Neuronale Verletzungen

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Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren (1965)

Stirnhirn Konvexität Stirnhirn Basis Hypophyse Zwischenhirn Zentralregion Temporallappen Partialregion Okzipitalregion Kleinhirn, Hirnstamm
Verdachtszeichen
Kopfschmerzen selten, spät häufiger Stirn und Augen selten spät Φ Φ früh (Nacken, Stirn)
Erbrechen selten selten bei Ventrikelblockade erst spät bei erhöhtem Blutdruck früh, häufig (nüchtern)
Augen(-hintergrund) Stauungspapille (StP) spät (einseitiger) Visusverfall Exophthalamus? Visus herabgesetzt, bitemproale Gesichtsfelddefekte selten StP früher, opt. Halluzination? homonyme Hemianopsie Quadranten-
anepsie
Heminanopsie, opt. Halluz. StP früh, Nystagmus Abduzensparese?
Bewusstsein (Antriebsmangel) (Enthemmung?) früh eingeschränkt Einschränkung stets Zeichen von erhöhtem Hirndruck! phasenhaft reduziert
diagnostische Hinweise
Krampfanfälle häufig (fokal?) Φ früh, fokal, Jackson, Gegenseite, Dämmerattacken, generalisiert? Aura (veget., olfakt.) sensible Jackson d. Gegenseite selten Streckkrämpfe (bedrohlich!)
Hirnnerven-
störung
Fazialis? Olfaktorius? Optikusatrophie? Optikus! Fazialis, Hapoglossus? Okulomot, Abduzens, Trigeminusreizung? Φ Φ Abduzens, Okulomot, Trochlearis, (Kornealreflex?)
Motorische Störungen Aphasie (motor.) Zwangs-, Nachgreifen Φ Parese, Plegie (Gegenseite) amnestische Aphasie (bei Tumor links) Φ Ataxie, Koorinat.-Störung (Herdseite)
Sensible Störungen Φ Φ Φ möglich Hemiphypästesie Lokalisationsstörung (Gegenseite) Φ Φ (Parästhesien?)
Psychische Störungen Antriebsmangel Enthemmung, Euphorie Stumpfheit, Schlafsucht, delirante Phasen Φ Merkschwäche + Korsakow, (paranoide Verstimmung) Φ Φ Benommenheit durch Hirndruck
Besonderheiten Konjugierte Kopf- Blickwendung "Witzelsucht" NNR-Insuffizien! Φ Olfakt. + opt. Aura b. Anfäll. Rindentaubheit? Agnosie, Alexie, Agraphie Seelenblindheit skandierende Sprache
klinische Untersuchung
Röntgen Kalkschatten? Basis verdickt? Sella erweitert Kalkstippchen Suprasellär? grobflächig-streifige Kalkschatten (Kortex, Mark, Plexus), Kalottendestruktionen? Pinealis verschoben Nahtsprengung (Kind), Wolkenschädel, Sella rarefiziert?
Arteriographie Anterioranfang ausgebucht, evtl. verschoben Tumoranfärbung? Turmoranfärbung, Anterior-Gesamtverschiebung zur Gegenseite (Fernsymptom) Φ Anteriorbogen bei Hydrozephalus werweitert
Enzelphelographie Füllungsdefekt, Seitenverschiebung (FS) Aussparung im 3. Ventrikel FS des Seitenventrikels FS des Tempforalhorns FS des Trigonum FS des Hirnterhorns nur Ventrikulographie! Hydrozephalus des 1.-3. Ventr. Aquädukt verschlossen?
EEG Herdbefund, Krampfwellen? beiderseits Zwischenwellen einseitiger Herdbefund (Delta-Wellen), halbseite Verlangsamung evtl. diffuse Verlangsamung
Krampfspitzen? Spitze-Wellenkomplex? Φ α-Verminderung

Verdachtszeiten und klinische Hinweise auf intrakaniellen Prozess[1]

Hirntumore treten gegenüber anderen Erkrankungen mit 1:10.000 eher selten auf. "Es ist vielleicht von Interesse, daß von 580 fortlaufend registrierten Tumoren (...) über 10% anfänglich als nervöse Erschöpfungszustände, als pseudoneurasthenische Bilder, als Psychopathien und sogar als Psychosen verkannt werden."[2]

