Alan Shewmon

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Der Neurologe Alan Shewmon befand einen 14-Jährigen als hirntot. Die Eltern wehrten sich gegen das Abschalten der Geräte und die Ärzte fügten sich. Er starb 9 Wochen später, künstlich beatmet in einem Pflegeheim. Dies war für Shewmon der Antrieb, nach mehr ähnlichen Fällen zu suchen und fand bis zum Jahre 1998 knapp 175 ähnliche Fälle, in denen der Hirntote länger als 1 Woche künstlich beatmet wurde. Die Zeiten bis zum Herztod lagen zwischen 1 Woche und 14 Jahren.[1]

Bei diesem Thema ist es wichtig, auf die nationalen Unterschiede in der Definition des Hirntods hinzuweisen:
In den USA gilt der Hirnstammtod, in D/A/CH der Gesamthirntod.

Die Studie

Hintergrund der Studie

In den USA galt in den 80er Jahren allgemein anerkannt, dass das Gehirn eine zentrale Rolle im Leben eines Körpers ausmacht. Die Medizin vertrat die Auffassung, dass nach Eintritt des Hirntods ein Erwachsener binnen 48 bis 72 Stunden und ein Kind binnen 10 Tage in den Herztod sterbe. - In o.g. Fall starb der 14-jährige Hirntote (Hirnstammtote!) jedoch erst 9 Wochen später. Dies animierte Alan Shewmon dazu, nach ähnlichen Fällen zu suchen. Hierzu untersuchte Alan Shewmon in den Jahren 1966 bis 1997 über 12.200 Quellen.[2]

Die Medizin der 80er Jahre vertrat die Auffassung, dass der Blutkreislauf von Hirntoten (ohne funktionierendes Gehirn) trotz intensivmedizinischer Maßnahmen nicht über eine Woche aufrechterhalten werden kann. Alan Shewmon machte mit dem 14-Jährigen eine andere Erfahrung und suchte nun nach Parallelen. Dabei nahm er auch schwangere Hirntote mit auf. Bei ihnen wird wirklich mit allen Mitteln versucht, der Blutkreislauf so lange aufrecht zu erhalten, bis das Kind geboren ist.

Ergebnisse der Studie

Alan Shewmon nahm aus der ganze Welt die Fälle in seine Datei auf, wenngleich die meisten aus den USA stammten.
Von den gesammelten über 12.200 Datensätzen schloss Alan Shewmon hunderte aus, da sie zu wenig Informationen enthielten und die Sicherheit der Diagnose nicht gewährleistet war. Den Rest der Daten wertete Alan Shewmon aus:[3]
Von insgesamt 175 Hirntoten erfolgte der Herztod bei:
- 80 Hirntote nach über 1 Woche
- 44 Hirntote nach über 2 Wochen
- 20 Hirntote nach über 4 Wochen
- 7 Hirntote nach über 6 Monate
- 14 Hirntote durch Medien und Medizin-Artikel bekannt
Von den gut dokumentierten 161 Fällen erfolgte der Herztod bei:
- 67 Hirntote nach über 1 Woche
- 32 Hirntote nach über 2 Wochen
- 15 Hirntote nach über 2 Monaten
- 7 Hirntote nach über 6 Monaten
Alan Shewmon betrachtete auch die oberen und unteren Zeiten in Bezug auf das Alter der Hirntoten. Dabei stellte er fest:
- Die Hirntoten mit den längsten Zeiten (2,7 und 5,1 und 14,5 Jahre) waren Neugeborene und kleine Kinder
- alle 9 Hirntoten mit Zeiten über 4 Monate waren jünger als 18 Jahre
- alle 17 Hirntoten mit über 30 Jahren starben innerhalb der ersten 2,5 Monaten.

Von den rund 175 Fällen, bei denen der Körper des Hirntoten länger als 1 Woche künstlich beatmet wurde, dienten Alan Shewmon als Quellen: 2 persönliche Erfahrungen, 6 von anderen Profis, 154 aus medizinischer Literatur, 2 aus bioethischer Literatur, 2 aus Literatur der Krankenpflege, 2 aus anderen Skripten und 17 aus Nachrichten.

