Ethikrat Trier

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Schriften

2. Auflage (2019)

2019 brachte der "Ethikrat katholischer Träger von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen im Bistum Trier" in der 2. Auflage eine Stellungnahme zur Organspende heraus.[1] Darin heißt es:

Sie waren ein Alarmsignal, die Organspende-Zahlen des Jahres 2017: 20 Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes war mit 797 Organspendern in Deutschland ein neuer Tiefpunkt erreicht. Bei durchschnittlich 3,3 entnommenen Organen pro Spender standen im Jahr 2017 damit 2594 postmortale Organe zur Verfügung. Auf eine Million Einwohner kamen nur noch ca. 10 Organspender. Zu dieser Entwicklung mögen die sogenannten Organspendeskandale, etwa am Universitätsklinikum Göttingen (2013), in Regensburg, München sowie Verdachtsfälle in verschiedenen Zentren beigetragen haben. Sie erklären aber nicht vollständig den sehr niedrigen Stand der Organspenden in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. (4)

Es waren 2012 keine "Organspendeskandale", sondern Organverteilungsskandale. - Die Skandale von 2012 und 2013 hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Entscheidung der Menschen, siehe: {{Entscheidungen]]

Auch wenn im Verlauf des Jahres 2018 die Spendebereitschaft in Deutschland wieder zugenommen hat, ...(4)

Nach Feststellung des Hirntodes haben sich im Jahr 2014 68,8% für die Organentnahme entschieden, 2015 waren es 70,3%, 2016 68,7%, 2017 73,3% und 2018 67,4%. Damit ist die faktische "Spendebereitschaft" im Jahr 2018 im Gegensatz zu den 4 Vorjahren gesunken.[Anm. 1]

Vor diesem Hintergrund stellen sich ethisch relevante Fragen, etwa nach der selbstbestimmten Entscheidung zur Organspende, nach der Rechtfertigung der im Vorfeld der Hirntoddiagnostik notwendigen Maßnahmen, nach einem Anspruch des Staates auf die Organe seiner Bürger und nach einer tatsächlichen Entlastung der Entscheidungssituation für Angehörige. (5)

Es geht nicht um einen "Anspruch des Staates auf die Organe", sondern um einen praktikablen Weg, im Falle des festgestellten Hirntodes eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob es im Sinne des Hirntoten ist, dass er seine Organe spenden will.
Beim Erbrecht wird auch nicht gesagt, dass es um einen "Anspruch des Staates auf das Erbe" geht, wenn kein Testament vorliegt.

In der Diskussion ist allerdings nicht immer klar, wie ein derartiges Widerspruchsmodell im Einzelnen ausgestaltet sein soll. Oft variiert im Zusammenhang mit der sogenannten doppelten Widerspruchslösung die Art der Berücksichtigung der Angehörigen. (9)

Im "Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz" heißt es auf Seite 6: "Der Arzt, der die Organ- oder Gewebeentnahme vornehmen oder unter dessen Verantwortung die Gewebeentnahme nach § 3 Absatz 1 Satz 2 vorgenommen werden soll, ist verpflichtet, durch eine Anfrage des nach § 2 Absatz 4 zur Auskunft berechtigten Arztes bei dem Register nach § 2 Absatz 3 zu klären, ob eine Erklärung des möglichen Organ- oder Gewebespenders zur Organ- oder Gewebeentnahme nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 vorliegt. Hat die Anfrage keine Erklärung ergeben und liegt dem Arzt auch weder ein schriftlicher Widerspruch vor noch ist ihm ein entgegenstehender Wille des möglichen Organ- oder Gewebespenders bekannt, ist der nächste Angehörige des möglichen Organ- oder Gewebespenders zu befragen, ob ihm ein schriftlicher Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille des möglichen Organ- oder Gewebespenders bekannt ist. Ist bei mehreren gleichrangigen nächsten Angehörigen keinem der Angehörigen ein schriftlicher Widerspruch oder ein entgegenstehender Wille bekannt, so ist die Entnahme unter den Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3, Satz 2 und Absatz 2 zulässig."
Wer den Gesetzentwurf liest, hat diese Information.

Ersichtlich konvergieren erweiterte Zustimmungslösung und Widerspruchs-recht umso stärker, je größer die Entscheidungsbefugnisse der Angehörigen sind. (9)

Es geht bei der geplanten Widerspruchsregelung allein um die Umsetzung des Willens des Hirntoten. Die Haltung der Hinterbliebenen ist nicht gefragt.

Die Art und Weise der Feststellung des Hirntodes ist in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Feststellung des Hirntodes festgelegt. (14)

Diese in der Fußnote 22 korrekt benannte Richtlinie des Jahres 2015 hat zwar der WB-BÄK ausgearbeitet, aber das BGM in Kraft gesetzt.

