Galen

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sein Leben

Galen von Pergamon (129-199) ist neben Hippokrates von Kos (460-370 v.C.) der berühmteste Repräsentant der Medizin im Altertum. Sein Werk galt viele Jahrhunderte lang als die "Bibel der Medizin". Galen forderte zu vernünftigem Handeln in der klinischen Praxis und zum methodischen Aufbau der Diagnose auf, griff jedoch bedauerlicherweise dabei auf die Philosophie zurück, obgleich sich zu dieser Zeit die Medizin gerade von der Philosophie loszulösen begann. - Nachdem er Mathematik und Philosophie studierte, wandte sich Galen der Medizin zu. Dazu studierte er in Smyrna, Korinth und Alexandria. Galen hegte große Verehrung für seine Lehrer Pelops, Stratonikus, Satyrus und Numisianus. Nach seiner Rückkehr nach Pergamon, wurde er im Jahr 158 zum Gladiatorenarzt ernannt. Dabei machte er zahlreiche anatomische Studien. 163 ging er nach Rom und unterrichtete Anatomie und Physiologie. Er sezierte Tiere in der Öffentlichkeit. Seinen Freundeskreis wählte er sich aus der Elite der römischen Gesellschaft. Im Jahr 165 verließ er Rom.[1]

Von Rom aus reiste er in die röm. Provinz Campania, weiter nach Syrien, Phönizien, Palästina und Zypern, wobei er aus jeder Gegend Heilmittel und Pflanzen mitbrachte. 168 wollte ihn Marc Aurel auf einem Feldzug haben, doch Galen lehnte ab. Er pflegte lieber Commodus (161-192). Galen war nacheinander Arzt von Septimius Severus (146-211) und Caracalla (188-217). - Man nimmt an, dass Galen über 500 Bücher geschrieben hat, wovon uns nur ca. 50 Bücher erhalten sind. Galen war ein Elektiker,[Anm. 1] der Empiriker, Dogmatiker und Methodiker zugleich geißelte. Nur Hippokrates allein bewunderte er aufrichtig. Seine Lehre versuchte er wiederherzustellen.[2]

Der Sohn des Architekten Aelius Nikon hörte schon mit 14 Jahren in seiner Heimat Philosophen. Mit 17 Jahren wandte er sich der Heilkunde zu. Für Studien ging er nach Smyrna, wobei er eine Vorliebe für Anatomie entwickelte. Dann ging er nach Korinth und Alexandria. Mit 27 Jahren kehrte er nach Pergamon zurück und wurde als Arzt in einer Gladiatorenschule angestellt. Für ihn war dies eine praktisch-ärztliche Tätigkeit mit dem Schwerpunkt Chirurgie. Mit 33 Jahren ging er nach Rom, wo er sich als Arzt und Lehrer einen Namen erwarb. Streitigkeiten mit den Ärzten veranlasste in, Rom zu verlassen und auf Umwegen - er wollte weitere Studien betreiben - nach Pergamon zurückzukehren. Er wurde von Kaiser Mark Aurel nach Rom zurückberufen, lehnte jedoch Berufung als Arzt im Feldlager ab. Er blieb bis zu seinem Tode Arzt am Kaiserhof. Nach eigenen Angaben soll er über 100 Schriften verfasst haben.[3]

Galen erwarb sich durch Sektionen, insbesondere von menschenähnlichen Affen, wertvolle Kenntnisse. Durch seinen außerordentlichen Fleiß, scharfsinnige Beobachtung, erstaunliche Belesenheit und überlegene Dialektik nahm er es mit der episyntetischen Schule, den Erasistraeer und den Methodiker auf und ging als Sieger hervor. Er beherrschte gleichsam das gesamte medizinische Wissen jener Zeit. Seinen Lehrern erwies er große Verehrung, insbesondere dem Anatom Marinus und Hippokrates. Als Anatom und Physiologe hat er die Lehre vom Nervensystem in weitem Umfang ausgebildet.[4]

seine Studien

Die Lehre Galens beruht auf anatomische Studien und unzähligen Sektionen. Er konnte nur Tiere sezieren. Am liebsten untersuchte er Affen. Seine Ergebnisse führten dazu, die damals erfolgreichen Lehrbücher von Martialis, Marinus und Lycus zu widerlegen. - Bei gelegentlichen Fehldeutungen, die Galen unterkamen, war es doch erstaunlich, zu welch fortschrittlichen Erkenntnissen er gekommen war: Galen beschrieb das Gehirn, seine Ventrikel und zeigte den Unterschied zwischen Epfindungs- und Bewegungsnerv auf.[5]