Alan Shewmon schreibt, dass schwangere Hirntote den Hauptanteil derer darstellen, bei denen der Herztod Monate nach dem Hirntod erfolgte.

In seinem Bericht schreibt Alan Shewmon, dass ihm über die Hirntoten der letzten 14 Jahre[Anm. 1] mehrere EEGs vorliegen, sowie auch Protokolle über fehlende Hirnstammreflexe und fehlender Spontanatmung[Anm. 2] An keiner anderen Stelle seines Berichts geht Alan Shewmon auf die Spontanatmung oder künstliche Beatmung der Hirntoten ein.[Anm. 3]
Alan Shewmon schreibt mit keinem Satz, dass die künstliche Beatmung dieser Hirntoten weggenommen worden sei und damit bei ihnen die Spontanatmung eingesetzt hätte. - Da auch durch Ausfall des Hirnstamms die Eigenatmung ausfällt und der Apnoe-Test auch Bestandteil der Hirntoddiagnostik ist - auch in den USA! -, muss davon ausgegangen werden, dass bei allen 175 von Alan Shewmon genannten Hirntoten die künstliche Beatmung fortgesetzt wurde. Jede anderslautende Behauptung muss den Beweis antreten, dass bei diesen 175 Hirntoten die künstliche Beatmung abgeschaltet wurde.

In seinem Bericht vermutet Alan Shewmon, dass die Hirntoddiagnostik von kompetenten Ärzten (presumably competent physicians) durchgeführt wurde schließt aber Fehldiagnosen (possible misdiagnoses) nicht aus.

Shewmons Fazit der Studie

Alan Shewmon zieht als Fazit aus dieser Studie:[4]

Fazit. Das Phänomen von chronischem Hirntod impliziert, dass sich integrative Einheit des menschlichen Körpers aus der gemeinsam Interaktion seiner Anteile ergibt und nicht aus einem hierarchischen System von Organen, bei dem ein Organ über alles andere entscheidet. Wenn Hirntod mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden würde, muss plausibel gemacht werden, warum der Körper noch nicht tot ist. Andere Begründungen, wie das Erlöschen von "Persönlichkeit" aus einem biologisch lebenden Körper, könnten vom Konzept her wertvoller oder wünschenswerter für das gesellschaftliche Verständis sein, als seine rein physiologische Herangehensweise.

Aussage der Studie

Die Aussage der von Alan Shewmon durchgeführte Studie lässt sich auf diese Punkte zusammenfassen:

  • Alan Shewmon bewies mit seiner Studie, dass ein Hirntoter bei voller intensivmedizinischer Behandlung nicht binnen einer festzusetzender Zeit von Stunden und Tagen in den Herztod stirbt, sondern dass sein Körper in seinen Grundfunktionen durchaus Monate und Jahre weiter funktioniert.
  • Alan Shewmon hat damit nicht den Hirntod widerlegt (wie häufig ausgesagt), sondern nur die Aussage, dass das Gehirn für das Funktionieren des Organismus eine zentrale Rolle spiele; dass der Körper eines Hirntoten nicht binnen zwei Wochen unweigerlich in den Herztod stirbt.
  • Alan Shewmon erwähnt in seinem Bericht keinen einzigen Hirntoten, der wieder zu einem bewussten Leben zurückgekehrt sei. So wird seine Studie aber häufig dargestellt.
  • Alan Shemaon erwähnt mit keinem Wort, dass die künstliche Beatmung bei diesen Hirntoten abgeschaltet wurde. Er verweist jedoch darauf, dass schwangere Hirntote den Hauptanteil derer darstellen, bei denen der Herztod nach Monaten erfolgte.
  • Alle 9 Hirntote mit Zeiten über 4 Monate waren jünger als 18 Jahre. - Die drei Hirntote mit über 2 Jahren waren Neugeborene und Kleinkinder.
  • Alan Shewmon belegt mit seiner Studie, dass hirntoten Kindern durch Einsatz der Intensivmedizin die Kreislauffunktion länger aufrecht erhalten werden kann als Erwachsenen.[Anm. 4]