"Der wichtigste Schritt zur Erkennung eines Hirntumors ist der Verdacht auf seine Existenz."[2]

"Erbrechen als Frühzeichen wird vor allem bei Kleinhirntumoren beobachtet. Intermittierend auftretendes Erbrechen ohne Übelkeitsgefühl oder sogar bei gutem Appetit ist besonders verdächtig auf eine zentrale Auslösung."[2]

"Die Stauungspapille ist in den allermeisten Fällen akutes Zeichen für eine intrakranielle Drucksteigerung. Der Nystagmus ist ebenfalls in der überwiegenden Zahl der Fälle bedingt durch einen raumbeengenden Prozeß. Treten Krampfanfälle im mittleren Lebensalter erstmalig auf, so sind sie fast immer durch eine Neubildung des Hirnes bedingt. ... Jeder Patient mit epileptischen Anfällen, einerlei ob lokalisierte, halbseitige oder generalisierte Krampfanfälle auftreten, muß unbedingt so rasch als möglich durch das EEG, evtl. auch durch Luftenzephalogramm und Arteriographie genauestens untersucht werden, um einen Hirntumor noch rechtzeitig erkennen zu können. Ganz besonders gefährlich sind Streckkrämpfe, meiest ein erster Hinweis für einen raumbeengenden Prozeß des Kleinhirns oder eine Abflußbehinderung des Hirnwassers. Hier besteht immer die Gefahr einer Lähmung im Bereich des Atemzentrums oder der Kreislaufzentren. Kommt es neben Krämpfen noch zu füchtigen oder manifesten Störungen der Motorik, evtl. auf einer Seite des Körpers, dann ist die Ursache fast immer ein Tumor und nur in sehr seltenen Fällen ein Gefäßverschluß oder eine Zerebralsklerose. Motorische unnd sensible Störungen treten bei Großhirntumoren immer auf der gegenüberliegenden Seite auf; bei Kleinhirnprozessen kommt es zu gleichseitigen Störungen; hier stehen jedoch im Vordergrund Ataxie, Schwindel, Kooriinationsstörungen, zusammen mit Pyramidenbahnstörungen, evtl. Schluck- und Stimmlähmungen."[2]

"Wichtig sind weiter Bewußtseins- und psychische Störungen, da gerade sie vom lange behandelnden Hausarzt eher erkannt und richtiger beurteilt werden können als vom klinischen Arzt, der den Patienten aus früherer Zeit nicht kennt. Nicht die schweren organischen Einschränkungen des Bewußtseins mit Benommenheit oder Schlafsucht, nicht die groben Auffälligkeiten, die den Verdacht auf eine Geisteskrankheit lenken, sind entscheidend für die Frühdiagnose eines Hirntumors, gerade die langsamen Veränderungen des früheren Patiententyps, also ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit, ein erhöhtes Schlafbedürfnis bei sonst aktiven Patienten, eine gleichgültige Nachlässigkeit bei sonst akkuraten und eher pedantischen Patienten oder auch eine karikaturhafte Verzerrung der früheren Einstellung müssen den Verdacht auf das Vorliegen eines intrakraniellen raumbeschränkenden Prozesses erwecken. ... Vor allem Tumoren im Stirnhirn, in der Nähe des Balkens und der Hypophysenregion zeigen frühzeitig psychische Veränderungen (...)."[3]

"Temprament- und Charakteranomalien sind dann nicht Folge einer endogenen Störung, sondern entstehen durch den Druck des wachsenden Tumors auf das Gesamtgehirn. Die mit der Hirnorganischen Schädigung verbundene Entgleisung der innerseelischen Harmonie ähnelt den symptomatischen Psychosen bei bestimmten körperlichen Erkrankungen. Walter-Buel (...) fand bei 600 Hirntumoren vor der Behandlungseinleitung in 70% psychoorganische Störungen. Corboz (...) stellte bei 52 Kindern der gleichen Versuchsreihe sogar 92% 'psychische Veränderungen irgendwelcher Art' fest."[3]