Ebenfalls darf ein Bevollmächtigter oder ein Betreuer nicht in organprotektive Maßnahmen vor Feststellung des Hirntodes einwilligen, vor Feststellung des Hirntodes einwilligen, vor da diese Maßnahmen nicht dem therapeutischen Interesse des Betroffenen dienen. (16)

Wenn in der vorliegenden Patientenverfügung (PV) einer Fortsetzung der intensivmedizinischen Behandlung zum Zwecke der Organentnahme zugestimmt ist, hat der Bevollmächtigte bzw. der Betreuer nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, vor Feststellung des Hirntodes die organprotektiven Maßnahmen zu fordern, damit der Wille des Patienten umgesetzt werden kann. - Beim Wunsch um Therapieende betrifft die Umsetzung des Willen des Patienten durch den Bevollmächtigten bzw. den Betreuer auch vor dem Tod des Patienten.

ie Spende wird von Dritten einem anonymen Empfänger zugeteilt, der wiederum seine Dankbarkeit einem Spender nur noch im Gedenken erweisen kann, weil dieser bereits verstorben ist. Insofern ist die Differenzierung hilfreich, die postmortale Organspende geschehe im »Geist der Nächstliebe«. (20)

Müsste es hier nicht "Geist der Nächstenliebe" heißen? - Wenn Verstorbene jemandem Geld oder Immobilien vererben, können diese Erben sich beim "Spender" genausowenig bedanken.

Wie auch immer diese Frage zu entscheiden ist, so gilt es doch anzuerkennen, dass es durchaus ehrenwerte Motive für ein »Nein« zur Organspende geben kann, von denen nur drei genannt seien: Die Nicht-Einwilligung kann motiviert sein durch die Unsicherheit, ob der Hirntod wirklich der Tod des Menschen ist, oder auch durch Rücksichtnahme auf die Angehörigen, weil die Umstände der Organentnahme das Abschiednehmen unter Umständen stark belasten können. Auch bergen organprotektive Maßnahmen Unsicherheiten, ob und in welcher Form der Sterbeprozess verlängert werden darf. (20)

Zu 1.: Es wird auch nicht darüber diskutiert, ob man bei Rot oder Grün über die Kreuzung fahren darf oder ob "Ehrenmord" auch Mord ist. Warum soll man beim Hirntod entgegen dem Gesetz (TPG eine eigene Auffassung haben?
Zu 2.: Die Situationen bei Hirntod sind immer sehr belastend, weil der Hirntote noch vor wenigen Tagen ein ganz normales, gesundes Leben geführt hat und das zum Hirntod führende Ereignis plötzlich eintrat. Für die Hinterbliebenen ist es ein Abschied ohne Abschied.
zu 3.: Wenn klar ist, dass das Therapieziel der Hirntod ist, damit entsprechend dem Willen des Patienten die Organe gespendet werden können, wird der Sterbeprozess dadurch beschleunigt, dass man nicht mehr auf den Erhalt des Lebens achtet und damit die Organe schädigt, sondern nun sich um den guten Erhalt der Organe sorgt, auch wenn das Leben dadurch verkürzt wird.

... sondern einen grundsätzlichen normativen Paradigmenwechsel reflektiert. (20)

Was ist an einem Paradigmenwechsel schlecht?

Eine erweiterte Widerspruchsregelung und die hierdurch geschaffene Norm zur Organspende würde dafür jedoch in Kauf nehmen, dass das in ethischer Hinsicht unverzichtbare Kriterium der Freiwilligkeit hinter die Interessen der Organbeschaffung zurücktritt. (21)

Jeder darf bei der erweiterten Widerspruchsregelung freiwillig widersprechen, ohne Angabe von Gründen.

Zunächst ist zu konstatieren, dass eine Widerspruchsregelung eine Nicht-Erklärung oder das Unterlassen des Widerspruchs als Zustimmung zur Organentnahme deutet und damit eine Rechtsfiktion postuliert, die deutet und damit eine Rechtsfiktion postuliert, die deutet den in Deutschland geltenden (medizin-)ethischen Prinzipien und dem geltenden Arztrecht ansonsten fremd ist. (21)

Die Medizin kennt sehr wohl den "angenommenen Patientenwillen", so z.B. beim Versuch der Reanimation oder die (intensivmedizinische) Behandlung nach einem erfolglosen Suizidversuch.

Zudem würde eine Widerspruchslösung ausgerechnet in einem Entscheidungsfeld, in dem es, wie oben dargelegt, um Leben, Sterben und Tod geht, einer starken Rechtfertigung bedürfen angesichts der Tatsache, dass sich der Rechtsstaat in anderen Sphären des rechtlich geordneten Zusammenlebens nicht auf eine nur vermutete bzw. solcher Art gedeutete Zustimmung der Betroffenen verlässt. (21)

Bei o.g. Versuch der Reanimation oder erfolglosem Suizidversuch geht es um Leben und Tod. Bei der Frage um Organspende ist der Spender bereits tot, bei der Frage um organprotektive Maßnahmen ist der Patient totgeweiht.

Zu einer Kultur des Sterbens gehört eine Sichtweise, die den Sterbeprozess als eine eigene Behandlungsphase ansieht, die von der vorrangigen Sorge um das Wohl des Sterbenden geprägt sein muss.