Alan Shewmon in Deutschland

Alan Shewmon wurde Anfang 2012 nach Berlin zum Deutschen Ethikrat eingeladen, um das Ergebnis seiner Studie vorzustellen.[5]

In diesem Zusammenhang soll er gesagt haben: "Ab­schließend kann zusammenge­fasst werden, dass ein hirntoter Patient schwer geschädigt und völlig von der Hilfe anderer abhängig ist und sich in einer höchst prekären Situation befindet. Es handelt sich bei einem solchen Patienten jedoch um einen lebenden integrierten Organismus."[6]

Hier wird wiederum deutlich, worum es Alan Shewmon geht: In den USA ging man bei der Definition des Hirntods davon aus, dass das Gehirn ein lebenswichtiges Organ sei und der Hirntote daher selbst bei aller intensivmedizinischer Bemühung binnen 2 Wochen in den Herztod sterben werde. Dies hat Alan Shemon mit seiner Studie eindeutig widerlegt. Das wusste man jedoch auch schon früher von der Weiterbehandlung der schwangeren Hirntoten.

Die von Alan Shewmon genannte Integrität des Körpers muss jedoch korrigiert werden:

  • Die vitalen Grundfunktionen des Körpers sind nur deswegen vorhanden, weil der Hirntote künstlich beatmet und künstlich ernährt wird.
  • Die gestörte Homöostase wird mit Medikamenten und Maßnahmen der Intensivmedizin (z.B. Wärmedecke) ausgeglichen bzw. korrigiert.
  • Der Zustand eines Hirntoten auf der Intensivstation ist ein unnatürlicher und unumkehrbarer Zustand. Die einzige Veränderung, die hier noch zu erwarten ist, ist der Herztod.

Anhang

Quellen

Anmerkungen

  1. Alan Shewmon schrieb seinen Bericht im Jahre 1998. Somit betrifft dieser Zeitraum die Jahre 1983 bis 1997.
  2. Multiple EEGs have been isoelectric, and no spontaneous respirations or brainstem reflexes have been observed over the past 14% years.
  3. Die Behauptung, dass diesen über 170 Hirntoten die künstliche Beatmung abgeschaltet worden sei und diese hernach weitergelebt hätten, ist somit nicht haltbar.
  4. Dies war der [[BÄK]] nichts Neues. So unterscheiden die "Entscheidungshilfen zur Feststellung des Hirntodes" aus dem Jahre 1986 in der Beobachtungszeit zwischen Erwachsenen (12 Stunden), Kleinkind (24 Stunden) und Neugeborenen (3 Tage).

Einzelnachweise

  1. http://www.wissenswerte-bremen.de/userfiles/file/B3_Vortrag_Keller.pdf
  2. http://jacek.norkowski.info/files/1538%5B1%5D.pdf Zugriff am 3.4.2014.
  3. http://jacek.norkowski.info/files/1538%5B1%5D.pdf Zugriff am 3.4.2014.
  4. Conclusion. The phenomenon of chronic BD implies that the body’s integrative unity derives from mutual interaction among its parts, not from a top-down imposition of one "critical organ" upon an otherwise mere bag of organs and tissues. If BD is to be equated with human death, therefore, it must be on some basis more plausible than that the body is dead. Whether other rationales, such as loss of "personhood" from a biologically live body, might be conceptually more viable or desirable for societal endorsement is beyond the scope of this physiologic inquiry.
  5. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49598/Deutscher-Ethikrat-Diskussion-ueber-den-Hirntod Zugriff am 3.4.2014.
  6. Zitiert nach: Anton Wengersky: Summertime und Todesangst. In: Vision 2000. 4/2014, Seite 22. Siehe auch: http://www.vision2000.at/index/?article=1871 Zugriff am 22.7.2014.