samw_definition_und_diagnose_des_todes_1969.pdf Zugriff am 04.09.2020.
  2. W. Hügin, M. Gemperle: Komplikationen und Gefahren der Anaesthesie. In: R. Frey, W. Hügin, O. Mayrhofer (Hg.): Lehrbuch der Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivtherapie. Berlin 1972, 876f.