"Fast immer beginnen intrakranielle Prozesse uncharakteristisch ('Tumorpsyche'): Verlangsamte Auffassung, gestörte Merkfähigkeit und herabgesetze Aufmerksamkeit sind gekoppelt mit depressiver Verstimmung bei gutem Kontakt, Unstetheit im Handeln und Reagieren, Einschränkung der Bewußtseinsklarheit und gelegentlich mit Ideenflucht und Konfabulationen. Fortgeschrittene Stadien des zunehmenden intrakraniellen Druckes zeigen mehr apatisch-lethargische Zustände oder erregte und delirante Symptome."[3]

"Prozesse im Bereich des Stirnhirns zeigen eher einen Verlust des Eigenantriebs bei erhaltener Fremdanregbarkeit. Dazu kommenn häufig eine Vergröberung oder auch eine Abflachung der Gesamtpersönlichkeit. Die Aspontaneität, also die herabgestzte Initiative und Willensleitung, ist häufiger bei Schädigung der Stirnhirnkonvexität; bei Prozessenn im Bereich der Stirnhirnbasis (Orbitalhirn) herrschen Triebenthemmung, Asozialität, Verhaltens-Diskkontinuität, Ausfall der selbstkritischen Einstellung und der affektiven Bindung vor. Selbst Manie-ähnliche Zustände sind (z.B. bei Olfaktorius-, Keilbein- und suprasellären Meningiomen) bekannt, deshalb fanden sich bei den oben genannten postmortalen Untersuchungen auch am häufigsten Stirnhirntumoren."[3]

"Bei Ausdehnung derartiger medio-basaler Prozesse bis zum Zwischenhirn herrschen neben Auffassungsschwierigkeiten und mnestischen Lücken sehr häufig Apathie, Schlafsucht, oder narkoleptische Zustände vor; im Wachzustand impnieren eine leere Euphorie, eine Perseverationstendenz und eine fehlende Zuwendung. Auch eine Senkung des gesamten energetischen Niveaus sowie eine Hemmung der Triebe und Affekte sind meist nicht zu verkennen. ... Bei Ausdenung des Prozesses bis zum Stammhirn kommt es neben einer körperlichen Akinese zu einer Denkverlangsammung (psychischer Rigor), zu psycho-reaktivem Antriebsmangel und vegetativen Begleiterscheinungen, wie sei vor allem bei (postenzephalitischen) Parkinson-Patienten bekannt sind."[4]

"Tumoren in der Nähe der Zentralregion werden noch am ehesten erkannt, da mororische oder sensible Defizit-Erscheinungen auf der Gegenseite, früh einsetzende Krampfanfälle - sie können fokal, Jackson-artig oder generalisiert sein - und agnostische, apraktische und aphasische (auf der dominanten Hemisphäre) Störungen eindeutig auf den Neubildungsprozeß hinweisen. Schwerer ist die Erkennung okzipital gelegener Hirntumoren (sie sind im ganzen gesehen selten), sie geben oft Anlaß zu Rinden- und Seelenblindheit."[4]

"Für die Diagnostik von Schläfenlappentumoren und den gerade hier häufigen degenerativ-zystischen Prozessen (z.B. nach Geburtsschaden) spielen für die Praxis die Erkennung und richtige Eingliederung der kurzdauernden Aufmerksamkeitsstörungen (Dämmerattacken), fälschlich Absencen genannt) ohne Hirnstützen eine Rolle. Sie sind häufig mit Unruhe, Geruchsaura und vegetativen Mißempfindungen verbunden. Kommt es zu Aphasie, so ist hier das Wort-Verständnis gestört (nicht wie bei Tumoren der Sthirnhirnkonvexität die Sprechmotirik!), eine sofortige kliniische Klärung ist wie bei allen Anfällen ratsam und dringlich."[4]

"Im ganze gesehen muß man mit der Zuordnung bestimmter psychischer Veränderungen zu einem bestimmten Hirngebiet vorsichtig sein."[4]

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 381.
  2. a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 380.
  3. a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 382.
  4. a b c d W. Umbach: Klinische Zeichen und psychische Veränderungen bei Hirntumoren. In: Med. Klinik 60 (1965), 383.