Galen führe auch zahlreiche Experimente durch, um die Funktion der Organe zu begreifen. So erzeugte er z.B. einen Atemstillstand mittels Duchschneiden der Medulla. Durch Unterbinden der Ureteren bewies er, dass der Urin in der Niere und nicht in der Blase erzeugt wird.[6]

Galen nannte die sensorischen Nerven die "weichen Nerven" und die Bewegungsnerven die "harten Nerven". Organe, Nerven und Pneuma führen nach Galen ein eigenes Leben, das aber zum Leben des ganzen Organismus beiträgt: Der Magen nimmt die Nahrung auf und stößt sie ab. Die Niere verarbeitet die flüssigen Säfte. Die Milz absorbiert die Überreste der Leber durch die Milzader. Die Gallenblase nimmt die überflüssige Gallenflüssigkeit auf.[7]

In seinen Werken berichtet Galen gerne über klinische Erfolge und gelungenen Heilungen. Besonders glücklich ist er immer dann, wenn er einem seiner Kollegen einen Fehler nachweisen konnte. Außerdem erzählt er auch gerne, wie er Simulanten ertappte.[8]

Angeleitet von der hippokratischen Therapeutik zog es Galen vor, lieber auf Diät und Hygiene als auf die übertriebene Anwendung von Medikamenten zurückzugreifen. Neben 473 Medikamente pflanzlicher Herkunft findet man in seinen Schriften eine ganze Reihe mineralischer Substanzen und tierischer Stoffe.[9]

"Gehirn und periphere Nerven beschreibt er besonders genau, er unterscheidet Cerebral- und Spinalnerven; [10]

Galen teilte seine Schriften in 7 Gruppen ein: 1. Anatomie, 2. Pathalogie, 3. Therapie, 4. Diagnostik und Prognostik, 5. Kommentare, 6. Philosophie, 7. Grammatik.[11]

An Leichen scheint Galen keine anatomische Studien durchgeführt zu haben, weil dies in Griechenland verboten war. Daher empfahl er, hierzu nach Alexandrien zu gehen, da dort menschliche Skelette zu Lehrzwecken benutzt wurden. Durch das ganze Mittelalter hindurch war man der Meinung, dass Galen in der Anatomie Menschen beschreibt. Erst Andreas Vesalius (1514-1564) deckte diesen Irrtum auf. Die Vivisektion von Affen bezeichnete Galen wegen der Menschenähnlichkeit als widerwärtig.[12]

Galen beschrieb 7 Gehirnnerven. Den Riechnerv betrachtete er als einen Teil des Gehirns.[13]

Für Galen war klar das Gehirn das zentrale Organ.[14]

"Galen (131-201) benannte als einer der ersten das Gehirn neben Herz und Atemorganen als einen der drei Wege zum Tod, als eine der 'Eintrittspforten des Todes' (>atria mortis<)"[15]

"Der Anatom Galen entdeckte im zweiten Jahrhundert nach Christus den Seh- und Hörnerv und postulierte, das Gehirn sei die Zentrale der Wahrnehmung. Galen beschrieb auch die Hohlräume des Gehirns, die Ventrikel."[16]

"Im Gegensatz zu den meisten antiken Ärzten verfügte Galen nicht nur über klinische Erfahrung, sondern konnte sich auch auf vergleichende Sektionen an Tier und Mensch und auf physiologische Tierexperimente stützen. Das galt vor allem für seine Kenntnis des Gehirns und der Hirnnerven. Seine anatomisch-physiologische Lokalisierung bestand darin, daß er den Ursprung der motorischen Nerven im Rückenmark und in der Medulla oblongata, den der sensorischen Nerven im vorderen Teil des Gehirns annahm (Galen, 1965a, S. 741). Galen zog daraus nicht den Schluß, daß Sensorik in der vorderen und Motorik in der hinteren Hirnregion repräsentiert sei, aber möglicherweise war eine solche naheliegende Schlußfolgerung für die spätere Konstituierung der Ventrikellehre ebenso bedeutsam wie seine anatomische Beschreibung der Hirnventrikel, wiewohl er selbst die seelischen Fakultäten dort nicht lokalisierte."[17]