Die in den letzten Jahrzehnten gewachsene Einsicht, dass während der Sterbephase alle pfl egerischen und medizinischen Maßnahmen primär dem Wohlergehen des Sterbenden zu dienen haben, stellt einen hohen moralischen Wert dar, der durch das Bestreben, potenzielle Spender früh-zeitig zu identifi zieren und bis zum Eintritt des Hirntodes weiter zu behan-deln, nicht wieder aufs Spiel gesetzt werden sollte. (23)

Ist der Hirntod festgestellt, ist der Sterbeprozess bereits beendet und der Patient tot. Er braucht dann keine Sterbebegleitung mehr. - Befindet sich der Patient in der Phase der organprotektive Maßnahmen, ist er intubiert. Um diesen Tubus (Schlauch in der Luftröhre) zu akzeptieren, wurde er zu Beginn der Behandlung in ein leichtes künstliches Koma versetzt. Wenn der begründete Verdacht auf baldigen Hirntod besteht, sind schon viele Reflexe des Hirnstamms erloschen. Wahrnehmung kann nicht mehr erfolgen, ansonsten würde der Patient auf Schmerzreize (= mehr als nur ein Reiz der sonstigen Sinne) neurologisch reagieren. Damit bekommt der Patient in der Phase der organprotektive Maßnahmen nichts davon mit, was mit ihm und um ihn herum geschieht.

Auch wenn kontroverse Auffassungen bezüglich des Todeskriteriums bestehen, wird der Mensch nach Eintritt des Hirntodes im Hinblick auf einen würdevollen Umgang als Verstorbener angesehen. Zur Pietät gegenüber Verstorbenen gehört, dass der Körper würdevoll behandelt wird. (23)

Seit 1997 fordert § 6 TPG die "Achtung der Würde des Organ- und Gewebespenders".

Die Aufklärung muss das Hirntodkonzept als Grundlage der Organspende und die diesbezügliche Kritik sowie die bei einer Organentnahme durchgeführten Prozeduren einschließlich organprotektiver Maßnahmen darstellen. (25)

Wenn die Kritikpunkte am Hirntodkonzept genannt werden, sollten diese sachlich korrekt auch aufgelöst werden.

Der Ethikrat empfi ehlt dem Gesetzgeber, eine wiederkehrende um-fassende und sachkundige Aufklärung jedes Bürgers sicherzustellen. Zudem sollte auf dieser Grundlage eine obligatorische Äußerungspflicht für jeden Bürger eingeführt und dafür ein geeignetes Verfahren, das der Bedeutung der Entscheidung gerecht wird, zur Verfügung gestellt werden. (25)

Die Widerspruchsregelung ist die einfachste Form der "Äußerungspflicht für jeden Bürger".

Der Ethikrat fordert den Gesetzgeber auf, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts Regelungen zur Zulässigkeit organprotektiver Maßnahmen zu treffen. Dabei sollte der Zeitraum organprotektiver Maßnahmen auf 48 Stunden vor Beginn der Hirntoddiagnose begrenzt werden. (26)

Diesen 48 Stunden könnte zugestimmt werden, wenn hinzugefügt wird, "soweit der Patient keine andere Zeitvorgabe angegeben hat." Ohne diesen Zusatz ist es eine Bevormundung des Staates.

In jeden Behandlungsfall, in dem der Transplantationsbeauftragte hinzugezogen oder eigenständig aktiv wird, sollte seitens des Krankenhauses auch ein Palliativmediziner eingebunden werden. Ferner sollen Transplantationsbeauftragte in konfessionellen Krankenhäusern mindestens in ihrer hälftigen Arbeitszeit auch ärztliche Aufgaben wahrnehmen und zudem eine palliative Ausbildung erhalten. (26)

Wenn TXB eine palliative Ausbildung erhalten sollen und ein Palliativmediziner hinzugezogen werden soll, ist dies eine Doppelung der Fachkompetenz.

Der Ethikrat empfiehlt, dass in den Kliniken Maßnahmen der Reanimation durch Thoraxkompression (Herzdruckmassage) zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs allein zum Zwecke der Organprotektion unterlassen werden. (27)

Dies ist eine Bevormundung des Bürgers, der auf jeden Fall seine Organe spenden will.

Anhang

Anmerkungen

  1. Es wird hier die Anzahl der Organspender - diese ist 2018 auf einen Wert gestiegen, den es in den Jahren 2013-1017 nicht mehr gab, auf 955 Organspender - mit der Spendebereitschaft verwechselt.

Einzelnachweise

  1. Ethikrat katholischer Träger von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen im Bistum Trier: Stellungnahme des Ethikrates. Organspende. Vallendar 2019. Nach: https://www.pthv.de/fileadmin/user_upload/ALTE_ORDNER/PDF_Theo/Ethikrat/Stellungnahmen_und_Empfehlungen/Stellungnahmen_%C3%B6ffentlich/Stellungnahme_Organspende.pdf Zugriff am 22.08.2019.