"Tatsächlich hat Galen sich sogar die Frage gestellt, ob die Ventrikel als Sitz der Seele betrachtet werden könnten, wies dies jedoch mit dem Argument zurück, daß ihre Verletzung beim Menschen zwar zum Verlust von Wahrnehmung und Bewegung führe, weil kein Pneuma mehr gebildet werde, nicht aber zum Tode (Galen, 1965b, S. 605-609). ... Ihre Unabhängigkeit voneinander untermauerte er mit der Annahme, daß sie bei Krankheit oder Läsion des Gehirns isoliert gestört sein könnten (Galen 1965c, S. 60-62; vgl.Falk 1871)." Daneben beschrieb Galen auch Sprachstörungen, die er mit Apoplexien in Verbindung brachte.[18]

Galen nahm Sprachstörungen sehr ernst, was sich darin zeigt, dass er um die Möglichkeit der Rückbildung von Sprachstörungen gewusst und systematische Rehabilitationsversuche mit solchen Patienten unternommen hat. Leider sind nähere Einzelheiten über die Art dieser Sprachtherapien nicht bekannt (vgl. Siegel, 1973, S. 248).[19]

seine Philosophie

Galen war davon überzeugt, dass die Schöpfung vollkommen war. Anatomie und Physiologie stellte sich für Galen wie folgt dar: die Organe seien derart geschaffen und mit solchen Fähigkeiten versehen, dass sie ihre Funktion richtig erfüllen und dem Organismus gut dienen können. Galen spricht dabei vom "Schöpfer" und von "Gott", nicht aber von "Göttern". Daher wurde er von den Kirchenvätern favorisiert.[20]

Galen stellte sich die Frage, ob die Ventrikel als Sitz der Seele betrachtet werden könnten, wies dies jedoch mit dem Argument zurück, dass ihre Verletzung beim Menschen zwar zum Verlust von Wahrnehmung und Bewegung führe, weil kein Pneuma mehr gebildet werde, nicht aber zum Tode (Galen, 1965b, S. 605-609).[21]

seine Auffassung über das Gehirn

Galen sezierte zahlreiche Tierkadaver,[Anm. 2] führte Vivisektionen durch und betrieb systematisch anatomische Studien, die er in über 100 Schriften für die Nachwelt festhielt. Galen "studierte unter anderem Transektionen des Rückenmarks, wobei er bemerkte, dass spezifische Muskeln von spinalen Nerven angetrieben werden, die letztendlich mit dem Hirn verbunden sind. Damit identifizierte Galen das Gehirn als Kommandozentrale des menschlichen Körpers. Ein lebender Körper war nach antiker Auffassung aber nicht nur aus materiellen Elementen beschaffen (Erde, Wasser, Feuer und Luft), sondern wurde auch durch πνευμαζωοτικον (lat.: spiritus vitalis) am Leben erhalten, welches im Herzen generiert und über das Blut im Körper verteilt wurde. Nach galenischer Auffassung findet im Gehirn (genauer: im ‚rete mirabile’) dann eine Umwandlung des πνευμαζωοτικον in ein πνευμαψυχικον (lat.: spiritus animalis) statt, welches sich in den Hirnventrikeln ansammelt und sich in den Nervenschläuchen gleich einem hydraulischen System ausbreitet, um letztendlich die Muskeln zu bewegen. Damit vermittelt das πνευμαψυχικονWechselwirkungen zwischen den körperlichen und seelischen Vorgängen. Geistige Krankheiten werden als Unterbrechung des normalen Flusses von πνευμα verstanden, die durch eine ‚Dyskrasie’ der vier Säfte (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) hervorgerufen werden kann. In aristotelischer Tradition wird der Mensch damit als körperlich-geistige Einheit konzipiert. Nach dem Tode Galens werden bis zum Beginn der Neuzeit keinerlei nennenswerte Fortschritte in der Neuroanatomie erzielt. Die galenischen Lehren werden jedoch im Rahmen der Christianisierung mit neuplatonischem Gedankengut zersetzt und die (rationale) Seele zunehmend als separate Entität aufgefasst. Die Hirnventrikellehre514 dominiert die Medizin des europäischen Mittelalters und Galens Aufzeichnungen werden bis zur Renaissance zum ultimativen, medizinischen Dogma erhoben. Der menschliche Körper befindet sich damit im Spannungsfeld von neuplatonischer Seelenlehre, galenischer Anatomie und der antiken Viersäftelehre."[22]

Urteile über Galen

"Man könnte - fast ohne zu übertreiben - behaupten, dass in der Geschichte der Medizin der Schatten Galens bis zu Sydenham (1624-1698), ja bis zu Bichat (1771-1802) und Laennec (1781-1826) reichte."[23]


Anhang

Anmerkungen

  1. Ein Mensch, der weder ein eigenes philosophisches System aufstellt noch ein anderes übernimmt, sondern aus verschiedenen Systemen das ihm Passende auswählt. Abwertend: jemand, der fremde Ideen nebeneinander stellt, ohne eigene Gedanken dazu zu entwickeln. (Duden: Fremdwörterbuch)
  2. Die Sezierung menschlicher Kadaver war unter römischem Recht verboten. Galen sezierte hauptsächlich Affen, Hunde und Schweine und übertrug seine Erkenntnisse relativ unkritisch auf den menschlichen Körper. Vgl. Finger 2001 : 16.

Einzelnachweise

  1. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 411.
  2. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 413.
  3. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 661.
  4. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 662.
  5. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 415.
  6. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 415f.
  7. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 417.
  8. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 419.
  9. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 500.
  10. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 663.
  11. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 664.
  12. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 665.
  13. August Hirsch (Hg.): Biblographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. 2. Auflage. 5 Bände. München 1962. Bd. 2, 666.
  14. https://www.dasgehirn.info/entdecken/Kopf_und_Inhalt/galen-2013-das-gehirn-als-zentrales-organ-4089 Zugriff am 3.8.2015.
  15. Torsten Junge: Die Okkupation des Fleisches - zur Gegenwart der Transplantationsmedizin. Hamburg 1999. In: http://www.gradnet.de/papers/pomo99.papers/Junge99.htm Zugriff am 17.10.2016.
  16. Alwin Schönberger: Geistbeschwörung. In: profilwissen 2 (19.06.2013), 28. Nach: https://neurocluster-db.meduniwien.ac.at/db_files/pr_pdf_37.pdf Zugriff am 06.04.2021.
  17. Michael Hagner: Zur Geschichte und Vorgeschichte der Neuropsychologie, 9. Nach: http://ftp.mpdl.mpg.de/mpiwg-berlin/data/datastreams-single/escidoc_643844+content+content.0 Zugriff am 06.04.2021.
  18. >Michael Hagner: Zur Geschichte und Vorgeschichte der Neuropsychologie, 10. Nach: http://ftp.mpdl.mpg.de/mpiwg-berlin/data/datastreams-single/escidoc_643844+content+content.0 Zugriff am 06.04.2021.
  19. Michael Hagner: Zur Geschichte und Vorgeschichte der Neuropsychologie, 10. Nach: http://ftp.mpdl.mpg.de/mpiwg-berlin/data/datastreams-single/escidoc_643844+content+content.0 Zugriff am 06.04.2021.
  20. Siehe: Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 414.
  21. Michael Hagner: Zur Geschichte und Vorgeschichte der Neuropsychologie, 10. Nach: http://ftp.mpdl.mpg.de/mpiwg-berlin/data/datastreams-single/escidoc_643844+content+content.0 Zugriff am 06.04.2021.
  22. Daniel Alexander Braun: Philosophische Verwicklungen der neurobiologischen Bewusstseinsforschung. (phil. Diss.) Freiburg 2010, 182. Nach: https://freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:8088/datastreams/FILE1/content Zugriff am 22.05.2019.
  23. Richard Toellner: Illustrierte Geschichte der Medizin. Bd. 1, 423.